Diese Etappe ist der Auftakt eines knüppelharten Alpen-Duos. Am Mittwoch die Bergankunft über 2400m üNN am Granon, am Donnerstag dann die Bergankunft in L’Alpe d’Huez. Schon die erste der beiden hat es in sich. Recht kurz, aber die zwei superschweren Anstiege und die Höhe machen es den Fahrern richtig schwer. Fast 4000 Höhenmeter bei nur etwas mehr als 150 Kilometern – diese Etappe ist heftig.
Der Galibier wird von Norden, über den Col du Télégraphe erklommen – die schwerere Seite. Dann folgt eine lange Abfahrt und es geht hinauf zum Col du Granon, einem etwas weniger bekannten Berg, der bei der Tour erst ein Mal gefahren wurde. Aber auch dieser Berg hat es in sich. Nicht so lang wie die legendäre Steigung nach L’Alpe d’Huez, die am Donnerstag ansteht, aber etwas steiler und vor allem in größerer Höhe. Die dünne Luft werden die Fahrer spüren und dies wird sich auswirken.
Diese 11. Etappe der Tour ist die erste ganz schwere Bergetappe, vor der vor allem auch die schwereren Fahrer Respekt haben. Ein schwacher Tag, früh abgehängt, kann das schnell ein Höllenritt werden. Für die Klassementfahrer ist es eine der wichtigsten Etappen dieser Tour. Es wird zum harten Kampf der Favoriten kommen, bei dieser Ankunft können selbst kleine Leistungsunterschiede zu größeren Abständen führen.
Watt/Kg ist die Formel für die Schlusssteigung, doch man sollte auch das taktische Element des Rennens nicht außer Acht lassen. Das Team UAE scheint angeschlagen, ihr Leader Pogačar aber übermächtig. Mann gegen Mann am Schlussanstieg wird man ihn wohl nicht bezwingen können, so scheint es. Zumindest, wenn er nicht zuvor bereits Kräfte investieren musste. Darum wird es der Konkurrenz vielleicht gehen – früh von seinen Helfern isolieren, ihn dazu zu zwingen, dass er selbst arbeiten muss, vor der Schlusssteigung Körner verbraucht. Dann ist er vielleicht schlagbar. Vielleicht.
Auch wenn die Etappe recht kurz ist, sollte sich auf dem Weg zum Galibier schnell eine große Gruppe mit starken Kletterern absetzen können und einen größeren Vorsprung bis zum Schlussanstieg retten, könnte auch ein Ausreißer den Tagessieg holen. Allerdings scheint es wahrscheinlicher, dass die großen Favoriten auf Gelb auch um den Etappensieg kämpfen.
Bitte anfeuern: Simon Geschke trägt weiter das Bergtrikot, von ihm darf man einen harten Kampf um jeden Zähler erwarten. Nicht verpassen: Für tolle TV-Bilder werden die „Schnürsenkel von Montvernier“ sorgen – der erste Anstieg des Tages hat ganz enge Haarnadelkurven.
Die Strecke
Nach dem Start in Albertville geht es gen Süden. Die ersten rund 45 Kilometer sind flach, schon nach 16,5 Kilometern steht die Sprintwertung des Tages an. Aus dem Maurienne-Tal geht es dann nach etwas mehr als 45 Kilometern links hinauf, die Serpentinen der Steigung Lacets de Montvernier. Ganz sicher werden die TV-Kameras tolle Bilder einfangen, wie sich das Peloton hinaufschlängelt. Anshcließend geht es hinab ins Tal und nach Saint-Jean-de-Maurienne. Dann beginnt die lange Steigung zum Col du Galibier über den Col du Télégraphe.
Die Auffahrt von Norden zum Galibier ist mehr als 30 Kilometer lang. Schon der erste Teil, die Steigung zum Telegraphe ist schwer. Fast 12 km mit 7% geht es bergauf, ohne Chance auf Erholung. Es folgt eine kurze Abfahrt und dann geht es wieder bergan. Mehr als 1200 Höhenmeter sind es dann noch ab Valloire. Dieser Col du Galibier ist ein heftiges Ding!
