Interview: Torsten Schmidt über seinen Wechsel zum Team Bora-hansgrohe: „Lange Bedenkzeit brauchte ich nicht“

Torsten Schmidt stößt gemeinsam mit Bernhard Eisel und Enrico Gasparotto zur Sportlichen Leistung des Teams Bora-hansgrohe um Rolf Aldag. Im Interview spricht Schmidt über seine neue Aufgabe.

Torsten, du bist einer der neuen Sportlichen Leiter beim Team Bora-hansgrohe –wie kam der Kontakt zum Team zustande?

Ralph Denk hat mich im Spätsommer angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könne, für sein Team zu arbeiten. 

 

Hast du dir lange Bedenkzeit erbeten, oder schnell zugesagt?

Nein, lange Bedenkzeit brauchte ich nicht. Ich hatte mich vorher bereits innerlich von meiner Tätigkeit beim Landesverband verabschiedet und wollte eine neue Aufgabe angehen. Ich war jetzt rund zweieinhalb Jahre raus aus der WorldTour, zuvor fast 25 Jahre als Fahrer und Sportlicher Leiter dabei – ich spürte, dass mich der Profiradsport wieder reizt. Ich habe dieses Jahr sehr viele Rennen geschaut und alles sehr intensiv verfolgt.

 

Also ging es recht schnell?

Es gab in den vergangenen zwei Jahren immer mal wieder Anfragen von Teams, aber ich war da noch nicht bereit, in den Profibereich zurückzukehren. Wenn ein Team wie Bora-hansgrohe anruft macht man sich natürlich seine Gedanken. Es gab dann noch ein paar Telefonkonferenzen und Austausch, aber ich habe für mich sehr schnell gemerkt, wie sehr mich diese Aufgabe reizt. Bora-hansgrohe ist einfach ein geiles Team.

 

Hattest Du auch während deiner Zeit beim Landesverband NRW Kontakt in den Profibereich?

Schon, ja. Ich war ja zuletzt auch Sportlicher Leiter bei Rund um Köln und hatte so Kontakt zu Teams. Dazu war ich auch über Alpecin mit dem Profisport verbunden, die sich als Unternehmen für die Jugend in NRW engagieren. 

 

Hattest du auch zu Ralph Denk eine engere Verbindung?

Ich kenne Ralph seit den Amateurzeiten. Wir sind ähnlich alt und haben uns damals auf der Bahn duelliert. Gemeinsam mit Andreas Beikirch bin ich in Dortmund gefahren und Ralph ist mit Willi (Anmerk. Bora-Chef Willi Bruckbauer) damals in Bayern gefahren. In München waren Ralph und Willi eine Bank, aber wir Dortmunder haben dagegengehalten. Natürlich habe ich sein Team intensiv verfolgt. Es ist eine tolle Mannschaft, die einen großartigen Weg bestritten hat. Damals, von NetApp-Zeiten an, hat es eine tolle Entwicklung genommen. Klar, als ich noch in einem anderen Teamauto saß, waren wir Konkurrenten, aber ich habe ihnen auch damals ihren Erfolg gegönnt. In der kleinen Profi-Welt läuft man sich immer wieder über den Weg und hält dann eben auch Kontakt, so war das auch mit Ralph.

 

Bei Bora-hansgrohe gibt es in der Sportlichen Leitung des Teams einen Umbruch – hat das deine Entscheidung beeinflusst?

Ja! Es ist immer leichter in ein Team zu kommen, das sich verändert. Dann kann man sich mehr einbringen und gemeinsam etwas entwickeln. Zudem kenne ich Rolf Aldag (Anmerk. der neue Sportdirektor bei Bora-hansgrohe) schon sehr lange. Für mich war das ein wichtiger Punkt und so fiel es mir nicht schwer, zuzusagen. Ich freue mich wirklich, bei diesem Umbruch dabei zu sein und etwas beitragen zu können. Ich habe 2012 einen Umbruch beim Team Katusha erlebt, als es den Wechsel von Andrej Tschmil zu Hans Holczer gab. Da habe ich viel gelernt und denke, dass wir da auch einiges richtig gemacht haben.

 

Also war Rolf für dich ein Grund, zuzusagen?

Absolut. Ich denke, Ralph hat eine exzellente Wahl getroffen und ein sehr gutes Team zusammengestellt. Die Neuen passen gut zu den etablierten Sportlichen Leitern – man kennt sich bereits. Was mich betrifft, ich verstehe mich mit Rolf sehr gut, wir sprechen die gleiche Sprache. Wir kennen uns schon sehr, sehr lange, haben schon bei der Bundeswehr gemeinsam die Grundausbildung gemacht. Wir kommen zudem aus der gleichen Ecke, sind auf der gleichen Wellenlänge und haben in einigen Bereichen die gleichen Vorstellungen. Auch Enrico Gasparotto und Bernhard Eisel kennt Rolf sehr gut, sie verstehen sich exzellent. Und beispielsweise auch einen Jens Zemke kenne ich bereits sehr lange, unsere Kinder sind im gleichen Alter. Es ist also nicht so, dass nun fremde Menschen schnell zueinander finden müssen um gemeinsam arbeiten zu können. 

