Thesen für 2021 auf dem Prüfstand: Lag Jan Tschernoster mit seinen #Saisonthesen richtig?

Vor der Saison 2021 hatten wir von einigen Radsportexperten Thesen für die Saison 2021 eingesammelt – diese werden nun überprüft! Hier sind die von Ex-Rad-Bundesliga-Sieger Jan Tschernoster auf dem Prüfstand.

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These 1 | 2021 Jahr der Comebacks

Nachdem das Jahr 2020 im Zeichen der neuen Generation stand, wird 2021 das Jahr der Comebacks. Pogacar, Hirschi, Evenepoel & Co. werden sich umgucken. Nach der schwierigen Saison mit Lockdown und Trainings-Einschränkungen können die Älteren wieder „normal“ trainieren und ihr Potenzial ausschöpfen.

Chris Froome gewinnt die Tour, Mark Cavendish fährt im QuickStep-Trikot wieder Siege ein und Fabio Aru schafft es beim Giro das Rosa Trikot anzuziehen? Warum nicht. Froome ist motiviert wie nie zuvor, Cavendish wird das gewohnte Umfeld wieder Vertrauen und Rückenwind geben und Fabio Aru hat endlich wieder Spaß am Radfahren – wühlte sich kürzlich mit breitem Grinsen beim Cross durch den Schlamm!

Überprüfung

  • Gar nicht so schlecht… Was Froomey angeht leider ein eine etwas optimistische Einschätzung, aber die Saison von Cav bedarf wohl keiner weiteren Worte. Hinsichtlich des Briten darf aber angemerkt werden, dass es ihm erschreckend gut gelungen ist, einen Großteil der Underdog-Sympathien recht schnell wieder zu verspielen. Schade… Ganz anders Fabio Aru: Obwohl die großen Resultate ausblieben und Aru seine Karriere nach einer Vuelta auf Gesamtrang 99 beendet kann man nach einer soliden Saison von einem gelungenen Comeback sprechen. Der Spaß war ihm anzusehen und eine Trennung vom Sport im Guten ist einiges wert. Schade nur, dass ihm ein Sieg in der Abschlusssaison mit Platz zwei sowohl bei der Sibu Tour als auch der Burgos-Rundfahrt knapp verwehrt blieb.

These 2 | 2021 zeigt uns welches Material wirklich schnell ist

Die Leistungsdichte an der Weltspitze ist extrem. Kleinigkeiten machen den Unterschied, auch beim Material. Teams wie Ineos und Jumbo-Visma haben es vorgemacht, Rohan Dennis macht es schon länger – Mannschaften verzichten auf ihr Sponsorenmaterial und kaufen ein, was wirklich schnell ist. Vermutlich sehen wir genau das in diesem Jahr auch und lernen, was in Sachen Technik die Weltspitze ist.

Überprüfung

  • Materialfans wurden auch 2021 nicht enttäuscht. Allein mit den verschiedenen Laufradsätzen des Teams Ineos kann man einen eigenen Katalog füllen. Besondere Highlight waren wie immer die olympischen Bahnwettbewerbe, wo unter anderem die Briten Räder auspackten, welche man ohne Vorkenntnisse kaum als solche identifizieren konnte. Seien wir gespannt was da in den nächsten Jahren auf uns zukommt.

These 3 | Neues Team, schnellerer Fahrer

Manchmal braucht es einfach eine Veränderung, um einen Schritt nach vorn zu machen. Das wird man auch 2021 wieder beobachten können. Nils Politt wechselt zum Team Bora-hansgrohe und wird ein ganz neues Level erreichen. In der Vergangenheit als Einzelkämpfer unterwegs, hat er nun starke Männer an seiner Seite. Dazu lastet der Druck bei den Klassikern nicht nur auf ihm!

Bei Romain Bardet wird es noch etwas anders gelagert sein. Der Franzose braucht einfach neuen Input und wählte mit DSM das Kontrast-Programm zu seinem Ex-Team AG2R. Das wird auch ihn noch einmal nach vorn bringen.

Überprüfung

  • Es kann funktionieren, wie Nils Politt unter Beweis gestellt hat. Darüber, ob es wirklich am Team lag, lässt sich streiten. Bei Bora fehlte in diesem Jahr etwas die Konstanz. Trotzdem scheint Politt, nach all den Erfahrungen der letzten Jahre, das sicher stabilere Umfeld nochmals Schub gegeben zu haben. Mal schauen ob sich das in den kommenden Jahren mit etwas Glück und einer klaren Ausrichtung bei den Klassikern (der etatmäßige Kapitän ist ja von Bord gegangen) in Erfolge ummünzen lässt.
  • Kann auch schiefgehen. Romain Bardet blieb 2021 eher blass. Nach einem ordentlichen Giro und einer leistungsmäßig guten Vuelta hatte man trotz Etappensieg nicht den Eindruck, dass das neue Team auch neue Kräfte freisetzen kann. Ob Bardet bei DSM dem Ziel vom Grand Tour Sieg nähergekommen ist, ist zumindest zu hinterfragen. 

These 4 | Ein Schritt zurück funktioniert nur selten

Schon der Vergangenheit wechselten häufiger große Stars am Ende ihrer Karriere in kleinere Teams. Erfolgreich war es selten. Das wird wohl auch bei Ilnur Zakarin so sein. Der Russe ist ein Fahrer mit großem physischem Potenzial, aber vielen Schwachstellen. Er braucht, um Erfolge auf höchstem Niveau einzufahren, eine starke Mannschaft. Die hatte er zuletzt nicht mehr und konnte demzufolge auch nicht glänzen.
Nun wechselt er zwar in ein „Wohlfühlumfeld“, doch das reicht eben nicht, um ganz vorn mitzufahren. Auch wenn es vielleicht trotzdem mehr Spaß macht.

Überprüfung

  • Das einzige was Ilnur Zakarin 2021 steigern konnte, war seine Social-Media Aktivität (leider nur noch in russischer Sprache). Eher unwahrscheinlich, dass ein Fahrer mit seiner Vergangenheit sich nach dieser Saison zufrieden zurücklehnt. Vorhersage erfüllt.

These 5 | Kurzfristige Rennplanung sorgt für spannende Rennen

Das Coronavirus ist nicht weg und so bleibt wohl auch in Sachen Radsport einiges „flexibel“. Das dürfte uns erneut spannende Rennen bescheren. 2020 wurde zum einen offensiv gefahren, denn jedes Rennen konnte das letzte sein. Zudem mussten Fahrer und Teams häufiger improvisieren. Veränderte Termine, Strecken, Kaderzusammenstellungen aufgrund von Parallelveranstaltungen … . So gab es immer wieder Überraschungen, auch in den Rennen und so wird es wohl auch weitergehen.

Überprüfung

  • Offensiv gefahren wurde durchaus. Unschön, wenn offensiv in brutal umschlägt, wie die erste Tourwoche zeigte. Ob Corona und steigender Druck aufgrund gekürzter Sponsorenbudgets und Angst um Verträge dafür mitverantwortlich sind, ist schwer zu sagen. Klar ist nur, so macht selbst zuschauen wenig Spaß.
    Insgesamt blieb die Saison 2021 glücklicher Weise von gravierenden Einschnitten verschont und Corona bescherte uns dann im Herbst eine Schlacht auf dem Pflaster von Roubaix, wie sie sicher einmal alle 20 Jahre ausreichend ist.

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