John Degenkolb

John Degenkolb bereitet sich derzeit in Spanien auf die neue Saison vor. Anders als in den vergangenen Jahren trainiert die Lotto-Soudal-Mannschaft nur in Kleingruppen. Die Rennblasen wurden beibehalten und die Mannschaft aufgeteilt. „Um die neuen Teamkollegen kennenzulernen ist das natürlich nicht ideal“, sagt Degenkolb.

Sein Team hat sich stark verändert. Zehn Fahrer haben die Mannschaft verlassen, neun stießen hinzu. Wobei einige der Neuzugänge bereits in der U23-Mannschaft des Teams fuhren. So beispielsweise die beiden großen Talente Xandres Vervloesem und Viktor Verschaeve.

Privates Dezember-Trainingslager

Das Training leidet wenig unter den Kleingruppen, vielmehr könne man sich „stärker drauf konzentrieren“, hatte Degenkolbs Teamkollege Philippe Gilbert als positiven Effekt festgestellt.

Die Vorbereitung auf die Saison läuft bei Degenkolb wie gewohnt. Auch wenn das obligatorische Team-Trainingslager ausfiel und er im Dezember ein privates Trainingslager, gemeinsam mit Jonas Rutsch vom Team EF Education-Nippo, im Haus eines Freundes auf Mallorca organisierte. „Wir hatten es natürlich im Vorfeld gemeinsam mit dem Trainerteam, den Ärzten und Gesundheitsbehörden abgestimmt und uns dann für diesen Weg entschieden“, sagt Degenkolb. Zu dritt nutzen sie das gute Wetter auf der Insel.

Die Klassiker als Saisonziel

Die Kilometer auf Mallorca im Dezember und auch das aktuelle Trainingslager sind wichtige Bausteine in der Saisonvorbereitung. Denn bereits im Frühjahr steht das große Saisonziel an. „Die Klassiker sind erneut mein großes Ziel“, sagt Degenkolb. Vor allem auf Paris-Roubaix ist er heiß, der zweite Stein ist das große Ziel. „Natürlich wird das nicht leicht“, sagt Degenkolb mit Blick auf die starke Konkurrenz, die mit Wout van Aert und Mathieu van der Poel noch einmal größer geworden ist. „Aber wenn ich das gleiche Rennen zeigen kann, wie 2015, dann werde ich wieder in der Lage sein, um den Sieg mitzufahren“, ist sich Degenkolb sicher.

Nachdem der Roubaix-Champion von 2015 wegen der Rettung des Nachwuchsrennens mit einem eigenen Pflasterstück geehrt wurde, ist die Vorfreude auf das Rennen noch größer. Dass voraussichtlich keine Zuschauer dabei sein werden findet Degenkolb schade, glaubt aber nicht, dass seine Motivation für das Rennen leiden wird. „Die Verbindung zu diesem Rennen, die Motivation und meine Leidenschaft dafür sind so groß – es wäre ein Traum für mich, den Sieg zu wiederholen„.

Klassiker-Kampagne

Degenkolb wird bei den französischen Rennen Grand Prix Cycliste la Marseillaise und Etoile de Bessèges in die Saison einsteigen. Ende Februar steht dann das erste Belgische Rennen an – voraussichtlich Kuurne-Brüssel-Kuurne. Über Paris-Nizza geht es dann zu den großen Frühjahrsklassikern. Bei Mailand-Sanremo wird das Team vielleicht erneut auf andere Fahrer als Kapitäne setzten, bei den Pflaster-Rennen wird Degenkolb dann einer der absoluten Leader sein.

„Ich war 2020 bei der Ronde so nah am Podium, wie niemals zuvor“, sagt Degenkolb über seine Chancen. Im Finale wählte er eine offensive Strategie um noch Rang drei zu erreichen, was nicht richtig aufging und er sich dann im Sprint mit Rang neun begnügen musste. Dass es am Ende „nur“ um Rang drei ging, lag an den Überfliegern Van der Poel und Van Aert. „Wenn wir eins gegen eins fahren, dann sind Mathieu und auch Wout auf einem anderen Level. Aber es geht auch um eine Menge Taktik, Coolness, Cleverness und Erfahrung“, so Degenkolb, der aus den Pflasterklassikern im Herbst Selbstvertrauen und Motivation mitgenommen hat.

Zuversicht schöpft Degenkolb dabei auch aus den Erfahrungen während der Rennpause. Im ersten Lockdown zu Hause auch als Familienvater mehr eingespannt als sonst, gelang es ihm, ein Gleichgewicht aus Training und Familie zu finden. „Ich habe das definitiv auch genossen“, sagt Degenkolb angesprochen auf die viele Zeit daheim während der Rennpause. Dass er im Herbst dennoch in Top-Form bei Gent-Wevelgem und der Flandern-Rundfahrt starke Rennen zeigte, gibt ihm Zuversicht in der aktuellen Phase, wo das Thema Kinderbetreuung und der Job der Frau erneut auch organisatorisches Geschick nötig machen.

Tour? WM wieder als Helfer?

Wie es nach der Klassikerkampagne weitergehen wird, ist noch nicht sicher. Die Tour de France würde Degenkolb gern fahren, allerdings muss man erst die Pläne des Teams abwarten. Die WM in Flandern ist für Degenkolb auf jeden Fall ein Ziel. „Auch wenn der Kurs nicht ideal für mich ist“, sagt Degenkolb, der sich die Strecke in Leuven bereits angeschaut hat. „Aber im Nationaltrikot zu starten, ist immer großartig und ich wäre gern dabei“, so der 32-Jährige. Bei der WM 2020 hatte sich Degenkolb voll in den Dienst der Mannschaft gestellt und als Helfer für Maximilian Schachmann ein starkes Rennen geliefert. In Top-Form wäre Degenkolb in Leuven sicher in der Lage, auch selbst ein gutes Ergebnis einzufahren, so wird er vielleicht in die Rolle eines Co-Kapitäns schlüpfen und die Taktik des BDR-Teams im Rennen entscheiden. Doch soweit voraus blickt Degenkolb noch nicht – nun ist der Fokus erstmal voll auf das erste große Ziel ausgerichtet – der zweite Stein.


Degenkolb im Interview nach der Flandern-Rundfahrt 2020: