Marco Brenner

„Ich freue mich auf das Rennen“, sagt Marco Brenner vor dem Brabantse Pijl. Nach Kuurne-Brüssel-Kuurne ist es bereits sein zweiter Halbklassiker, als Profi. Zuvor kannte er von den Klassikern nur die rund 100 Kilometer langen Juniorenaustragungen.

Bei Kuurne-Brüssel-Kuurne musste er nach einem Sturz aufgeben. „In der Verpflegung wurde ich abgeräumt“, sagte Brenner ruhig, als sei es eine Lektion, die er eben lernen musste. Er habe sich gut gefühlt und nehme aus jedem Rennen wichtige Erfahrungen.

Ein wenig das „kalte Wasser“ ist es wohl immer, wenn ein 18-Jähriger direkt in ein World-Tour-Team wechselt und dann bei Halbklassikern im Februar startet. Als der 38-jährige Marcel Sieberg am Start in Kuurne sich nach dem Jahrgang Brenners erkundigt, gibt der 20 Jahre jüngere Brenner bereitwillig Auskunft. Wer ihn da gerade gefragt hatte, wusste er aber nicht. Mit einem Lacher erzählt Brenner die Geschichte und schiebt dann nach, „den Namen kannte ich aber natürlich schon“.

World-Tour-Wunderknabe

„Beim ersten Rennen, der Tour des Alpes Maritimes et du Var, lief es die ersten Tage recht gut, aber hinten raus wurde es schwer“, sagte Brenner. Vor allem am letzten Tag, als die gestandenen World-Tour-Profis ein Feuerwerk zündeten.

Den Gedanken, vielleicht doch besser noch ein Jahr in der U23 zu fahren, hatte er nicht. „Es passt“, sagte Brenner. „Alles über vier Stunden wird dann aber schwer. Ich habe bei den Distanzen dann einfach Probleme mein Potenzial abzurufen“.

Der 18-Jährige ist aus der Juniorenklasse direkt zum World-Tour-Team DSM gewechselt. Brenner hat großes Talent, ist sehr ehrgeizig und selbstbewusst – eine gute Mischung für Ausdauersportler. Beim Team Bora-hansgrohe wollte man ihn halten, nachdem er einige Jahre für das Junioren-Team von Ralph Denk fuhr. Doch Brenner entschied sich für DSM. „Iwan Spekenbrink hat mich überzeugt“, sagt Brenner.

Bei Bora-hansgrohe wollte man ihn langsam an die Weltelite ranführen. Bei DSM ist man nun ebenfalls bemüht, den ehrgeizigen Brenner gezielt aufzubauen. „Ich arbeite sehr eng mit meinen Coaches und Trainern zusammen“, erzählt Brenner. Bewusst wird im Trainings- und Rennplan Platz für lange Ausfahrten geschaffen.

Zum behutsamen Aufbau dieses Talents gehört für das Team DSM offenbar auch, den Hype zu bremsen. Nachdem Brenner bei den Junioren von Sieg zu Sieg eilte und gern mit Minutenabständen gewann, wurden Vergleiche zu Remco Evenepoel schnell gezogen. In Deutschland dauert es dann nicht lange, eher der „nächste Jan Ullrich“ Stempel auf ein Talent gepresst wird. Bei DSM gibt man sich Mühe, dies nicht noch anzuheizen.

Langer Weg

Die Euphorie bei Brenner und seiner Familie war groß, als der große Sprung in die World-Tour gelang. Die Oma ist stolz und freut sich über den Besuch des Enkels, während einer Trainingseinheit. Natürlich werden die Resultate bei den Rennen verfolgt.

Aber Ankommen in der World-Tour ist eben nicht so einfach, wie das Ticket für eine Achterbahnfahrt zu lösen (wenn nicht gerade Corona ist). Bei der Settimana Internazionale Coppi e Bartali ließ Brenner sein Talent mal aufblitzen.

Auf der zweiten Etappe gab Teamleader Felix Gall das Zeichen, dass die Kollegen im Finale auf eigene Rechnung fahren sollen. Ilan Van Wilder – 20 Jahre alt und noch so ein DSM-Megatalent – und Brenner nutzen die Chancen und landeten auf den Plätzen sieben und acht. Davor landeten Fahrer wie Jonas Vingegaard, Ivan Sosa, Ben Hermans oder Mauri Vansevenant. Für Ilan Van Wilder, in der Entwicklung schon einen Schritt weiter, eher ein „okayes“ Resultat, für Brenner aber ein wichtiges Erfolgserlebnis. Wobei man bei ihm nicht das Gefühl hat, als habe er eine Extraportion Motivation nötig, war es dennoch vielleicht ein Signal zur rechten Zeit, auch wenn sein großes Selbstbewusstsein bislang offenbar wenig bröckelte.

