Was hättest du gern über Radrennen früher gewusst, was du nun erfahren musstest?

Ich hätte gern früher gewusst, wie hart das wirklich ist. Und wie schnell wirklich gefahren wird. Also eine Ahnung hatte ich schon, es gibt ja auch das Hobbyrennen, den Glocknerkönig, da kann man die Zeiten vergleichen. Aber was viele Leute nicht wissen: Was in den ersten eineinhalb Stunden bei einer Vuelta abgeht, bevor dann mal die Gruppe steht. Und dann hast du aber noch 150 Kilometer und die letzte Stunde ist ja auch wieder Chaos. Ich habe schon gewusst, dass die Typen schnell und hart fahren, aber dass es so extrem ist, war mir ehrlich gesagt nicht klar. Also, Hut ab.

 

Gab es mal jemanden im Peloton, der vom Rad auf die Ski wechseln will und bei dir Tipps holen wollte?

Nee, aber ich hatte schon viel Kontakt zu den Jungs der Andorra-Gang, also Carlos Verona oder Robert Gesink. Die machen ja auch viele Skitouren im Winter. Die hatten ja auch zugeschaut, bei meiner letzten WM und sie meinten dann so zu mir: Das ist aber ein großer Sprung, den du da machst.

 

Wohl war.

Das Lustigste war eigentlich mein erster Tag bei der Tour of the Alps. Wir standen in Brixen, Pösti und Gianluca Brambilla waren dabei. Pösti ist die Tour of die Alps extra wegen mir gefahren, damit er nach mir schauen kann. Er ist dann auch im Rennen nicht von meiner Seite gewichen. Wir standen am Start und Gianluca sagte, er sei noch nicht so viele Rennen gefahren. Luki zeigt dann zu mir und sagte: Das ist sein erstes Rennen. Gianluca dann so: „Ah, ist er auch noch keine Rennen dieses Jahr gefahren? Und der Pösti: „Nee, der ist noch nie ein Radrennen gefahren, das ist sein erstes überhaupt.“ Der Gesichtsausdruck vom Gianluca war herrlich. Ich habe den Typen dann die ganze Rundfahrt nicht ein einziges Mal mehr gesehen, der hat bestimmt einen Riesenbogen um mich gemacht, weil er dachte, dass ich bestimmt einen Massencrash baue. Am Ende der Vuelta waren wir dann im gleichen Flieger und Gianluca schaute zu mir rüber und sagte: Na, da hast du aber das Schnellprogramm gemacht, vom ersten Radrennen zur ersten Grand Tour.

Palzer und Pöstlberger bei der Tour of the Alps

 

Das kann sich vermutlich auch kein normaler Radprofi vorstellen, der auf dem Rad groß geworden ist – einfach so zu den Profis kommen und Radrennen mitfahren, ohne Erfahrung.

(Lacht) Nee, der war auch voll entsetzt, so nach dem Motto: Oida, das könnt ihr nicht machen. Wir hatten ja dann einen kleinen Vlog zur Tour of the Alps gemacht, wo es eigentlich nur darum ging, ob ich wen in den Graben gefahren oder einen Sturz verursacht habe. Aber es nichts passiert, alles gut gegangen.

 

Da ist dir sicher dann auch ein Stein vom Herzen gefallen, du willst ja auch niemandem was Schlechtes.

Oh Gott, nein. Das wäre auch wirklich das Schlimmste gewesen. Klar, es kann halt immer mal was passieren. Aber wenn ich bei meiner ersten Saison einen großen Sturz ausgelöst hätte, da wüsste ich gar nicht, was ich gemacht hätte. Da hätte ich vielleicht gesagt: Das ist es nicht Wert. Ich habe ja eine Verantwortung, auch für die anderen Fahrer. Da muss man dann vielleicht auch ehrlich sein und sagen, nein, das hat keinen Wert.

Aber ich habe eigentlich gut auf dem Rad gesessen, habe da sicher vom Skifahren profitiert. Da ist es noch schwieriger das Gelände einzuschätzen und man hat halt einfach eine ziemlich gute Reaktion. Und als Kind bin ich zudem extrem viel Trial gefahren. Ich habe mir jetzt im Nachhinein gedacht, dass ich extrem viel gemacht habe, was mir beim Umstieg aufs Rad hilft. Rückblickend muss ich sagen, dass ich nie irgendwie Angst gehabt und mich immer wohl gefühlt habe, auch bei der Tour of the Alps.

 

So ein Radrennen, wie viel ist für dich Kopf, Gefühl, Erfahrung wie viel machst du aus dir selbst heraus, wie viel Hilfe kommt aus dem Auto?

Das ist eine gesunde Mischung. Klar, jetzt habe ich auch etwas Erfahrung kann Situationen lesen, aber ich bin da schon dankbar für den Funk. Bei der Vuelta gab es zu Beginn einer Etappe eine Situation, wo Ineos bereits voll Tempo gefahren ist und ich hatte einen Defekt. Zuvor war ich noch nie im Konvoi gefahren. Also klar, mal Flasche geholt, aber eher in einer ruhigeren Situation. Hier weiß ich nicht weiß, ob ich ohne Funk zurückgekommen wäre. Da haben mir die Sportlichen Leiter extrem geholfen. Jens Zemke hat mir dann während des Konvoi-Fahrens beigebracht, wie man Konvoi fährt (Lacht). Am Abend haben wir dann im Kitchen-Truck alle zusammen darüber gelacht, weil es über den Funk ja nun jeder mitbekommen hat. Felix (Großschartner) hat dann gesagt: „Du Toni, ist nicht böse gemeint, aber nach 10 Minuten habe ich mir dann den Funk rausgenommen.“ Für mich war das eine sehr wichtige Situation, wo ich viel gelernt habe.

