Tour de France 2020 Etappe 6

Ein echter Lutsenko

Wenn Alexey Lutsenko einen guten Tag hat, dann hält ihn wenig auf. Ob steile Berge, wie bei der Vuelta 2017, oder sogar ein Sturz im Finale, wie bei Tirreno-Adriatico – wenn Lutsenko Form hat und es läuft, dann läuft es. An diesem 3. September war so ein Tag. Die Begleiter in der Gruppe waren stark, aber Lutsenko stärker. Für sein Team ein enorm wichtiger Erfolg! Der Kasachische Meister jubelt als Solist bei der Bergankunft der Tour de France 2020 – mehr geht kaum. Bei Astana ist nun der ganz große Druck weg, davon könnte auch Leader Miguel Angel „Superman“ Lopez profitieren. Der Kolumbianer macht ebenfalls einen starken Eindruck. Man darf gespannt sein, was die kasachische Equipe noch zeigen wird.
 

„Gemäßigtes Tempo“ im Kampf um Gelb war gut für Buchmann

Die durchaus schwere Steigung zum Col de la Lusette hätte eine Möglichkeit sein können, die Konkurrenz zu testen. Hätte. War nicht. Der Tagessieg war weg, das bremste die Motivation. „Die Chancen waren 50:50 – entweder wir fahren Vollgas, oder gemäßigtes Tempo. Es ist dann das gemäßigte Tempo geworden„, sagte Emanuel Buchmann nach der Etappe. Ineos schlug ein gleichmäßiges, aber nicht extrem hohes Tempo an und am Ende war das Feld der Favoriten fast 40 Fahrer groß. Für Buchmann, der nach dem schweren Sturz bei der Dauphine noch etwas Formrückstand hat, war das nicht von Nachteil. Er hat keine Zeit verloren, musste nichts ans Limit gehen. Mit Maximilian Schachmann die ganze Zeit an seiner Seite musste er auch nicht fürchten, bei einem Defekt in Probleme zu geraten. Ein guter, halbwegs ruhiger Tag des Tour-Vierten von 2019. „Ich denke, mit meiner Form geht es weiter bergauf, oder zumindest bin ich da optimistisch„, so Buchmann.
 

Eine verschenkte Chance von Jumbo-Visma?

Das Team Jumbo-Visma machte bislang einen bärenstarken Eindruck. Leader Primoz Roglic scheint aktuell der stärkste Fahrer im Feld zu sein und seine Teamkollegen Sepp Kuss und Tom Dumoulin in super Form. Wie eigentlich das gesamte Team. Roglic liegt nur drei Sekunden hinter Yates in der Gesamtwertung. „Bis jetzt läuft alles nach Plan“, so Roglic nach der sechsten Etappe. 
Das stimmt, aber hätte man an diesem Tag nicht vielleicht noch mehr rausholen können, so stark wie die Mannschaft gerade ist? Hätte, hätte, … ist klar, aber heißt es nicht, man soll bei der Tour jede Chance nutzen, um Zeit gegenüber seinen Gegner gutmachen zu können, weil man nie weiß, was alles noch passiert? Gerade im Corona-Jahr? Wäre nicht ein Vollgas-Test an diesem schmalen, steilen Anstieg eine Option gewesen, mal zu schauen, ob einer der Konkurrenten reißen lassen muss? Kommt niemand in Probleme, kann man ja nach 2-3 Kilometern rausnehmen.
„Der Gipfel des steilen Col de la Lusette war zu weit von der Ziellinie entfernt, um etwas zu versuchen“, sagte Tom Dumoulin. Klar, um allein anzukommen schon, aber hätte es nicht schon gereicht, einem der Mitfavoriten 1-2 Minuten aufzubrummen? Einem angeschlagenen Emanuel Buchmann, oder Romain Bardet, Esteban Chaves, oder einem unsicher wirkenden Thibaut Pinot
Egan Bernal ließ auf den letzten Metern ein Loch reißen, berichtet Bauke Mollema. „Ich war überrascht, dass Bernal das Loch lassen musste. Zweihundert Meter vor dem Ziel sagte er zu Michal Kwiatkowski: ‚Mach locker‘. Vielleicht war er nicht super oder er wollte nicht schneller fahren“, so Mollema gegenüber NOS. Wir werden wohl nie erfahren, ob der Titelverteidiger wirklich nicht den besten Tag hatte. Er selbst sagte jedenfalls, dass es ihm jeden Tag besser gehe und er sich auf der sechsten Etappe sehr gut gefühlt habe.
Kein Test, stattdessen im Vergleich zur Rennspitze ein sehr moderates Tempo. „Ja, ich hab schon mit einer Eskalation gerechnet. Aber die Tour ist noch lang, das wissen alle“, sagte Simon Geschke in unserem Twitter-Tagebuch.
„Wir haben uns entschieden, heute ein wenig Energie zu sparen. Die Tour ist noch lang, und es liegen noch viele harte Tage vor uns. Es war eine schnelle Etappe, so dass wir uns auch nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen konnten. Die Mannschaft ist gut aufgestellt, und unsere Leader sind in guter Verfassung“, sagte Wout van Aert. Steht Roglic (oder Dumoulin) in Paris ganz oben auf dem Podest, haben sie alles richtig gemacht. Fehlen zum Sieg am Ende ein paar Sekunden auf Bernal oder Pinot, wird man sich vielleicht an diese sechste Etappe zurückerinnern. 
Hätte man heute attackiert, eineinhalb Minuten herausgeholt, wäre dann aber in der 3. Woche eingegangen und  würde das Rennen mit 40 Sekunden Rückstand verlieren – man würde sich auch an diesen Tag im Zentralmassiv erinnern. So, oder so – die Tour 2020 bleibt spannend!
 

Die Rennanalyse mit Sunweb-Coach Sebastian Deckert

(Die Analyse gibts täglich 20 min nach Zieleinlauf bei Instagram)
 

 

 
 
 
 
 
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Mit Sebastian Deckert vom Team Sunweb

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