Eigenes Nachwuchsteam, mit 18!

Was in der Szene für Aufsehen und auch Verwirrung gesorgt hatte, war die Ankündigung Brenners, ein eigenes Nachwuchsteam zu gründen. Normalerweise sind Nachwuchsteams, die den Namen eines Profis tragen, eher von gestandenen großen Rennfahrern initiiert, die dem Sport etwas zurückgeben und dem Nachwuchs unter die Arme greifen wollen.

Wenn ein 18-jähriges Bürschchen ohne Profisieg und noch vor dem ersten World-Tour-Rennen ein Nachwuchsteam mit seinem Namen vorstellt, ist das durchaus ungewöhnlich. Gepaart mit dem Bild in der Öffentlichkeit, dass da doch „der nächste Remco Ullrich“ kommt, kam dies bei einigen als das Düsentriebwerk für den Höhenflug eines Talents an.

Brenner selbst hat das so nicht wahrgenommen und kennt man ein wenig die Geschichte hinter dem Team, wirkt es auch ganz anders. Als Ralph Denk mit dem „Team Auto Eder“ einen neuen Weg einschlug, die Nachwuchsförderung internationalisierte und dabei die Zusammenarbeit mit dem Bayrischen Radsportverband beendete, stand der Bayrische Radsportverband ohne Team da. Brenner sprang ein, füllte die Lücke. Er ist der Hauptsponsor und damit auch Namensgeber. Dass er selbst mit seinem Wechsel zu DSM, nach einigen Jahren bei Denks Nachwuchsteam, die Veränderung der Nachwuchs-Struktur bei Bora-hansgrohe beeinflusste, ist eine andere Geschichte. Denk hätte Brenner gern behalten, konnte aber gegen die Entscheidung Brenners, zu Spekenbrink zu wechseln, nichts machen. Nun will man bei Bora-hansgrohe die großen Talente mit der neuen Struktur auch etwas sicherer binden.

Ein ernsthaftes Projekt

Brenner ist nun mit 18 Jahren World-Tour-Profi und hat ein eigenes Juniorenteam. Das trägt aber nicht nur seinen Namen. Im Winter hat er per Zoom-Call Stabi-Training mit den Fahrern gemacht, hat einen Laufradbauer als Unterstützer gewonnen. Er hält Vorträge und ist auch mal im Trainingslager dabei. Auch wenn das Training hauptsächlich von Sebastian Grospitz betreut wird versucht Brenner nah dran zu sein. Sein Bruder ist Teil des Teams und die Nähe ohnehin da, auch wenn es anfangs komisch war. „Ich bin ja nur wenig älter und sie haben schon etwas geguckt, aber dann schnell gemerkt, dass mir das ernst ist“, erzählt Brenner von Vorträgen im Trainingslager.

Lektionen für Leben

Marco Brenner hat genau die Unbekümmertheit, die ein 18-Jähriger nach dem Schulabschluss ausstrahlt. Und genau so selbstverständlich, wie für viele junge Leute der Roadtrip durch Europa oder die erste Studenten-WG ist, so ist für Brenner der Schritt in die Profi-Radsportwelt.

Mit seinem Nachwuchsteam bekommt er schnell vor Augen geführt, wie sich Verantwortung anfühlt, wenn es mal schief läuft – beispielsweise, als ein Fahrer seines Teams im Trainingslager stürzt.

Brenner muss seinen Weg als Sportler in die Profi-Welt erst noch gehen. Er spricht von Respekt, von Erfahrungen, von wichtigen Gesprächen neben den Rennen. Er schaut selbst kaum andere Radrennen, fokussiert sich auf sich. Er ist bereit die Ellenbogen auszufahren und will lieber heute, als morgen bei den ganz großen Rennen fahren.

Diamanten-Schliff

Oft wird im Sport von Rohdiamanten gesprochen, die geschliffen werden müssen. Ein einfaches Bild, für den komplexen Weg, den ein großes Sport-Talent bis zur Weltspitze bestreitet. Die Anzahl derer, die dann tatsächlich im Rampenlicht funkeln, ist im Vergleich zur ungeschliffenen Masse gering. Bei Marco Brenner scheint es so, als würde es nicht an Talent, Wille und Selbstbewusstsein mangeln – aber es gehört eben so viel mehr dazu und es warten noch viele Prüfungen – beispielsweise, wenn es auch mal größere Rückschläge zu meistern gilt. Es ist ihm zu wünschen, dass er seinen Weg weitergehen kann und der Hype tatsächlich den Remcos und Pogacars überlassen wird. Aktuell scheint er die Rennen einfach zu genießen. Der Pfeil von Brabant ist die nächste Standortbestimmung.

Nach dem Pfeil von Brabant am Mittwoch steht die Tour de Romandie als nächsten Rennen an.