 

Du hast dann einfach gemacht, was Jens im Funk gesagt hat?

Ja, genau. Man muss ja auch möglichst kraftsparend wieder zurückkommen. Es war auch ziemlich cool, dabei die Unterstützung der anderen Teams zu spüren – da ist keiner aus dem Kreisverkehr raus, dass ich nicht an der Stoßstange bleiben kann. Klar, jeder hatte von dem Typen mit dem Red Bull Helm gehört, der vor fünf Monaten noch auf Skiern stand. Aber trotz des Konkurrenzkampfs, war das schon absolut menschlich.

 

Im Leiden wird zusammengehalten.

Genau. Das war echt eine intensive Erfahrung. Dann hatte ich auch noch meinen Sturz. Das Auto vor mir ist in den Kreisverkehr rein und hat angefangen mit allen vier Reifen zu rutschen. Ich bin mit 50 oder so da rein und habe genau gewusst, jetzt lieg ich. Dann haben wir noch mal das Rad gewechselt.

 

Gab es mal ein lustiges Missverständnis mit dem Funk?

(Lacht) Bei der Tour de Suisse, als ich attackiert habe. Da war die Gruppe eh durch und über Funk kam die Ansage, wer möchte, kann um Platz fünf fahren. Da dachte ich: Das ist meine Chance. Ein fünfter Platz bei einem WorldTour-Rennen, das ist Wahnsinn. Gut, dass ist ja dann in Hose gegangen – Astana wollte mich nicht fahren lassen und ich wurde schnell wieder eingeholt.

Nach dem Rennen kam der Sportliche Leiter zu mir und sagt: „Toni, was hast denn du da gemacht?“ Ich habe geantwortet: Du hast doch gesagt, wer Fünfter werden will. Aber das war für die Sprinter gedacht, für Jordi Meeus und Matt Walls, die waren ja auch dabei. (Lacht) Und ich dachte, das ist meine Chance, Vertrauen vom Team, ich fahr halt einfach mal.

Anton Palzer bei seinem ersten Rennen

 

Ist ja aber auch ein Statement, dass du nicht nur mitfährst, sondern einfach mal attackierst.

Ja, absolut. Ich bin halt Sportler, ich bin niemand, der sagt, ich habe WorldTour-Status und fahre in einem der besten Teams der Welt, jetzt kann ich mich ausruhen. Ich will erfolgreich sein. Ich bin da manchmal auch um einen 30. Platz gesprintet. Bevor ich 50. werde, werde ich lieber 30 – wenn es passt. Ich bin da schon ziemlich leistungsorientiert, würde ich sagen.

 

Mit welchen Zielen, mit welchem Gefühl gehst du jetzt in deine zweite Saison?

Auf jeden Fall weiß ich jetzt, was mich erwartet. Das war 2021 schon sehr speziell, aber nun habe ich fast das ganze Spektrum mal gesehen. Klar, keinen Klassiker, kein Monument, aber schon viel. Das gibt schon ein wenig Sicherheit. Ich sehe mich als Helfer und das Ziel ist schon, dass ich am Berg schnell fahre. In diesem Jahr, mit der Doppelsaison, ging mir dann am Ende schon etwas die Luft aus. Aber jetzt nach der Pause, da freue ich mich schon richtig auf die neue Saison.

 

Gibts ein Rennen, dass du gern fahren möchtest?

Also, in der Zukunft würde ich gern mal den Giro d’Italia fahren. Klar, die Tour ist das Größte, aber zum Giro habe ich einen starken Bezug. Ich habe viele italienische Freunde vom Skifahren und da kenne ich mich auch besser aus. Wenn ich mir vorstelle, man fährt Stelvio, oder Gavia in der Bormio-Gegend, das wäre schon was Besonderes. Da wäre ich mir sicher, dass da einige meinen Namen schreien würden, da kennen mich ein paar Leute.

 

Zum Abschluss – abgesehen von deinem Freund Luki, wer ist der coolste Typ bei euch im Team?

Felix Großschartner, Legende!

 

Was macht ihn zur Legende?

Seine Art. Das ist ein richtig cooler Typ. Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber wenn man den Felix so im normalen Leben kennenlernt, denkt man, der kann nie im Leben so schnell Rad fahren. Der ist aber so ein Killer am Rad, das ist unglaublich. Was er da bei der Vuelta aufgeführt hat, das war Wahnsinn. Ich mag einfach seine Art. Er ist nicht abgehoben. Der ist wie ich, fährt halt nur viel schneller Radl. Ist entspannt, macht sein Ding, ist aber immer Garant für Erfolg.

 

Was wird dein erstes Rennen 2022 sein?

Das steht noch nicht ganz fest, hängt auch vom Verlauf des Trainingslagers ab, aber wahrscheinlich bei der Mallorca Challenge.

 

Danke, Anton, für das offene Gespräch.