Paris Roubaix 2021

Paris-Roubaix ist die Königin der Klassiker, die Hölle des Nordens, der Anachronismus des Radsports. Ein Rennen über das krasseste Kopfsteinpflaster zwischen den Feldern Nordfrankreichs. Drama, Leiden und erbitterter Kampf gegen sich selbst und die Tücken der Strecke. Die Belohnung ist eine Runde im Betonoval von Roubaix und die Anerkennung vieler tausend Radsportfans. Wer Roubaix besiegt hat, ist für viele Fans ein Held. Genau das macht den einzigartigen Charakter und die beeindruckende Stimmung entlang der Strecke aus – die Paves verwandeln sich in Arenen, die Fahrer in Gladiatoren. 

„Wer behauptet, dass er es liebt, erzählt Schwachsinn“, sagte  einst Rolf Aldag. Manche große Radlegende hasste es, gewann aber dennoch. Und bis heute beschreibt kein Zitat so treffend diesen Mythos, wie der Spruch von Theo de Rooy aus dem Jahr 1985. „Dieses Rennen ist Schwachsinn. Du arbeitest wie ein Tier, du hast keine Zeit zum Pinkeln, machst dir in die Hose. Es ist ein Haufen Scheiße”, sagte er nach dem Rennen. Als der Reporter fragte, ob er denn jemals wieder starten würde, antwortete de Rooy sofort: „Natürlich, es ist das schönste Rennen der Welt“. 

Nichts ist wie Paris-Roubaix. Und bist du dieser Faszination erlegen, bleibt das für immer. „Mindestens 50% sind die Beine. Du musst top drauf sein, um dabei bleiben zu können. Aber der Kopf ist schon extrem wichtig. An sich zu glauben, nicht aufzugeben, sich nicht verrückt machen lassen, an sein Konzept zu glauben“, erklärte John Degenkolb das Erfolgsrezept für Roubaix. Der Sieger von 2015 stürzte vor einer Woche bei der WM schwer. Dennoch setzt er alles daran, am Start stehen zu können um vielleicht doch bis zu seinem Pave zu kommen. Dem zweiten deutschen Sieger überhaupt in der Hölle des Nordens (Josef Fischer hatte die Premiere 1896 gewonnen) wurde ein Abschnitt gewidmet, nachdem er sich für den Erhalt des Nachwuchsrennens eingesetzt hatte und dies gemeinsam mit Fans rettete

Ein nasses Paris-Roubaix gab es zuletzt 2002 – nun wird es wohl erneut eine epische Regen-Schlacht in der Hölle des Nordes geben. Schon bei den Frauen am Samstag war ein heftiges Rennen.


 



Die Strecke

Strecke Paris-Roubaix 2021

Die Veränderungen im Parcours sind stets gering, das Finale bleibt meist identisch. So ist es auch 2021. Wie üblich wird man nach rund 100 Kilometern das erste Pflasterstück erreichen. Anders als 2019 wird der Abschnitt Troisvilles in seiner gesamten Länge von 2,2 km gefahren. Der bei vielen Fahrern bekannte Abschnitt Vertain (Nr. 25) wird in umgekehrter Richtung wie üblich in Angriff genommen – hier geht es in diesem Jahr bergan. Wieder im Programm ist der 2005 entdeckte Abschnitt Hameau du Buat (Nr. 24), der seit 2016 nicht mehr gefahren wurde.

Vor rund zwei Jahren hatte man die Passage im Wald von Arenberg neu vermessen und sie nun als 100 Meter kürzer, also nur noch 2300 Meter lang ins Roadbook aufgenommen. Leichter ist der brutale Pflaster-Abschnitt aber nicht geworden. 

Das erste ganz schwere Stück ist der Wald von Arenberg. Schon vor dem Pflaster wird es extrem schnell, denn alle wollen vorn aufs Pflaster, um nicht von Stürzen aufgehalten zu werden. Es gibt regelrecht einen Sprint bis zum Beginn des Sektors – bei Regen natürlich besonders gefährlich. Vor Jahren stürzte hier Johan Museeuw und brach sich die Kniescheibe

Nach “dem Wald” wird meist geschaut, wer noch dabei ist und  es beginnt eine taktische Phase. Im Regen wird sich das Feld vielleicht schon sehr ausgedünnt haben und das Ausscheidungsfahren noch härter als sonst. Rund 48 Kilometer vor dem Ziel kommt die nächste Schlüsselstelle – der Sektor Mons-en-Pévèle. Sektor für Sektor schwinden die Kräfte und wird der Tritt immer schwerer und es schleichen sich kleine Fehler ein. Bei Nässe kann das schnell einen Sturz zur Folge haben.

Der legendäre Le Carrefour de l’Arbre ist eines der schwersten Pflasterstücke, nur 17 Kilometer vor dem Ziel. Fast alle Reserven sind aufgebraucht, doch im Spalier der Fans wird jedes Korn auf die Straße geworfen. Vorn geht es um die Podiumsplätze, hinten nur darum, auf dem Rad zu bleiben. Die Blicke sind leer, alle Fahrer leiden. Die Stimmung meist großartig und von Respekt geprägt.

