Mailand-Sanremo ist eines der fünf Monumente. Es wird bereits zum 112. Mal ausgetragen. Ein Rennen, mit viel Tradition und enormem Prestige. Zugleich ist es das erste ganz große Highlight der Saison und der Auftakt des Radsportfrühlings. Die „la Primavera“, die Fahrt in den Frühling, ist ein sehr spezielles Rennen, mit einem einzigartigen Charakter. 

Mit rund 300 Kilometern absurd lang. Von Mailand bis ins Ziel in Sanremo passiert die ersten Rennstunden wenig. Doch hat das Peloton die ligurische Küste erreicht, steigert sich mit jedem Kilometer die Spannung.

Hektik im Feld, Positionskampf, brutales Tempo, bevor es in die Anstiege geht. Nach und nach steigert sich die Anspannung, bis sich am Poggio alles mit einem Feuerwerk entlädt. Es ist ein Rennen, das lange langweilig ist, aber verlässlich eines der packendsten Finals der Saison bietet.

Und schließlich muss die entscheidende Frage des Rennens beantwortet werden: Ist eine späte Attacke erfolgreich, oder gibt es einen Sprint auf der Via Roma? 


Die Strecke

Traditionell startet das Rennen im Mailänder Zentrum. Am Piazza Castello ist normalerweise die Bühne für das Einschreiben aufgebaut. In diesem Jahr sind allerdings wegen der Corona-Pandemie keine Zuschauer gestattet.

Nach dem Start führt die Strecke gen Süden. Eigentlich ist der höchste Punkt des Rennens der Turchino-Pass, doch dieser kann in diesem Jahr nicht gefahren werden. So geht es über Colle di Giovo. Am Charakter des Rennens ändert das nichts. Hat man die Küste erreicht, geht es entlang der traditionsträchtigen Via Aurelia gen Sanremo. 

Mit den fünf „Capi“ – den kurzen, aber steilen Anstiegen auf den letzten rund 55 Kilometern zum Ziel, beginnt das Finale des Rennens. Zunächst Capo Mele (51,5 km vor dem Ziel) und Capo Cervo (46,3 km vor dem Ziel). Dann Capo Berta (38,4 km vor dem Ziel). Vor den Anstiegen wird es im Feld extrem schnell und alle Favoriten müssen aufmerksam sein. Die Kapitäne wollen möglichst weit vorn sein, damit sie bei  Stürzen oder einem Riss im Feld nicht abgehängt werden.

Der vorletzte Anstieg ist die Cipressa. Das große Feuerwerk gibt es dann am Poggio!


Schlüsselstelle Poggio

Meist fällt die Vorentscheidung am Poggio. Im Jahr 2017 zog Peter Sagan das Tempo an und nur Michal Kwiatkowski und Julian Alaphilippe konnten folgen. Am Ende kam es zum legendären Sprint des Trios, bei dem sich Kwiatkowski den Sieg holte. In der Verfolgung von Sagan knatterte „Kwiato“ mit 37,6 km/h im Schnitt den Poggio hinauf und hat bis heute den Strava-KOM (Valverde war 2019 gleich schnell).

Die Auffahrt zum Poggio beginnt 9 Kilometer vor der Ziellinie. Es geht 3,7 Kilometer auf einer schmalen Straße mit vier Haarnadelkurven bergan. Wer hier angreifen will, sollte vor dem Anstieg schon in einer guten Position sein. Dementsprechend schnell und hektisch wird es im Kampf um die Positionen vor dem Anstieg.

Im Jahr 2018 war es Vincenzo Nibali, der mit seiner beherzten Attacke die Konkurrenz abhängte und sich am Ende im Solo den Sieg holte.

2019 löste sich eine kleine Gruppe mit Alaphilippe am Poggio, und „Loulou“ gewann den Sprint der Ausreißer. Im vergangenen Jahren waren es Alaphilippe und Wout van Aert, die sich am Poggio absetzten. Am Ende jubelte van Aert.

1979

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Sieger Dietrich - Didi Thurau 1979

Die Favoriten

In den vergangenen Wochen machten vor allem Wout van Aert, Mathieu van der Poel und Julian Alaphilippe einen bärenstarken Eindruck. Für Mailand-Sanremo ist dieses Trio in der Favoritenrolle. Wobei die beiden Crosser noch ein wenig stärker wirken, als der Weltmeister.

Wer ein Wörtchen im Kampf um den Sieg mitreden will, muss diesen Herren am Poggio folgen können. Die Liste der Fahrer, die dazu in der Lage sind, ist nicht sonderlich lang. Maximilian Schachmann vielleicht, oder Michal Kwiatkowski, wenn sie einen Sahnetag erwischen. Wer noch? Das ist die Frage.

Egal wie die Gruppe aussieht, die sich am Poggio absetzt, man sollte sich auf dem Weg nach Sanremo einig sein, denn wird zu sehr gepokert und das Tempo verschleppt, könnten angehängte Gruppen wieder aufschließen.

Kommt es zum Sprint einer größeren Gruppe, oder eines dezimierten Felden, sind Fahrer wie Michael Matthews, Alex Kristoff, Giacomo Nizzolo, Magnus Cort oder Matteo Trentin nicht zu unterschätzen. Das Team Deceuninck-QuickStep hätte dann mit Sam Bennett und Davide Ballerini sogar zwei Optionen.

Auch Lotto-Soudal-Sprinter Caleb Ewan war bereits Zweiter bei Mailand-Sanremo, allerdings scheint er aktuell nicht in der Verfassung, sich Hoffnungen aufs Podium machen zu können. Vielleicht setzt man bei Lotto-Soudal eher auf das erfahrene Duo John Degenkolb und Philippe Gilbert. Degenkolb hat das Rennen 2015 gewonnen und Gilbert könnte mit einem Sieg in Sanremo die Monumente-Sammlung komplett machen. Doch die Chancen auf diesen historischen Triumph sind eher gering.

Peter Sagan, der bereits auf dem Podium stand und acht Mal in den Top10 landete, das Rennen aber noch nie gewinnen konnte, scheint nach überstandener Covid-Erkrankung noch nicht in der Lage, ganz vorn mitzufahren.

***** Mathieu van der Poel
**** Wout van Aert
*** Julian Alaphilippe, Maximilian Schachmann
** Davide Ballerini, Michael Matthews, Giacomo Nizzolo
* Gilbert, Laporte, Kristiff, Aranburu, Bouhanni, Van Avermaet, Demare, Mohoric

Die offizielle Startliste findest du hier | Startliste bei PCS

Start: 09:40 Uhr
Ziel: ~ 17:00 Uhr

Wetter: ~ 13 Grad, trocken

TV: Eurosport

Deutsche Siege:
4x Erik Zabel (1997-1998-2000-2001)
1x Rudi Altig (1968)
1x Gerald Ciolek (2013)
1x John Degenkolb (2015)