Marc Hirschi

Im ersten langen Anstieg stiefelte Marc Hirschi los und fuhr mehr als 89 Kilometer allein an der Spitze. Erst eineinhalb Kilometer vor dem Ziel wurde er gestellt. Eine mutige Attacke und ein sehr beeindruckender Ritt des 22-Jährigen, der ein Happy End verdient gehabt hätte. Doch im Sprint musste sich der Schweizer wenig überraschend geschlagen geben und wurde Dritter.
Als Solo geplant war die Aktion nicht. „Ich hatte bereits vor dem Anstieg probiert, in die Gruppe zu gehen, aber es entstand einfach keine. Im Anstieg bin ich dann mein Tempo gefahren. Ich wusste, dass ich erstmal investieren muss um eine Lücke zu reißen, deshalb hab ich Vollgas gegeben. Ich war dann schon verwundert, dass ich allein bin“, so Hirschi am Tag nach dem Ritt gegenüber CyclingMagazine.
Auf die Gruppe dahinter zu warten war keine Option. „Es war schon so, dass ich dachte, sollten es oben 30 Sekunden sein, kann ich immer noch warten, aber der Vorsprung war einfach zu groß“, so Hirschi. In der Abfahrt konnte der Schweizer zusätzlich Zeit gutmachen, profitierte von seiner Radbeherrschung. „Die Abfahrten gehören zum Rennen und sind enorm wichtig. Man kann das Rennen in der Abfahrt nicht gewinnen, aber wenn du gute Abfahrt-Fähigkeiten hast, dort auch nicht verlieren“, sagt Sunweb-Coach Matt Winston.

Pacing

Hirschi war voll fokussiert und hat eine beeindruckendes Solo hingelegt. Er hatte bergauf nie eine Flasche am Rad, um Gewicht zu sparen. Stets die Trikot-Taschen leer, weil das Auto direkt dahinter war und meist in Aero-Position. „Marc ist ein Fahrer, der stets darüber nachdenkt, wie er maximal effizient agieren kann. Wir haben ihm aus dem Auto nur ein paar Erinnerungen gegeben, er ist einfach super fokussiert und ein echter Racer“, so Winston. 
Hirschi sollte bergab und in der Ebene Gas geben, sich aber für den letzten Anstieg, die letzten steilen vier Kilometer noch Körner aufheben. „Ich bin da schon etwas eingebrochen“, sagt Hirschi. „Ich habe es versucht einzuteilen, aber mehr auf mein Gefühl geachtet, als auf die Watt. Schließlich hatte ich keine Erfahrung mit solch einer langen Flucht“, so Hirschi. 
Am Berg habe er schon darauf geachtet, nicht zu überziehen, aber sonst vor allem auf sein Gefühl vertraut und wenig auf den Wattmesser geachtet. Die Ansagen aus dem Auto konnte er meist nur bergauf verstehen. „Du bist da so schnell, mit dem ganzen Wind kannst du kaum etwas verstehen“, sagte Hirschi.
Stolz statt Enttäuschung
Aus dem Auto kamen Tipps, wann er Flaschen annehmen soll und dass er sie direkt wegwerfen soll. Im Finale war dann klar, dass er nicht durchkommen würde. „Wenn er voll durchgefahren wäre, hätten sie ihn auch eingeholt, dann vielleicht 500 Meter vor dem Ziel“, sagt Winston. So nahm Hirschi raus, wartete und versuchte sein Glück im Sprint. Am Ende wurde er Dritter und war enttäuscht.
„Natürlich war er enttäuscht“, sagt Winston am Morgen nach der Etappe. „Aber als wir gestern um 23 Uhr am Hotel ankamen, war es schon besser“. Nach Frust und Enttäuschung kommt bei Hirschi so langsam auch der Stolz durch. „Klar, ist man enttäuscht. Aber so langsam bin ich auch immer mehr stolz darauf, was ich da gemacht habe“, so der junge Schweizer am Montagmorgen. Mit der Form, die er aktuell hat, wird man ihn sicher bald erneut in der Offensive sehen.