Podium! Paul im Ziel des Belgian Waffle Ride Cedar City 2021 (Foto: Belgian Waffle Ride Cedar City)

Ich war zum Belgian Waffle Ride Cedar City gereist, um vorn mitzufahren. Top5 war mein Ziel, darauf hatte ich hingearbeitet. Am Ende stand ich auf dem Podium, trotz eines blöden Sturzes – ich bin sehr zufrieden. Es war für mich ein erkenntnisreiches Rennen und ich habe gesehen, dass es mit jeder gesammelten Erfahrung und kleinen Verbesserungen einen Schritt nach vorn geht. Ich habe einige Sachen besser gemacht, aber es schlummert in mehreren Bereichen noch reichlich Potenzial.

Vorbereitung

Ich sage oft, dass man Fehler machen darf, oder sogar muss, um daraus zu lernen. Da ich mir meine Aussage auch selbst zu Herzen nehme, habe ich meine Anreise in die USA dieses Mal besser geplant, als beim letzten Gravel-Einsatz in Übersee. Um mich richtig auf das Belgian Waffle Ride Cedar City in Utah vorzubereiten, reiste ich dieses Mal neun Tage vor dem Rennen an. Aufgrund von Feuern in Nordkalifornien ist das Grinduro California ausgefallen, sodass ich unfreiwillig noch mehr Zeit hatte, mich richtig zu akklimatisieren.

Zusammen mit meinem Freund Jonas – der aus New York rüberkam – habe ich ein paar Tage in Ojai (Kalifornien) verbracht. Da man dort schon fast in der Wüste ist, war es dementsprechend heiß. Und ich habe mal wieder gemerkt, wie sehr ich mit Hitze zu tun habe und dass das auf jeden Fall noch ein Bereich ist, an dem ich arbeiten muss – soweit man das tun kann.

4 Tage vor dem Belgian Waffle Ride haben wir uns auf den Weg in Richtung Utah gemacht. Cedar City liegt auf fast 1800 Meter über dem Meeresspiegel, somit musste man sich auch erstmal an die Höhe gewöhnen, weil hier schon ein Leistungsverlust zu merken ist.
Wenn man so auf die Landkarte schaut, dann hat man manchmal den Eindruck, als ob die Wege nicht so lang wären, aber die USA sind einfach riesig und ein „Katzensprung“ auf der Karte sind dann mal schnell fast 900km.

Auf dem Weg nach Utah haben wir noch ein bisschen den Touri raushängen lassen. Wir haben eine Nacht in Las Vegas verbracht und uns auch den Hoover Damm angeschaut – beides sehr beeindruckend, aber gleichzeitig surreal, weil, wenn man in Kalifornien die Küste hinter sich lässt und ins Landesinnere fährt, kommt man schnell in die Wüste, die dann auch für hunderte Kilometer nicht aufhört. Es gibt zum Teil nichts außer Tankstellen und heruntergekommene Trailer-Parks. Und mitten in dieser Wüste ist dann diese hellerleuchtete Stadt Las Vegas. Diese Umgebung ist so menschenfeindlich, dass ich mich immer wieder gefragt habe, was das hier eigentlich soll und warum man genau hier so etwas wie Las Vegas hin bauen musste.

Paul in der Spitzengruppe des Belgian Waffle Ride Cedar City 2021
(Foto: Belgian Waffle Ride Cedar City)

In Cedar City angekommen habe ich die Tage genutzt, um mir das Finale des Rennens anzuschauen und um Material zu testen. Ich hatte sowohl neue Schwalbe G-One R in 40mm und 45mm zum Testen als auch das neue Cannondale SuperSix SE. Bezüglich Reifen habe ich mich am Ende für die 45mm Variante mit 2,2bar entschieden.
Das Finale des Rennens hatte es in sich. Dass wir in der Höhe waren, hatte ich schon erwähnt, aber der letzte Anstieg des Tages rund 30km vor dem Ziel ging nochmal auf über 2000 Höhenmeter. Der Anstieg war rund 4km lang und hatte knapp 10% im Schnitt. Hört sich jetzt nicht so krass an, aber der Untergrund war zum Teil wie ein Waschbrett und mit tiefem Sand, sodass ich mit meiner Übersetzung schon ein bisschen ans Limit kam – ich hatte mich für ein Mono-Kettenblatt mit 46 Zähnen vorne entschieden und hinten eine Kassette mit 10-36 Zähnen. Nachdem Anstieg wartete ein 5km langer sehr technischer Single Trail, bei dem mehr Reifenvolumen auf jeden Fall besser war.

