Marcel Kittel, Warren Barguil, Tom Dumoulin, nun Michael Matthews. Eine ganze Reihe von Top-Fahrern hat in den vergangenen Jahren trotz gültigem Vertrag vorzeitig beim Team Sunweb die Zelte abgebrochen. Im Radsport höchst selten, scheint es bei Sunweb aber unterdessen fast normal. Woran liegt das? Steckt da ein System dahinter?
Verlässt ein erfolgreicher Fahrer eine Mannschaft, sorgt das immer für Aufregung. Fans und Medien fragen: Was ist da los? Das gilt nicht nur für Sunweb, sondern auch für QuickStep, Astana oder Sky. Schafft es das Team, diese Abgänge stets zu kompensieren, wird beim nächsten Top-Abgang die Aufregung deutlich geringer. Beispiel QuickStep: Als Niki Terpstra das Team verließ, war er der absolute Klassiker-Champion. Oder auch der Weggang von Philippe Gilbert. Es gab kaum Aufregung, weil man sich seit Jahrzehnten daran gewöhnt hat, dass der Erfolg dennoch bleibt.
Auch beim Team Sunweb musste man in den vergangenen Jahren ganz klar anerkennen, dass jeder Abgang kompensiert wurde. Nach Kittel und Degenkolb kamen Dumoulin und Matthews. Auch in diesem Jahr sorgen Cees Bol, Tiesj Benoot und Marc Hirschi für Top-Ergebnisse. Dennoch ist es beim niederländisch geprägten Team mit deutscher Lizenz ein wenig anders, als bei anderen Mannschaften. Es scheint eine Art Ablaufdatum für die erfolgreiche Zusammenarbeit zu geben. Selbst ein Fahrer wie Simon Geschke, sehr umgänglich, zurückhaltend und gewiss nicht egozentrisch, brauchte irgendwann die Trennung, um voran zu kommen. 
Das Team von Iwan Spekenbrink arbeitet sehr wissenschaftlich, fokussiert und kompromisslos. An allen Schrauben wird gedreht, um mehr rauszuholen. Es ist keine Mannschaft, in der nach Bauchgefühl Entscheidungen getroffen werden und die Empathie des Personals die Leitlinie für die Sportler ist. Es ist ein mittlerweile mittelgroßes Unternehmen, mit Top-Service Course, Nachwuchsakademie „Keep Challenging Center“ und vielen Mitarbeitern. Mit allen Mitteln wird versucht, zu professionalisieren und über wissenschaftliche Strukturen für mehr Erfolg zu sorgen. Dass einige Fahrer nach einer Weile das streng strukturierte System als zu eng geschnürtes Korsett empfinden scheint nachvollziehbar. 
Der Erfolg gibt dem Team bislang Recht. Stets kommen junge Fahrer ins Team, werden zu Raketen und schließlich zu Stars, ehe sie die Mannschaft verließen. So konnte man mit mittelgroßem Gehaltsbudget sehr viel Erfolg einfahren. Die Lücke nach Dumoulins Abgang schließt man nun mit Romain Bardet und Fahrern aus der Jugend. Die Lücke von Michael Matthews wird man mit Fahrern wie Marc Hirschi, Tiesj Benoot, Ilan Van Wilder & Co auch schließen können. Der Vertrag mit Benoot wurde direkt nach dem kommunizierten Abgang von „Bling“ Matthews bis Ende 2022 verlängert. Sicher wollte man ein Zeichen setzen.
Die Sunweb-Fans werden sich wohl dran gewöhnen müssen, dass die Identität der Mannschaft nicht an Namen und Stars hängt. Die Talente und  Neuverpflichtungen werden wissen, dass die Liaison sehr erfolgreich sein kann, aber früher oder später zu verblassen droht. Sunweb bleibt das Team im steten Wandel.