Der Giro geht in die entscheidende Phase. Vom Veranstalter bewusst gestaltet, steht die Schlusswoche voll imKampf um Rosa. Klar, es wird auch um Etappensiege und das Bergtrikot gekämpft, aber der große Spannungsbogen bleibt der Kampf um das Podium dieser 105. Italien-Rundfahrt. Die Sprinter wird man kaum vermissen, der Kampf um das Ciclamino ist der von Arnaud Demare gegen das Zeitlimit bei den Monster-Bergetappen.
Die Gesamtwertung vor den letzten sechs Etappen ist eng, zumindest ganz vorn. Guillaume Martin als Gesamtzehnter hat bereits mehr als acht Minuten Rückstand – es wäre wohl ein verrückter Giro, würde er noch einmal in den Kampf ums Podium eingreifen können. Auch Juan Pedro Lopez, der viele Tage mit einer herausragenden Leistung in Rosa fuhr, ist wohl kein Kandidat für das Podium. Es bleiben acht Fahrer, die um die drei Plätze auf dem Podium kämpfen. Auf diese wird nun genau eingegangen.
Richard Carapaz – der Top-Favorit
Richard Carapaz trägt das Rosa Trikot und geht als Favorit in die Schlusswoche des Giro. Er war bislang der stärkste Fahrer im Rennen, aber nicht überlegen. Für ihn geht es nicht um einen Platz auf dem Podium – es zählt nur der Sieg. Er ist kein überragender Zeitfahrer, die 30 Sekunden Vorsprung auf Joao Almeida sind eher ein Mini-Polster, mit Blick auf das Zeitfahren am Schlusstag. Doch Carapaz muss noch nicht so weit voraus blicken. Mit drei sehr starken Fahrern keine 60 Sekunden hinter ihm, darf er sich in den nächsten Tagen keine Schwäche erlauben. Er hat zwei Probleme: Das Team scheint nicht so stark wie sonst, und er ist bergauf nicht viel besser als der Rest. Die alte Sky-Taktik, lange hohes Tempo machen und dann davonstiefeln, funktionierte bislang nicht.
Carapaz ist in der Favoritenrolle, die Last des Rennens liegt auf seinen Schultern. Geht eine Gruppe mit Buchmann oder Bilbao, wird er die Lücke schließen müssen. Ist er isoliert, wird er sicher angegriffen. Er ist ein offensiver Fahrer, was ihm sicher entgegenkommt, doch er wird sich vielen Angriffen ausgesetzt sehen. Gelingt es ihm nicht, bei den nächsten zwei Etappen seinen Vorsprung zu vergrößern, werden die Angriffe sicher noch intensiver, denn dann ist Rosa in vielen Köpfen greifbar. Sein Ziel sollte sein, schnell Stärke zu demonstrieren und eine Minute Polster auf Rang zwei zu holen. Dann wird bei den Verfolgern vielleicht wieder mehr gegeneinander um das Podium gefahren, als gegen ihn und sein Rosa Trikot.
Er braucht in der Schlusswoche starke Helfer, sonst wird das eine brutal harte Aufgabe. Denn so eng, wie es im Moment ist, entscheiden vielleicht die Helfer über Sieg und Niederlage, nicht die Kapitäne.