Anfängerfehler

Die Vorbereitungen liefen gut und ich fühlte mich echt gut am Tag vor dem Rennen, sodass ich sehr optimistisch war. Nur leider kam dadurch auch eine leichte Nervosität auf. Und weil ich so nervös war, habe ich um 22Uhr am Abend vor dem Rennen nochmal alle Schrauben nachgezogen… Nur so viel: nach fest kommt ab. Und so habe ich am Abend vor dem Rennen meine Vorbaukappe kaputt gemacht. Ich hatte keinen Ersatz dabei. Provisorisch habe ich zwei Kabelbinder um den Vorbau gemacht und habe mir eingeredet, dass es schon halten wird im Rennen, aber eigentlich wusste ich, dass es eine sehr dumme Idee ist. Mit diesem Problem im Kopf konnte ich auch nicht gut schlafen. Am Morgen vom Rennen konnte ich mit der Hilfe eines amerikanischen Freundes 20 Minuten vor dem Start noch einen neuen Vorbau organisieren. Also saß ich da, und habe kurz vor dem Start noch alles umgebaut. Nun hatte ich auch keine Garmin-Halterung mehr, also musste ich den Garmin Edge 1030 Plus am Vorbau mit befestigen.

Paul im Angriffsmodus (Foto: Belgian Waffle Ride Cedar City)

Taktik

Für das Rennen hatte ich mir vorgenommen, zurückhaltender zu fahren, weil ich wusste, dass es auf den letzten Anstieg ankommen wird. Die Strecke führte zu 80% über Schotter/Gravel und war trotzdem schnell – die Renndistanz war mit 206 km auch eine von der längeren Sorte. Der Wind sollte auch eine Rolle spielen und die später aufkommende Hitze.
Die ersten 30km gelang es mir noch, die immer wieder gefahrenen Attacken zu ignorieren und einfach nur mitzufahren. Am ersten kleineren Anstieg des Tages hat Peter Stetina wieder das gemacht, was Peter Stetina halt so gerne macht: mit einem viel zu schnellen Ekeltempo den Berg hoch ballern. In der darauffolgenden Abfahrt wollte ich mich revanchieren und habe das Tempo forciert. Danach gingen die Attacken weiter und ich habe vermehrt auch mit reagiert. Als es dann einen Abschnitt mit Seitenwind ging, habe ich meine erste seriöse Tempoverschärfung gesetzt. Die führte dann auch dazu, dass wir uns mit vier Fahrern vom Rest absetzen konnten. Die Gruppe bestand aus Peter, Griffin Easter, Dylon Johnson und mir. Die Gruppe lief gut, bis ich mich leider an dem Hinterrad von Dylon aufgehängt habe, mich erstmal näher mit dem Schotter bekannt gemacht habe. Durch den Sturz konnten ein paar Fahrer aufschließen, darunter auch zwei Fahrer, die dafür bekannt sind, dass sie eine Windallergie haben, also nicht gerne in der Führung sind und immer eine Ausrede haben, warum sie nicht fahren können.