Die Abfahrt vom Galibier flacht in Richtung Briancon aus. Bevor es links weg zur Schlusssteigung geht, ist es einige Kilometer nahezu flach.
Der Schlussanstieg ist 11,3 Kilometer lang und mehr als 9% steil. Es ist ein heftiger Berg, der in der Geschichte der Tour bislang erst ein Mal gefahren wurde – 1986. Es geht hoch hinaus, das Ziel liegt in 2413 Metern Höhe, sodass die Fahrer die dünne Luft spüren werden. Lange war die Ankunft am Granon die höchste Etappenankunft der Tour de France. Erst 2011 wurde sie nach der Ankunft am Col du Galibier abgelöst.
Die Bergwertungen
km 49,9 – Lacets de Montvernier 3,4 km à 8,2 %
km 83,8 – Col du Télégraphe 11,9 km à 7,1 %
km 106,7 – Col du Galibier (Souvenir Henri Desgrange) 17,7 km à 6,9 %
km 151,7 – COL DU GRANON 11,3 km à 9,2 %
Die Sprintwertung
KM 16,5 – AIGUEBELLE
Die Favoriten
Die Chancen für Ausreißer stehen nicht allzu gut, denn es wird wohl ein heftiger Tag im Kampf um Gelb. Dennoch sind starke Kletterer, die früh in einer starken Gruppe sind, nicht chancenlos. Top-Kletterer wie Thibaut Pinot, Jakob Fuglsang, Dylan Teuns, Michael Woods oder Carlos Verona könnten sich bis ins Ziel vorn behaupten, gehen sie mit etwas Vorsprung in die Schlusssteigung.
Der Kampf um Gelb darf ebenfalls mit Spannung erwartet werden. Wie oben bereits beschrieben, wird die Konkurrenz sicher versuchen, Pogačar zu isolieren und unter Druck zu setzen. Taktisch kann dies vor allem durch Ineos und Jumbo-Visma gelingen, denn sie haben mehrere Fahrer in der Gesamtwertung gut platziert.
Möglicherweise schicken sie Helfer in die Gruppe des Tages, die später als Relaisstation dem Leader helfen können. Doch Pogačar muss isoliert werden, damit er angreifbar ist. Vielleicht wird bereits am Telegrahpe das Tempo im Feld derart in die Höhe geschraubt, dass Pogačars Helfer abgehängt werden. Anschließend müsste der Mann in Gelb selbst die Attacken kontern. Vor allem das lange Berghab-Stück nach dem Galibier in Richtung Schlusssteigung ist extrem gefährlich, sollte man allein das Tempo machen müssen, wenn Konkurrenz voraus in einer Gruppe ist. Das große Ziel von Pogačars Konkurrenz könnte also sein, am Gipfel mit einem der GC-Fahrer einen keinen Vorsprung auf „den Gelben“ zu haben, dann in der Abfahrt Hilfe von vorn zu bekommen. Dann muss Pogačar in der langen Anfahrt zum Granon Kräfte verschleißen, während der Rest im Windschatten bleibt. So wäre Pogačar vielleicht an der Schlusssteigung schlagbar.
Soweit die Theorie, doch nach 10 harten Renntagen müssen Pläne flexibel sein. Ein schlechter Tag bei einem der Leader, eine unerwartete Situation in der Gruppe des Tages, plötzlich erstarkte Konkurrenz, oder ein Wetterumschwung – Pläne können sich schnell ändern. Pogačar und sein Team wissen, wie Radsport funktioniert und ihm ist zuzutrauen, dass er lieber selbst in den Angriffsmodus schaltet, als unter Druck zu geraten. Doch auf solch einer brutalen Etappe wie dieser, sind das entscheidende Element die Beine. Man darf gespannt sein, was dieser Renntag bereit hält.
***** Jonas Vingegaard
**** Tadej Pogačar
*** Primoz Roglic, Enric Mas,
** Geraint Thomas, Adam Yates, Nairo Quintana, Dylan Teuns
* Bardet, Verona, Woods, Fuglsang, Bardet
Start: 12:15 Uhr
Ziel: ~ 17:00 Uhr