1 | Training wichtiger als Vorbereitungsrennen?

Bis auf wenige Ausnahmen galt dies in Vergangenheit als klare Regel: Um sich gut auf eine Grand Tour vorzubereiten, muss man vorher doch reichlich Rennkilometer gesammelt haben. Ohne die nötige Rennhärte geht es etwa bei einer Tour de France nicht. Doch die Tour 2020 gehörte trotz der langen Corona-bedingten Pause zu den schnellsten dreiwöchigen Rundfahrten im modernen Radsport. Es zeigte sich eine beeindruckende Leistunsgdichte. Dabei war das zu erwartende sportliche Niveau aufgrund der ungewöhnlichen Umstände ursprünglich ein Riesenrätsel.

Diese Erkenntnis könnte große Auswirkungen auf die Vorbereitung der Klassementfahrer haben, was unter anderem Bora-Trainer Dan Lorang während eines Instagram-Livestreams mit Cyclingmagazine.de andeutete. Es ist zwar noch nicht davon auszugehen, dass die Favoriten eine Teilnahme an Paris-Nizza gegen einen Höhentrainingslager tauschen. Dennoch werden sich die Roglics dieser Welt wohl noch zielorientierter auf die Höhepunkte der Saison vorbereiten.

2 | Nicht vorverurteilen, aber kritisch & differenziert beobachten

Tadej Pogacars Einzelzeitfahren bei der Tour de France machte selbst seine Fans sprachlos und erinnerte viele bestimmt an dunkle Zeiten des Radsports. Phänomenale Leistungen von weiteren jungen Fahrern wie Marc Hirschi, Jai Hindley oder Joao Almeida machen zwar Hoffnungen auf spektakuläre Rennen in der Zukunft. Doch tatsächlich gibt es auch berechtigte Sorgen. Denn dass Geschwindigkeiten im Radsport wieder wachsen, haben wir nicht erst bei der letztjährigen Tour festgestellt.

Hier wäre es wichtig, weder sonderlich optimistisch noch zu pessimistisch zu sein. Wer an die Sauberkeit der gesamten jungen Generation glaubt, ist womöglich naiv. Gleichzeitig ist es nur logisch, dass beim viel besseren Scouting sowie beim Riesensprung in Sachen Nachwuchsförderung die Leistungen steigen. Es gibt anders als vor 15 Jahren genug Gründe, niemanden mit Vorurteilen abzustempeln. Es gilt aber auch, aufmerksam und kritisch zu bleiben.

3 | Fahrer brauchen mehr Menschlichkeit in Teams

Die Strukturen der WorldTour-Teams werden immer professioneller. Es wird immer mehr auf reine Daten und Taktik geschaut, um die Ziele der Mannschaft knallhart im Rennen umzusetzen. Dabei wird der menschliche Aspekt oft übersehen. Natürlich sind die Fahrer Profis, die genau dafür bezahlt werden, dass sie für ihre Teams buchstäblich arbeiten. Dennoch ist es kaum ein Zufall, dass mit dem Schweizer Supertalent Marc Hirschi ein weiterer Top-Fahrer das Team DSM verlässt – eben das Team, welches mit seinem überprofessionellen Ansatz ständig Schlagzeilen schreibt.

Die Kritik von Wilco Kelderman an dem Umgang seiner Mannschaft während des Giro spricht ohnehin für sich. Der moderne Radsport muss kein Ponyhof sein. Trotzdem ist es oft schwieriger, große Ziele trotz bester Wattmessungen zu erreichen, wenn das interne Klima nicht stimmt. Darauf sollten die Teams 2021 größeren Wert legen.

4 | Bora-hansgrohe wird für 2020 belohnt

Nein, Emanuel Buchmann muss nicht unbedingt den Giro gewinnen, sollte er diesen letztlich fahren. Und auch drei Tour-Etappensiege von Pascal Ackermann kann man sicher nicht im Januar voraussagen. Es ist dennoch bemerkenswert, wie viel Pech Bora-hansgrohe im letzten Jahr hatte. Dabei war etwa Buchmann kurz vor seinem Sturz in hervorragender Form. Auch Maximilian Schmachmann und Lennard Kämna überzeugten vor der Großen Schleife, bis sie ebenfalls gesundheitlich gefährdet wurden.

Das deutsche Team versuchte anschließend, das zu retten, was es zu retten gab – mit mäßigem Erfolg. Dafür lieferte Bora-hansgrohe gerade bei der Tour, aber auch beim Giro eine erstklassige Show, die jedenfalls in Erinnerung bleibt. 2021 muss es nicht an allen Stellen perfekt laufen. Doch viel besser als im vorigen Jahr kann man sich auf die Höhepunkte eigentlich nicht vorbereiten. Sollte Bora diesmal alles ähnlich im Griff haben, kommen die Erfolge quasi automatisch – egal, wie die Zusammensetzung des Teams bei unterschiedlichen Rennen im Endeffekt aussieht.

5 | Ineos Grenadiers & Jumbo-Visma liefern endlich den Schlagabtausch bei der Tour

2020 rannte Ineos noch der niederländischen Jumbo-Visma-Equipe rund um Primoz Roglic hinterher, während mit Tadej Pogacar der lachende Dritte die Tour gewann. 2021 wird es trotzdem zum Duell der beiden aktuell besten Rundfahrt-Teams kommen, obwohl die zeitfahrlastige Strecke sicher nicht allen potenziellen Kapitänen des Ineos-Teams gefällt. Eine noch spannendere Tour ist sehr wahrscheinlich, und dafür braucht man nicht immer den allerschwersten Parcours.


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