Es gab immer Attacken, aber es konnte sich niemand wirklich absetzen und so sind wir mit sechs Fahrern in den letzten Anstieg gegangen. Da ich auf dem Weg ins Finale sehr viel investiert habe, um die Gruppe kleiner zu machen – was mir auch gelang – habe ich gemerkt, dass mir wahrscheinlich die Watt fehlen werden, um vor allem bei Peter dranzubleiben. Somit habe ich mich dazu entschlossen, es erst gar nicht zu versuchen und bin den Anstieg so kontrolliert wie möglich hochgefahren, da ich wusste, dass mir der folgende Single Trail liegt und ich da wieder was gut machen kann. Ich bin als fünfter über den Berg gefahren, aber in Sichtweite zum Podium. Im Single Trail konnte ich dann schnell zwei Fahrer überholen und als es aus dem Single Trail ging, war ich sogar auf dem zweiten Platz, weil Griffin einen Platten hatte und das Laufrad mit dem neutralen Materialwagen tauschen musste. Ich sah das und habe auf Griffin gewartet, weil es immer noch circa 15km ins Ziel waren, ich im Single Trail schon Krämpfe hatte und ich wusste, dass er mich sehr wahrscheinlich sowieso überholen wird. Aber um das Podium zu sichern, wollte ich lieber mit ihm zusammenfahren.

Das Podium des Belgian Waffle Ride Cedar City 2021 – der 2. Griffin Easter, Sieger Peter Stetina und Paul Voß (v.l.)
(Foto: Belgian Waffle Ride Cedar City)

Eine der Erkenntnisse aus diesem Rennen ist, dass die Umstellung auf mehr Grundlagentraining etwas gebracht hat, dass ich aber hier noch einiges an Arbeit vor mir habe, um dann auch mal den Sieg einfahren zu können. Es ist zudem faszinierend, wie hoch das Niveau ist. Um am Ende bei Peter am letzten Berg mitfahren zu können, hätte ich immer noch um die 5,3 bis 5,5W/Kg fahren müssen und das nach mehr als 5h Schotterstraßen, in über 1800 Meter Höhe und man kann es auch nicht mit Asphalt vergleichen, weil auf losem Schotter die Watt auch wirklich auf das Pedal zu bringen, schon eine Herausforderung an sich ist.
Das ist alles im Bereich des Möglichen, weshalb ich umso motivierter in die Vorbereitungen für 2022 starten werde. Ich hatte noch einen Start bei Barry-Roubaix geplant, aber leider musste ich diesen absagen und früher nach Hause fliegen. Am Ende war ich froh über die Entscheidung, weil ich wenige Tage nach dem Rennen mit Fieber im Bett lag und nicht in der Lage gewesen wäre, dort zu starten.


 

Pauls Erkenntnisse

  • Ich muss weiter an der Grundlage arbeiten und meinen Fettstoffwechsel verbessern, dazu ist auch die Schwellenleistung weiter zu steigern. Die Rennen gehen meistens um die sechs bis sieben Stunden und um dort vorne mitfahren zu können, ist es einfach elementar, so lange wie möglich im Fettstoffwechsel zu fahren.
  • Das Leistungsniveau ist so hoch, dass man auch nach mehr als 5h noch in der Lage sein muss, hohe Ausdauerwerte leisten zu können. Um bei Peter Stetina mitfahren zu können, am letzten langen Anstieg des Tages, hätte ich 5,3 bis 5,5 W/kg fahren müssen. Das Niveau wird auch eher noch weiter steigen, da es immer mehr ehemalige Profis oder eben aktuelle Profis zu den Gravelrennen verschlagen wird.
  • Die frühe Anreise war tatsächlich einer der wichtigsten Faktoren für den positiven Rennausgang. Gerade die Tage zur Gewöhnung an die 1800 Meter über Null waren wichtig. Man hat in der Höhe immer einen Leistungsverlust, wenn auf einer niedrigen Höhe lebt, so wie es bei mir der Fall ist. Die drei Tage sind sicherlich nicht ausreichend, aber ich habe Tag für Tag eine bessere Anpassung gemerkt.
  • Das Material, speziell die Reifen, sind ein wichtiges Thema. Ich habe immer verschiedene Reifenbreiten dabei, um für die jeweiligen Strecken die passende Breite zu finden. Ich habe auch viel mit dem Luftdruck gespielt und manchmal ist es sehr schwierig, die Balance zwischen Komfort und Geschwindigkeit zu finden. Hier steckt sicher noch Potenzial.