Die letzten eineinhalb Runden auf der Radrennbahn sind der passende Abschluss für ein episches Rennen. Alle Fahrer werden gefeiert und die Strapazen sind ihnen anzusehen.

Die Sektoren:

30 : Troisvilles to Inchy (km 96,3 – 2,2 km) ***
29 : Viesly to Quiévy (km 102,8 – 1,8 km) ***
28 : Quiévy to Saint-Python (km 105,4 – 3,7 km) ****
27 : Saint-Python (km 110,1 – 1,5 km) **
26 : Haussy to Saint-Martin-sur-Écaillon (km 116,6 – 0,8 km) **
25 : Saint-Martin-sur-Ecaillon to Vertain (km 120,9 – 2,3 km) ***
24 : Capelle to Ruesnes (km 127,3 – 1,7 km) ***
23 : Artres to Quérénaing (km 136,3 – 1,3 km) **
22 : Quérénaing to Maing (km 138,1 – 2,5 km) ***
21 : Maing to Monchaux-sur-Ecaillon (km 141,2 – 1,6 km) ***
20 : Haveluy to Wallers (km 154,2 – 2,5 km) ****
19 : Trouée d’Arenberg (km 162,4 – 2,3 km) *****
18 : Wallers to Hélesmes (km 168,4 – 1,6 km) ***
17 : Hornaing to Wandignies (km 175,2 – 3,7 km) ****
16 : Warlaing to Brillon (km 182,7 – 2,4 km) ***
15 : Tilloy to Sars-et-Rosières (km 186,2 – 2,4 km) ****
14 : Beuvry-la-Forêt to Orchies (km 192,5 – 1,4 km) ***
13 : Orchies (km 197,5 – 1,7 km) ***
12 : Auchy-lez-Orchies to Bersée (km 203,6 – 2,7 km) ****
11 : Mons-en-Pévèle (km 209,1 – 3 km) *****
10 : Mérignies to Avelin (km 215,1 – 0,7 km) **
9 : Pont-Thibault to Ennevelin (km 218,5 – 1,4 km) ***
8 : Templeuve – L’Epinette (km 223,9 – 0,2 km) *
8 : Templeuve – Moulin-de-Vertain (km 224,4 – 0,5 km) **
7 : Cysoing to Bourghelles (km 230,8 – 1,3 km) ***
6 : Bourghelles to Wannehain (km 233,3 – 1,1 km) ***
5 : Camphin-en-Pévèle (km 237,8 – 1,8 km) ****
4 : Carrefour de l’Arbre (km 240,5 – 2,1 km) *****
3 : Gruson (km 242,8 – 1,1 km) **
2 : Willems to Hem (km 249,5 – 1,4 km) ***
1 : Roubaix – Espace Charles Crupelandt (km 256,3 – 0,3 km) *

 

Die Favoriten

Es hat in Nordfrankreich nahezu die ganze Nacht geregnet. Das Kopfsteinpflaster wird nass und extrem rutschig sein. Dazu soll der Wind erneut stark pusten, meist von schräg hinten. Es wird ganz sicher ein Rennen, bei dem es auf Fahrtechnik ankommt. Dazu muss man vor den Pflasterabschnitten gut in Position sein um nicht hinter Stürzen aufgehalten zu werden. 

Die Crosser und Pflasterspezialisten sind ganz die Top-Favoriten. Asgreen, Senechal, Stybar, Lampaert, Ballerini … das stärkste Team dürfte wohl Deceuninck-QuickStep haben, aber auch Trek-Segafredo ist mit Mads Pedersen, Jasper Stuyven und Quinn Simmons sehr stark aufgestellt. Bora-hansgrohe ist mit Peter Sagan und Nils Politt am Start – beide sind zu den Favoriten zu zählen. Auch Alpecin-Fenix hat eine gute Mannschaft um Mathieu van der Poel dabei und mit Silvan Dillier einen Fahrer, der bereits auf dem Podium war. Ineos hat mit Moscon, Rowe und dem superstarken Dylan van Baarle mehrere Optionen.

Alex Kristoff, Anthony Turgis, Stefan Küng, Stefan Bissegger, Iván García Cortina, Philippe Gilbert, Taco van der Hoorn, Jonas Rutsch …. es sind einige weitere Fahrer dabei, die man auf dem Zettel für eine Top-Platzierung haben sollte. Ex-Champion John Degenkolb zählt sicher nicht dazu. Der Sieger von 2015 war bei der WM mit fast 70 km/h gestürzt und hatte sich verletzt. Da er ohne Gehirnerschütterung blieb, kann er starten, wird aber sicher nicht im Vollbesitz seiner Kräfte sein.

Einer der Top-Favoriten, ist Wout van Aert. Van Aert kennt das Rennen, ist ein exzellenter Steuerkünstler und wird nach der Enttäuschung bei der WM vielleicht Wiedergutmachung wollen.

***** –
**** Wout van Aert, Nils Politt
*** Mathieu van der Poel, Jasper Stuyven, Florian Sénéchal, Heinrich Haussler
** Dylan van Baarle, Yves Lampaert, Mike Teunissen, Iván García Cortina
* Küng, Turgis, Philipsen, Valgren, Trentin, Moscon, Naesen, Colbrelli

Start: 11 Uhr
Ziel: ~17:00 Uhr

Startliste bei PCS