Mark Cavendish

Mark Cavendish kehrt zu Deceuninck-QuickStep zurück. „Für mich fühlt sich das wirklich so an, als käme ich nach Hause“, kommentierte Cav den Wechsel. Wer den Radsport verfolgt, muss nicht lange bei Procyclingstats rumklicken um zu sehen, dass der 35-Jährige nicht mehr der „Cav“ früherer Jahre ist, als er reihenweise Etappensiege einfuhr. Nach schwierigen Jahren, mit Stürzen, Verletzungen und Pfeifferschem Drüsenfieber wartet er seit mehr als zweieinhalb Jahren auf seinen 147. Profi-Sieg.

Mark Cavendish hat stets polarisiert. So gehen auch die Reaktionen auf seinen Wechsel zum Team von Patrick Lefevere auseinander. Die einen feiern die Nachricht über Cavs Verbleib in der WorldTour, ein anderer Teil hätte es lieber gesehen, ein junger Fahrer hätte diesen Platz im Peloton bekommen. Für beides gibt es durchaus Argumente.

Ein verschwendeter Platz?

Wird Mark Cavendish nun wieder reihenweise Rennen gewinnen? Vermutlich nicht. Vielleicht wird er nicht ein einziges Mal als Erster eine Linie überqueren. Wäre es schön gewesen, im schweren Corona-Jahr, wo gerade die Sportler auf dem Sprung in die Profi-Welt gelitten haben, einem jungen Talent eine Chance zu geben? Ganz sicher. Aber man kann es auch aus einer anderen Perspektive sehen.

Vermutlich wird das Gehalt von Mark Cavendish mit dem aus seiner ersten Zeit im Team wenig zu tun haben. Da fehlt vielleicht nicht nur eine Stelle im Überweisungsformular. Doch im Radsport ist es stets schwierig, bei Fahrern, die nicht die Siege einfahren, den Wert für das Team in Euro zu bemessen. Und so klar und abgeklärt, wie das Team um Patrick Lefevere ihre Vision vom Radsport durchzieht, werden sie Cav nicht als Top-Siegfahrer einsortieren.

Achterbahn

Mark Cavendish hat im Radsport alles erlebt. Den Monsterhype, den Rausch des Erfolgs, den Sog einer Niederlagen-Serie und den schmalen Grat zwischen Spaß am Radfahren und dem eiskalten Business Cycling. Er hat am eigenen Leib erfahren, wie hoch man geschossen wird, aber wie schnell es wieder bergab geht. Was Sport bedeuten kann, mit all seinen Emotionen und Dimensionen, aber wo man ihn hinter sich lassen muss, um Mensch zu bleiben. Dies konnte man beispielsweise in seinen Tweets zum Karriereende von Marcel Kittel ablesen.


Andere Zeiten

Der Radsport befindet sich in einer Zeit, in der Junioren direkt in die WorldTour aufsteigen. Vor 15 Jahren, als Cav mit zarten 21 beim Team T-Mobile ankam, war dies noch außergewöhnlich. Er und Gerald Ciolek waren mit Abstand die Jüngsten im Team 2007. Heute werden Fahrer wie Marco Brenner fast selbstverständlich mit 18 World-Tour-Profi.

Aus heutiger Sicht scheinen Cavs Anfänge lange her und überholt. Noch mutiger und selbstbewusster steigt die neue Generation auf. Aber jünger bedeutet auch weniger Erfahrung, auf und neben dem Rad. Genau hier kann ein Typ wie Cav extrem wertvoll sein. Er hat alles miterlebt und wird ganz sicher auch von den ganz jungen Heißdüsen respektvoll behandelt. Das wissen auch Lefevere & Co. und sie werden Cavs Wert eher in seiner Rolle als Mentor sehen. Vielleicht eher nicht für Sprinter Sam Bennett, der selbst weiß wie man Rennen gewinnt, sondern für die ganz jungen Supertalente, wie Remco, Joao Almeida und Co. Denn diese Jungs starten gerade selbst ihren Höhenflug in den Radsporthimmel, wo man ganz schnell seinen Platz auf der Wolke wieder verlieren kann.

Eine weitere Dimension

Die Verpflichtung von Mark Cavendish hat aber noch weitere Ebenen. Man kann es auch als Zeichen des Respektes sehen, dem wohl erfolgreichsten Radprofi der vergangenen 15 Jahre einen würdevollen Abschied zu bieten. Seine Tränen im Ziel von Gent-Wevelgem wurden von der gesamten Radsportwelt wahrgenommen.

Doch auch ohne diese Ebene, bringt Cav dem Team Aufmerksamkeit. In Sachen Marketing ist Cav noch immer wertvoll. Seine 30 Tour-Etappensiege verschwinden nicht und wegen seiner Art wird er nicht von allen Medien geliebt, aber immer noch beachtet. Man stelle sich vor, Mark Cavendish könnte sich am Ende der Saison 2021 bei einem Radrennen vor Publikum verabschieden – es wäre sicher eine spektakuläre Party. Und selbst ohne Zuschauer an der Strecke, wird er bei jedem Rennen, das er ein letzten Mal bestreitet mindestens eine Randnotiz sein. Cav ist eben Cav – einer der besten Sprinter aller Zeiten. Und vielleicht bleibt er ja auch nach seiner aktiven Zeit an der Seite von Lefevere, auch in diese Richtung werden beide Seiten ganz sicher Überlegungen angestellt haben.