Stuyven – die perfekte Attacke

Bei Mailand-Sanremo gilt: Gehen doch einige Fahrer gemeinsam in die Abfahrt vom Poggio, wird es meist taktisch. Im Jahr 2008 setzte Fabian Cancellara seine Attacke nach der Abfahrt und siegte als Solist. Solch einen „Move“ haben natürlich viele der Fahrer im Hinterkopf und einige in der Vergangenheit schon probiert. Einfach ist das nie, erfolgreich ganz selten. Aber viele Optionen bleiben bei diesem Rennen eben nicht, will man einen Sprint umgehen.

Jasper Stuyven setzte seinen Angriff auf den letzten Metern der Abfahrt, eher als beispielsweise Cancellara damals. Stuyven nutzte seine Explosivität, um bergab direkt eine Lücke zu reißen. Crosser Tom Pidcock konnte die Lücke nicht schließen und nach der Abfahrt schauten sich die Verfolger dann an. Ideal für Stuyven.

Doch selbst mit dieser perfekten Attacke hätte es für Stuyven wohl nicht zum Sieg gereicht, wäre nicht Søren Kragh Andersen herangefahren. Der Däne machte dann das Tempo und zog Stuyven den Sprint an. So reichte es doch, für den Belgier. Mit der perfekten Attacke, und etwas Glück. Für 2022 gilt: Diese Cancellara/Stuyven Attacke kann klappen, aber ob es tatsächlich aufgeht liegt eher in den Händen der Verfolger.

Caleb Ewan – Poggio-Wahnsinn

Am Poggio sah es so aus, als wäre man etwas langsamer gefahren, als beispielsweise 2019, da wurde der aktuelle Strava-KOM aufgestellt. Laut Strava-Aufzeichnung von Mathieu van der Poel war man 2021 aber nur eine Sekunde langsamer als der aktuelle Rekord aus dem Jahr 2019. Dass tatsächlich sehr schnell den Poggio hinaufgefahren wurde, belegen auch andere Messungen.

Caleb Ewan konnte am Poggio problemlos den Attacken folgen und ging in der ersten Gruppe in die Abfahrt. Das war eine sehr beeindruckende Leistung des kleinen Australiers.

Der Konkurrenz gefiel das natürlich nicht und sie wollten ungern mit dem endschnellen Ewan auf die letzten 500 Meter gehen. So wurde verzögert und Jasper Stuyven bekam die Chance seines Lebens.
Hätte Kragh Andersen nicht Stuyven geholfen, oder hätte Ewan noch einen Helfer in der Gruppe gehabt, … hätte, hätte …. nicht umsonst heißt es, Milano-Sanremo sei so schwer zu gewinnen.
Ewans Enttäuschung ist nachzuvollziehen – er war unfassbar stark und es fehlte nicht viel. Kann er diese Poggio-Leistung wiederholen, wird er das Rennen irgendwann gewinnen.

Ineos Grenadiers – viel Aufwand, kein Ertrag

Ins Ziel rollten Tom Pidcock (15.) und Michal Kwiatkowski (17.) am Ende der ersten Gruppe. Ein enttäuschendes Ergebnis, für den Aufwand, den das Team betrieb. Im Finale des Rennens bestimmte die Mannschaft das Geschehen. Nach der Cipressa kontrollierte man und auch im Poggio war es die Ineos-Equipe, die das Tempo machte. Ganna fuhr stark, stellte sich voll in den Dienst der Kapitäne, nachdem er nach Tirreno-Adriatico mit leichten Erkältungssymptomen zu kämpfen hatte. Am Poggio war von Leistungsverlust wenig zu sehen.

Man zeigte ein gutes Rennen, doch Kwiatkowsi war schlicht nicht in der Lage, bei den besten mitzufahren. Am Poggio verlor er den Anschluss, kam erst in der Abfahrt zurück. Dass Teamkollege und Steuerkünstler Pidcock in der Abfahrt gerade da sein Glück in der Offensive suchte, als Kwiatkowski hinten versuchte den Anschluss wieder herzustellen, sah unglücklich aus, war aber nicht entscheidend. Denn Kwiatkowski war nicht in der Verfassung um am Ende um den Sieg zu fahren und Pidcock spielte schlicht seine Stärken aus. So blieb man am Ende ohne super Resultat. Kwiatkowski nahm es via Twitter auf seine Kappe – stark!

Bora-hansgrohe taktisch unglücklich, Sagan überraschend stark

Nach überstandener Covid-Erkrankung schien Peter Sagan bei Tirreno-Adriatico noch weit weg, von Normalform. Bei Mailand-Sanremo zeigte er sich nun überraschend stark. Rang vier am Ende, das kam unerwartet.

Insgesamt kann die Bora-hansgrohe-Mannschaft mit dem Auftritt beim ersten Monument des Jahres sicher zufrieden sein. Denn Maximilian Schachmann gingt die Attacken von Alaphilippe und Van Aert problemlos mit. Versuchte es nach dem Poggio selbst, wurde aber direkt von Michael Matthews „gedeckt“. Hier fehlte das Glück für den richtigen Moment.

Hätte Schachmann auf den letzten 1,5 Kilometern also Sagan konsequent ans Hinterrad nehmen müssen um ihm den Sprint anziehen? Schwierig. Sagan ist ein Fahrer, der seinen eigenen Weg wählt, antizipiert und intuitiv das richtige Hinterrad wählt. So auch am Samstag.

Hätte Schachmann stumpf das Loch zu Stuyven zugefahren, wäre Sagan vielleicht auf dem Podium. Aber die Siegchancen für Sagan wären nicht zwangsläufig gestiegen. Denn dann hätten auch Van Aert und Ewan profitiert – die beiden wären im Sprint von Sagan dann sicher auch nur schwer zu schlagen gewesen. Und was für Sagan nach so vielen Top-Platzierungen bei Mailand-Sanremo zählt, ist der Sieg.

Und Pascal Ackermann kam bei seinem Sanremo-Debüt sechs Sekunden nach Sieger Stuyven als 20. ins Ziel – auch das respektabel.

Van der Poel mit zu wenig Unterstützung im Finale

Mathieu van der Poel war einer der großen Favoriten. Nach seinen beeindruckenden Auftritten in dieser Saison, war er vielleicht sogar der Top-Favorit. Doch für den Niederländischen Meister lief es im Finale nicht perfekt.
Vor dem Poggio musste er im Wind seine Position suchen, war dann dennoch recht weit hinten. Position 30 hatte er am Fuße der Steigung. So musste er bergauf einige Positionen gutmachen. Das war nicht entscheidend? Mag sein. Aber für die Zukunft wäre es sicher wünschenswert, hätte er einen Teamkollegen, der ihn ohne Kraftverlust ganz vorn reinbringt.