Der schlimmste Tag des Radsport-Jahres

Der Unfall von Fabio Jakobsen sah so furchtbar aus, dass man ihn kein zweites Mal sehen wollte. Mit mehr als 80 km/h krachte der Niederländer in die Barriere und verletzte sich schwer. Heute, knapp ein halbes Jahr später, geht es Jakobsen wieder einigermaßen gut. Er hatte Glück im Unglück, wie man sagt. Er sitzt bereits auf dem Rad, wird ein Comeback irgendwann 2021 probieren. Sekunden nach dem Unfall hätte man das für unmöglich gehalten und das Schlimmste befürchtet.

Dieser Unfall, mit all seinen Folgen, berührt viele Dimensionen des Radsports. Dylan Groenewegen, der den Sturz verursachte, hat einen folgenschweren Fehler begangen, mit dem er nun leben muss. Die UCI verhängte ein Strafmaß von 8 Monaten Sperre, was in Anbetracht des Vergehens extrem hart ist, blendet man die schwerwiegenden Folgen für Jakobsen aus. Gelingt es nun, mit harten Strafen für sicherere Sprints zu sorgen?

Dann ist da die Barrieren-Diskussion und natürlich die gefährliche High-Speed-Ankunft in Katowice, wo sich der Sturz ereignete. Muss solch ein Sprint sein? Kann man Barrieren-Standards bei allen Rennen garantieren? Das Verhalten von Organisator Czesław Lang, der den Fahrern riet, die Klappe zu halten, statt sich zu beschweren, ist ein eigenes Kapitel – ein sehr unschönes. Dass sich die Mainstream-Medien nahezu auf diese Geschichte stürzten, wo man sonst den Radsport gern links liegen lässt, oder im Scheinwerferlicht der Tour de France gern Klicks-schindend in die Schmuddelecke schiebt, ist ebenso unschön, aber eben ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.

Aber dieser Unfall förderte auch Menschlichkeit zu Tage. Der weinende Florian Senechal am Streckenrand, kurz nachdem er seinen Teamkollegen den Sanitätern übergeben hatte. Als Erster war er bei Jakobsen und rettete ihm mit seiner instinktiven Hilfe das Leben. Er musste psychologisch betreut werden. Oder UAE-Teamarzt Dirk Tenner, der aus dem Auto sprang, zu Jakobsen eilte und bis ins Krankenhaus an seiner Seite blieb. Teamfarben, sportliche Konkurrenz, Rivalitäten – in solchen Momenten spielen sie keine Rolle. Dass diese Emotionen bei Beteiligten dann zu Überreaktionen führen, ist auch menschlich, wenn auch bedauerlich.

Dieser Unfall machte allen klar: in Sekundenbruchteilen kann ein Drama seinen Lauf nehmen. Jederzeit. Überall. Fans, Teamkollegen, Freunde, Familie und ganz sicher auch Dylan Groenewegen wünschen sich sehr, dass Fabio Jakobsen ohne Einschränkungen ins Peloton zurückkehrt. Sein Name wird für immer mit diesem schlimmen Sturz verbunden bleiben. Viele werden diesen Tag nie mehr vergessen.