In diesem Jahr wird der Frauenradsport weiter wachsen und mehr Aufmerksamkeit bekommen. Nach der Premiere von Paris-Roubaix Femmes 2021 wird es nun mit der Tour de France Femmes auch das größte Radrennen der Welt wieder für Radsportlerinnen geben. In den vergangenen Jahren wurden zudem schon etliche Klassiker des Männer-Kalenders auch für die Frauen eingeführt, es entstand eine neu konzipierte Womens WorldTour mit zahlreichen neuen Teams, es wurden Mindestgehälter eingeführt und jedes Jahr gibt es mehr Sichtbarkeit durch TV-Übertragungen und mehr öffentliches Interesse. Kurz gesagt: Profi-Radsport wird für Frauen immer attraktiver.

Von diesen Umständen beflügelt wird die Weltspitze immer breiter und es gibt international viele neue Talente, die sich auf den Weg machen, um Rennen zu gewinnen. Einen großen Unterschied zum Männerbereich stellt im Frauenbereich das Fehlen der U23 Klasse auf dem Weg vom Talent zum erfolgreichen Profi dar. Die Fahrerinnen werden direkt aus der Juniorinnenklasse ins Frauenpeloton „geworfen“. Der so fehlende Übergang erschwert es dem Großteil der jungen Fahrerinnen, bei den Profis frühe Ergebnisse einzufahren. Neben denen, die es in die WorldTour schaffen, wechseln viele nach den Juniorinnen auch in kleinere Continental- bzw. Amateurteams.

Vor diesem Hintergrund entwickeln sich auch in Deutschland jedes Jahr neue, hoffnungsvolle Radfahrerinnen mit dem Potenzial, den Anschluss zur Weltspitze zu schaffen. Hier werden fünf von ihnen, die man in den kommenden Jahren auf dem Zettel haben sollte, kurz vorgestellt. Es ist eine selektive Auswahl und außerhalb dieser fünf Fahrerinnen gibt es noch weitere Talente. Einziges Kriterium war, dass es sich um eine U23-Fahrerin handelt, die noch keine großen, internationalen Ergebnisse im Frauenbereich eingefahren hat. Damit sind etwa Franziska Koch und Hannah Ludwig für diese Liste „überqualifiziert“.


2Friederike Stern (Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch)

Friederike Stern bei der EM 2021

Friederike Stern macht 2022 nach zwei Jahren beim d.velop Ladies Bundesliga Team, den Schritt auf Continental Niveau zum Luxemburgischen Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch Team. Continental Teams sind im Frauenradsport Teams der zweithöchsten Klasse und nehmen neben den WorldTour Teams regelmäßig an den größten Rennen teil. Das Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch geht in sein zweites Jahr als Continental Team und ist bereits eine etablierte Adresse mit vielen hochklassigen Renneinladungen. Der Schritt nach vorne, der Stern damit für 2022 gelungen ist, ist keine Überraschung. Deutet sich ihr Talent doch bereits seit einiger Zeit an.

2019, in ihrem Zweiten Juniorenjahr, wurde Stern Deutsche Meisterin im Straßenrennen und konnte bereits an vielen hochklassigen Rennen teilnehmen. Sie bestritt Nation Cups der Juniorinnen wie die Watersley Challenge oder Gent-Wevelgem, wurde für Großereignisse wie die Weltmeisterschaften ausgewählt und durfte zudem bereits fürs Nationalteam an der Thüringen Ladies Tour teilnehmen. Nachdem 2020 coronabedingt fast keine Rennen bereithielt, konnte sie 2021, trotz fehlender Rennpraxis aus dem Vorjahr, zeigen dass sie Fortschritte gemacht hatte. Zunächst war sie wieder Teil der deutschen Nationalmannschaft bei der Thüringen Ladies Tour und schaffte es dort, als Helferin von Clara Koppenburg, ein solides Rennen zu fahren, mit einem 15. Etappenplatz auf der zweiten Etappe. Ein guter Start in einem solch stark besetzten Feld ohne viel vorherige Rennerfahrung auf diesem Niveau. Es folgten zwei Top 25 Ergebnissen bei den deutschen Meisterschaften im Zeitfahren und Straßenrennen sowie eine starke Tour de Feminin in Tschechien. Dort wurde sie in einem sehr soliden Feld 24. der Gesamtwertung sowie 13. der zweiten Etappe. Die Saison schloss sie bei den U23-Europameisterschaften ab, bei denen sie 19. im Zeitfahren wurde.

Stern ist eine eher große und kraftvolle Fahrerin, die ihre besten Leistungen auf Profiniveau bisher in welligem und leicht hügeligem Terrain gezeigt hat. Nachdem sie 2021 endlich eine Grundlage an Rennhärte aufbauen konnte, dürfte ihre Entwicklung weiter nach oben gehen. Zumal sie bei ihrem neuen Team noch viel mehr Chancen bekommen wird, an hochklassigen Rennen teilzunehmen und in einem deutlich stärkeren Kollektiv unterwegs sein wird. Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht.