Nach dem ersten Ruhetag geht es beim Giro spektakulär weiter. Es steht die mit Spannung erwartete Etappe über die Schotterstraßen der Toskana an. Satte 35 Kilometer geht es über unbefestigte Wege, alle vier Abschnitte sind im letzten Renndrittel. Positionskämpfe vor den Schotter-Sektoren, Angst vor Stürzen, die Gefahr eines Defekts – einige Klassementfahrer werden mit gehörigem Respekt in diese Etappe gehen.
Das Finale ist extrem anspruchsvoll. Die letzten 45 Kilometer sind mit mehreren Schotter-Anstiegen und dem kniffligen Finale eine echte Herausforderung. Laut Wettervorhersage bleibt den Fahrern wohl eine Schlammschlacht erspart, aber dennoch wird es kein leichter Tag.
Der Kampf um den Tagessieg und der um das Rosa Trikot könnten sich mischen. Einige Mannschaften werden sich voll auf ihren Klassementfahrer konzentrieren, andere werden versuchen, daraus Kapital zu schlagen.
Ein Renntag, der schwer vorhersehbar ist, weil die äußeren Umstände und vielleicht auch Defektpech das Rennen sehr beeinflussen können. Viele Klassementfahrer werden froh sein, wenn dieser Tag geschafft ist, für die Fans könnte es ein sehr unterhaltsamer Nachmittag werden.
Die Strecke
Von Perugia geht es gen Westen. Die ersten rund 90 Kilometer sind nur leicht wellig. Dann geht es auf den ersten der vier Schotter-Abschnitte. Die Hektik vor dem Abschnitt wird groß sein, schließlich wollen die Kapitäne vorn im Feld sein, um bei Stürzen nicht aufgehalten zu werden.
Gleich der erste Sektor ist mehr als 9 Kilometer lang. Nur wenige Kilometer später geht es in den nächsten Sektor und die wohl anspruchsvollste Passage des Rennens.
Es geht hinauf zum Passo del Lume Spento. Dieser Anstieg wird zwei Mal gefahren, jedoch von zwei verschiedenen Seiten. Zunächst von Westen, wo es ein längeres Steilstück gibt, was zur Attacke einlädt. Hier könnte das Rennen bereits komplett entbrennen.
Nach der Bergwertung geht es hinab nach Montalcino und man ist 34 Kilometer vor dem Ende dem Zielstrich bereits sehr nahe. Aber es geht weiter zur zweiten Sprintwertung des Tages und auf eine Extra-Schleife.
Nach der Sprintwertung beginnt der dritte Schotter-Sektor. Ebenfalls recht lang und ansteigend. Nach einer Abfahrt geht es wieder zum Passo del Lume Spento – diesmal von Süden.
Auch von dieser Seite ist der Anstieg knifflig. Im unteren Teil mit einigen Kurven, dann geht es flach geradeaus und schließlich die letzten fünf Kilometer mit 7% im Schnitt und einigen Stellen mit mehr als 10 % bergan.
Vom Gipfel sind es keine vier Kilometer mehr bis ins Ziel und die letzten Meter zum Ziel sind noch einmal steil.
Die letzten Meter – kurz vor dem Ziel ist es noch einmal giftig steil.
Die Schotter-Sektoren:
1. km 92.8 – km 102 – 9,1 km Länge
2. km 109.8 – km 123.7 – 13,5 km Länge
3. km 136.1 – km 143.7 – 7,6 km Länge
4. km 148.4 – km 153.3 – 5,0 km Länge
Die Favoriten
Der Verlauf der Etappe ist schwer vorherzusehen. Im Vergleich zur Strade Bianche wird diese Etappe ganz anders angegangen. Während es beim Neo-Klassiker im Frühjahr darum geht, als Erster den Zielstrich zu passieren, konzentrieren sich beim Giro einige Teams darauf, den Leader sicher ins Ziel zu bringen.
Vor dem ersten Schotter-Sektor wird es sicher extrem hektisch, weil alle ganz vorn sein wollen. Bekommt einer der Mit-Favoriten Schwierigkeiten, wird die Konkurrenz unbarmherzig zuschlagen.
Egan Bernal macht bislang den stärksten Eindruck. Auf Schotter kommt er bestens zurecht, ist als Ex-MTBler sicher nicht im Nachteil. Für ihn und sein Team Ineos Grenadiers bietet sich an diesem Tag durchaus die Chance, in Sachen Gesamtwertung einen Pflock einzurammen. Für den Rest geht es dann fast nur darum, möglichst keine Zeit zu verlieren.
Das bietet exzellenten Klassikerfahrern natürlich die Chance, sich von den Ineos-Jungs ins Finale „kutschieren“ zu lassen und dann den Tagessieg abzustauben. Aber Fahrer wie Alberto Bettiol, dem das sicher zuzutrauen ist, haben eben auch Klassement-Kapitäne. So stellt sich sich die Frage, wer denn von den Top-Schotter-Eintages-Fahrern überhaupt völlige Freiheit bekommt.
Vielleicht Diego Ulissi und Rudy Molard? Oder doch Bettiol und es müssen sich andere Fahrer um Hugh Carthy kümmern? Schwer einzuschätzen, wer die Chance auf den Etappensieg über die GC-Ambitionen stellt.
Schaut man auf die Klassementfahrer, so gibt es einige, die mit diesem Terrain sehr gut zurecht kommen. Bernal, Davide Formolo, Romain Bardet und Giulio Ciccone darf man vorn erwarten. Wie sich Remco Evenepoel und Marc Soler schlagen, muss man abwarten, aber auch sie dürfte man weit vorn erwarten.
Doch an diesem Tag wird es nicht nur auf Beine, Teamstärke und taktisches Geschick ankommen – man braucht Rennglück, oder besser gesagt: kein Defektpech.
***** Egan Bernal
**** Davide Formolo, Alberto Bettiol
*** Giulio Ciccone, Romain Bardet, Pello Bilbao
** Remco Evenepoel, Marc Soler, Aleksandr Vlasov, Alessandro de Marchi
* Peter Sagan, Gianni Vermeersch, Rudy Molard, Thomas de Gendt
Start: 12:55 Uhr
Ziel: ~17:15 Uhr
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