 

 

Mal abgesehen von den anderen Sportlichen Leitern – wie gut kennst du die Fahrer?

Es ist natürlich schon so, dass man stetig am Ball bleiben muss, wenn man in dem Bereich arbeiten will. Vielleicht jetzt nicht wie ein Journalist, der jedes Rennen gucken muss und jede Nachricht verfolgt, aber du musst schon wissen, was passiert – einfach auch viele Rennen schauen, interessiert bleiben. Aber für mich ist es auch wichtig, dass ich die Fahrer als Menschen kennenlerne. Das ist beim ersten Trainingslager schon geschehen, wird jetzt in den nächsten Wochen noch vertieft. Einige kenne ich aber bereits sehr gut. Einen Nils Politt beispielsweise, von Katusha-Zeiten, aber auch Marco Haller. Marco kam vor fast 10 Jahren zu Katusha als Neo-Profi. Ein wenig kennt man natürlich alle Fahrer, weil man die Rennen verfolgt, aber da findet nun natürlich noch einmal ein Kennenlernen auf einem anderen Niveau statt.

 

Im Team gibt es auch viele junge Fahrer, die Mannschaft wird weiter verjüngt – wie sehr hilft es dir, dass du zuletzt im Nachwuchsbereich gearbeitet hast und selbst jugendliche Söhne hast?

Ich mag es, mit jungen Menschen zu arbeiten, das hält einen auch selbst jung. Dass ich Söhne hab, die etwas jünger sind, als die Radprofis, hilft dabei sehr. Ist schon ganz gut, die ganze Bandbreite der Gesellschaft zu sehen – es ist immer schwierig, wenn man nur mit seiner Altersklasse zu tun hat. Meine Söhne sagen mir schon, wenn ich mal etwas altbacken bin – dafür bin ich dankbar. Insgesamt geht im Profiradsport das Alter nach unten, das ist die Entwicklung. Die Jungs werden etwas früher Profis, der Radsport hat sich da im Vergleich zu meiner Zeit schon sehr verändert. Aber vermutlich werden wir in Zukunft weniger Fahrer sehen, deren Karriere 20 Jahre dauert und die mit 40 noch Weltspitze sind.

 

Wie wird deine Rolle im Team konkret aussehen? 

Wir haben die Rennfahrer schon grob aufgeteilt und sind nun am Rennkalender. Ich habe mich nicht hingestellt und gesagt, ich möchte dies oder das – aber ich hab 10 Jahre Paris-Roubaix aus dem Auto begleitet und war bei vielen Klassikern dabei, es liegt wohl nahe, dass ich vor allem auch dort eingesetzt werde. 

 

Und was die Fahrer betrifft?

In der Zusammenarbeit mit Sportlern spielt Vertrauen eine große Rolle. Wenn man schon jahrelang zusammengearbeitet hat, kann das einen Vorteil bieten. Ich bin jemand, der den Kontakt zu den Sportler sucht, vor allem auch bei den Rennen. Dort können persönliche Gespräche meist mehr liefern, als der Routine-Kontakt über das Telefon. Es braucht in der Zusammenarbeit eine Vertrauensbasis, vor allem auch mit den Trainern. Mein Eindruck ist bislang, dass das bei Bora-hansgrohe sehr gut funktioniert.

 

Beim Team Katusha warst du lange Sportlicher Leiter, hast damals die Veränderung und den beginnenden Niedergang des Teams miterlebt und gesehen, was schieflaufen kann. Bringen dir diese Erfahrungen etwas für die Zukunft bei Bora-hansgrohe?

Einige Sachen haben mich wirklich umgehauen. Um ehrlich zu sein, ich hätte auf die Erfahrung gern verzichtet. Ich glaube nicht, dass da nützliche Sachen für meinen neuen Job dabei waren. Was ich jetzt erlebe ist ganz anders und bereitet mir große Freude.

 

Spürst du auch langsam die Vorfreude auf die neue Saison, die ersten Rennen stehen bereits in etwas mehr als zwei Monaten an?

Naja, wir haben bereits jetzt eine schöne Arbeit – den Kontakt zu den Fahrern, tägliche Konferenzen – man ist bereits mittendrin. Aktuell besprechen wir den Rennkalender, versuchen da die bestmögliche Konstellation für jeden Fahrer und das Team zu finden – diese Phase ist immer eine sehr aufregende und schöne Zeit. Was die Anspannung betrifft,  so denke ich, es könnte morgen losgehen und wir wären bereit. Weil wir alle wissen, worauf es ankommt. Wir in der Sportlichen Leitung haben als Team 200 Jahre Radsporterfahrung – jeder weiß genau, worum es geht und was wir machen müssen. Wir hatten ja bereits ein Teamtreffen und werden nun bald das nächste einlegen und weiter arbeiten. Das ist eine wichtige Phase und es macht mir wirklich richtig Spaß. 

Danke, für das Gespräch.