Die Katze ist aus dem Sack – der Tour-Kader steht. Auch wenn das Team anders aussieht, als man es im Winter hätte vermuten können, ganz große Überraschungen gibt es nicht. Am ehesten taugt noch Ide Schellings Tour-Nominierung zum Augenbrauen-Heber.

Das Team: Emanuel Buchmann, Wilco Kelderman, Patrick Konrad, Daniel Oss, Lukas Pöstlberger, Nils Politt, Peter Sagan, Ide Schelling


Für die Sprints – ohne Ackes, mit Peter

Peter Sagan ist gesetzt, sobald er halbwegs Form hat – soviel war vorher klar. Beim Giro holte Sagan das Ciclamino und einen Etappensieg – er wird auch bei der Tour stark sein. Klar, für die flachen Sprints ist er wohl nicht mehr im Top-Favoritenkreis. Aber er kann dennoch glänzen.

Dass Pascal Ackermann nicht sein Tour-Debüt gibt, ist schade. Für ihn, aber auch für viele Fans. Doch der 27-Jährige ist in diesem Jahr noch sieglos, scheint nicht in der Verfassung, bei der Tour eine Etappe zu gewinnen. Ihn dennoch zur Tour zu nominieren, bei nur acht Fahrern im Aufgebot, wäre ein Risiko und würde für Ackermann ganz sicher auch enorm viel Druck bedeuten. Es ist verständlich, dass die Teamleitung Ackermann nur mitnehmen würde, wenn es die Chance auf Erfolg gibt. Dies sieht man im Moment wohl nicht. Bei seinen Ergebnissen wenig verwunderlich, woran auch immer es liegen mag.

Ein weiterer Punkt ist die Überlegung in Sachen Leadout. Peter Sagan braucht keine Anfahrer, er wurschtelt sich eh lieber allein durch. | auch lesen: Peter, das Positionsgenie | Bei Ackermann ist das anders. Er braucht eher ein gutes Leadout, am liebsten seine gewohnten Anfahrer. Doch so wären gleich mehrere Plätze im Tour-Kader gebunden.

Gesamtwertung: Wilco im Flugmodus durch die erste Woche?

Das Team hat einen Top5-Platz im GC als Ziel ausgegeben. Ambitioniert, wie immer bei Bora-hansgrohe. Aber gut, im Winter hatte man das als Ziel für eine Grand Tour ausgegeben und beim Giro musste man die Hoffnungen durch den Sturz von Emanuel Buchmann ja begraben.

Wilco Kelderman ist eine Top-Platzierung durchaus zuzutrauen. Er war beim Giro 2020 auf dem Podium und ist ein ordentlicher Zeitfahrer. Doch oft vom Sturzpech verfolgt, ist die erste Woche für ihn sicher eine enorme Herausforderung. Hier müssen ihn die Helfer in hektischen Phasen gut beschützen. Vor allem die Klassiker-Fraktion ist dann gefordert. Kommt Kelderman ohne Zeitverlust bis in die Alpen, ist ihm viel zuzutrauen. Also irgendwie abducken und im Flugmodus die erste Woche überstehen – danach wird es für den Niederländer stressfreier. Dann ist auch die Top10 ganz sicher drin.

Charakterfrage – starke Helfer-Riege?

Emanuel Buchmann wird sicher Chancen bekommen, sich in Szene zu setzen. Doch er wird auch als Helfer gefragt sein. Beim Giro hat sich Buchmann am Tag von Sagans Etappensieg sichtbar in die Dienste des Ciclamino-Siegers gestellt. Er machte Tempo über den letzten Berg und half, die anderen Sprinter zu distanzieren. Bei der Tour wird er dann auch als Helfer in den Bergen gefordert sein, sollte Kelderman dann noch aussichtsreich im Gesamtklassement liegen. Eine neue Rolle für Buchmann.

Patrick Konrad ist als superloyaler Teamkollege bekannt und wird sich für seine Kapitäne zerreißen. Vielleicht bekommt er selbst auch mal die Chance, auf eigene Rechnung / Etappensieg zu fahren. Ähnlich sieht das bei Lukas Pöstlberger aus, nur eben auf eher flachem Terrain und bei Windkanten-Situationen. Daniel Oss ist seit Jahren ein enger Vertrauter von Peter Sagan und wird auch bei der Tour seinem Kapitän zur Seite stehen.

Auch Nils Politt und Ide Schelling können aus Ausreißergruppen gute Platzierungen einfahren. Sie werden sich aber auch als Helfer beweisen müssen. Und das sowohl für Sagan, als auch für Kelderman. Politts Fähigkeiten sind bekannt, auch wenn er bislang kein überragendes Jahr hatte. Schelling hat sich mit seinen Leistungen den Platz im Kader verdient. Bei dieser Tour haben sie keine leichten, aber sehr wichtige Rollen – wie sie diese ausfüllen, ist auch eine Charakterfrage.

Fazit

Diese Nominierung kommt wenig überraschend. Klar, wäre Pascal Ackermann gern dabei. Auch Marcus Burghardt wäre als RoadCaptain wieder eine Option gewesen. Aber man kann eben nur acht Fahrer nominieren. Dass man Maximilian Schachmann trotz Super-Form nicht berücksichtigt, liegt eher an den weiteren Zielen mit dem Paris-Nizza-Sieger: Olympia, später die WM, die Herbstklassiker und eventuell auch die Vuelta. Es mangelt nicht an Zielen für einen Schachmann in der aktuellen Verfassung.

Dieser Bora-Tour-Kader ist ausgewogen und entspricht der Vorgabe, sowohl in der Gesamtwertung etwas zu probieren, als auch auf Grün zu fahren. Politt, Schelling, Pöstlberger, Buchmann … sie können auch aus Gruppen glänzen. „Generell haben wir uns vorgenommen, ein aktives und attraktives Rennen zu fahren, und mit Nils, Lukas und Ide haben wir drei Fahrer, die in nahezu jedem Gelände wichtige Helfer sein können, die auf der anderen Seite aber auch die Klasse und den Riecher haben, mal eine Etappe aus einer Gruppe zu gewinnen“ so Teamchef Ralph Denk. Eine aktive Renngestaltung schließt das Erreichen der Ziele für die Gesamtwertung nicht aus.

Es wird sicher darauf ankommen, dass man als Mannschaft gut zusammenarbeitet, damit die Leader ihr Potenzial auch abrufen können und deren Beine entscheiden. Dass es hinterher ein „hätte man aber …“ in Sachen Nominierung gibt, ist eher nicht zu erwarten. Höchstens Schachmann könnte man „vermissen“, würde man alle Ziele verfehlen. Aber jedes Team muss abwägen und darf eben nur acht Fahrer an den Start bringen. Selbst Ineos.