Es ist die letzte Bergetappe dieses 105. Giro d’Italia, und sie hat es in sich. Ein brutales Teilstück rund um das Marmolada Massiv. Drei lange und schwere Anstiege, zwei Mal bis auf über 2000 Meter, insgesamt fast viereinhalbtausend Höhenmeter. Vor dem Abschlusszeitfahren am Sonntag wird hier ganz sicher der Großkampf um Rosa entbrennen und vielleicht bereits eine Vorentscheidung fallen.
Es ist eine typische „letzte Bergetappe des Giro“. Ein Abschnitt, an dem eine kleine Schwäche große Abstände bedeuten kann und das Rennen die entscheidende Wendung nehmen. Pellegrino, Pordoi und dann zum Abschluss den brutalen Anstieg zur Marmolada. Drei schwere Wochen haben die Fahrer in den Beinen und sie werden diese spüren. Es wird für alle Fahrer die letzte große Herausforderung.
Die ersten rund 70 Kilometer sind flach, so kann eine Ausreißergruppe wohl einen größeren Vorsprung herausfahren. Doch es ist die letzte schwere Bergetappe und man darf davon ausgehen, dass eines der Teams im Kampf um Rosa das Tempo früh anziehen wird, um zum finalen Angriff zu blasen. So müssten die bergfesten Ausreißer schon mit reichlich Vorsprung in die Steigungen gehen, um am Ende eine Chance auf den Etappensieg zu haben.
Richard Carapaz, Jai Hindley und Mikel Landa kämpfen um den Girosieg. Jeder von ihnen hat theoretisch ein Interesse daran, das Rennen schwer zu machen und in die Offensive zu gehen. Mikel Landa ist ein exzellenter Kletterer und muss mehr als eine Minute aufholen – ihm bleibt nur ein Angriff, um die Chance auf Rosa zu wahren. Jai Hindley liegt drei Sekunden zurück, er möchte Carapaz gern das Trikot abluchsen und dann am Schlusstag im Zeitfahren den Sack zu machen.
Und auch Carapaz wird sich nicht auf den drei Sekunden ausruhen wollen, sondern sich lieber einen Puffer verschaffen wollen. Die Etappe führt in über 2000 Meter Höhe, was für den Ecuadorianer vielleicht ein Vorteil sein kann. Wenn er auch am Gipfel des Fedaia das Rosa Trikot überzieht, dürfte er der Favorit auf den Gesamtsieg sein.
Ob den Tagessieg ein kletterstarker Ausreißer, oder einer der Klassementfahrer feiert, hängt von der Gruppe, aber auch von der Renngestaltung im Feld ab.
Die Strecke
Nach dem Start in Belluno wird eine kleine Schleife gefahren, dann geht es gen Norden. Die ersten rund 65 Kilometer sind flach, dann steht die Sprintertung auf dem Programm. Anschließend beginnt die Kletterei.
Der Anstieg zum San Pellegrino ist lang und anspruchsvoll. Im unteren Teil geht es noch moderat bergauf, die letzten sechs Kilometer ist es im Schnitt 9 % steil. Es gibt Passagen mit mehr als 15% Steigung. Erst die letzten zweieinhalb Kilometer zur Bergwertung sind wieder moderat steil.
Anschließend folgt eine lange, schnelle und wenig komplizierte Abfahrt nach Moena. Dann geht es 20 Kilometer leicht ansteigend zum Pordoi.
Zum Gipfel des Pordoi geht es 11,8 Kilometer mit 6,8% im Schnitt hinauf. Ein langer, recht gleichmäßiger Anstieg. Der Gipfel liegt in 2239 Metern Höhe, sodass die Fahrer die dünne Luft spüren werden.
Es folgt eine lange, zweigeteilte Abfahrt, die in der Mitte ein rund 7 Kilometer langes Flachstück hat. Dann geht es zum Fuße des Fedaia.
Die Schlusssteigung ist ein übles Ding. die ersten acht Kilometer sind noch moderat steil, dann wird es garstig. Die letzten 5,3 Kilometer ab Malga Ciapela sind im Schnitt 11,1% steil! Das Ziel liegt zudem auf 2057 Metern über Null.
Nach all den Strapazen dieses Giro, am Ende einer so schweren Bergetappe – dieser Passo Fedaia ist für viele Fahrer sicher der schwerste Anstieg dieser Rundfahrt.
Die Favoriten
Kann sich ein kletterstarker Ausreißer durchsetzen, oder holt sich einer der Klassementfahrer den Sieg? Beides ist möglich, denn der Parcours ist zunächst flach, dann anspruchsvoll. Eventuell wollen auch Teams wie Bahrain Victorious einen Fahrer in der Spitzengruppe platzieren, um dann möglicherweise als Helfer „von vorn“ kommen zu können um dem Leader im Finale zu helfen. Santiago Buitrago oder Wout Poels wären Fahrer, die hier eine taktische Doppelrolle einnehmen könnten. Braucht Landa die Hilfe, lassen sie sich zurückfallen, braucht er sie nicht, gehen sie auf Etappensieg.
Aus der Riege der klassischen Bergfahrer, die in der Gesamtwertung weit zurückliegen, darf man wohl Giulio Ciccone und Hugh Carthy in der Spitzengruppe erwarten. Bauke Mollema wäre auch ein Fahrer, der es probieren könnte. Thymen Arensman, Guillaume Martin, Jan Hirt könnten es auch probieren.
Im Kampf um Rosa waren die drei Top-Fahrer bislang auf Augenhöhe. Doch bei diesem Finale reichen Kleinigkeiten, um Lücken aufgehen zu lassen. Carapaz wirkte bislang sehr souverän. Auch Hindley wirkte stark. Landa kassierte bei den Sprints am Ende etwas Zeit, aber sein Terrain sind die steilen Berge. Es wird vermutlich die Tagesform und der Grad der Erschöpfung entscheiden, wer von ihnen die Nase vorn hat. Die dünne Luft spricht für Carapaz und er würde gern mit dem Etappensieg das Rosa Trikot absichern und ein Polster für das Zeitfahren schaffen.
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**** Richard Carapaz, Jai Hindley
*** Mikel Landa, Wout Poels
** Santiago Buitrago, Thymen Arensman
* Jan Hirt, Bauke Mollema, Koen Bouwman
Start: 12:15 Uhr
Ziel: ~17:15 Uhr