Profil der 12. Etappe der Tour de France 2022 (©A.S.O.)

Nach der heftigen Etappe am Mittwoch geht es nun superschwer weiter. Es steht die letzte Alpen-Etappe auf dem Programm, und diese hat es in sich. Mehr als 4600 Höhenmeter, drei sehr schwere Anstiege und das Finale am berühmtesten Radsport-Berg der Welt. Dieses 12. Teilstück ist der schwerste Abschnitt dieser Tour de France. Col du Galibier, Col de la Croix de Fer und L’Alpe d’Huez – drei lange Anstiege, alle drei HC-Kategorie.

Mit den Anstrengungen vom Mittwoch in den Beinen ist diese Etappe eine echte Herausforderung. Vom Start weg geht es leicht bergan, über den Lautaret zum Galibier – für die Sprinter und angeschlagenen Fahrer ein brutaler Start. Die letzten Kilometer zum Galibier sind von Süden die schwersten, in der Höhe werden die Fahrer die Anstrengungen und die Müdigkeit extrem spüren. Nach der langen Abfahrt und der kurzen Steigung zwischendrin zum Telegraphe geht es zum Croix de Fer. Nicht der schwerste Alpen-Pass, aber ein langer und durchaus harter Anstieg, dessen Gipfel erneut über 2000 Metern Höhe liegt. Die lange Abfahrt dann zum großen Finale am Berg der Berge. Ein heftiges Menü!

Nach der Schlacht um Gelb am Mittwoch darf man erneut einen Großkampf erwarten. Doch alle Fahrer im Feld werden die Anstrengungen der vergangenen Tage spüren. Möglicherweise haben Fahrer den Bogen überspannt, müssen für ihren Kräfteeinsatz Tribut zollen. Diese Etappe verzeiht keine Schwächephase.

Vielleicht jubelt ein Ausreißer an der Alpe. Am französischen Nationalfeiertag werden die einheimischen Fahrer nicht nur besonders motiviert sein, sondern sicher auch besonders angefeuert. Mit Pierre Rolland und Thibaut Pinot sind zwei Franzosen im Rennen, die bereits in L’Alpe d’Huez gewonnen haben.

Vorn wird um den Etappensieg und das Gelbe Trikot gekämpft, hinten um das Zeitlimit. Es dürfte eine heftige Etappe werden, Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.

Die Strecke

Direkt nach dem Start geht es bergan. Zunächst nur ganz leicht auf breiter Straße in Richtung Lautaret. Doch es wird immer steiler. Nach knapp 25 Kilometern geht es am Gipfel des Lautaret rechts weg, in die letzten Kilometer zum Gipfel des Col du Galibier. Nach etwas mehr als 33 Kilometern ist der höchste Berg des Tages bezwungen und es geht hinab nach Valloire und über den kurzen Anstieg zum Col du Télégraphe dann bis ins Tal der Maurienne.

Nach nur rund 14 Kilometern im Tal geht es links weg, hinauf zum Col de la Croix de Fer. Ein sehr langer Anstieg, mit flacheren und steileren Passagen. Fast 30 Kilometer geht es bergan! Im unteren Teil für einige Kilometer direkt einige Kilometer mit neun und mehr Prozent Steigung. Eine kurze Abfahrt und einige flachere Kilometer bieten nur wenig Gelegenheit, sich zu erholen. Die letzten sechs Kilometer wird es erneut richtig anspruchsvoll und die Höhe macht es nicht leichter.

Es folgt nach dem Gipfel eine lange Abfahrt. Vorbei an der Talsperre Grand-Maison hinab nach Oz. Nach rund 10 flachen Kilometern im Tal ist Le Bourg D’Oisans erreicht – der Ort, in dem die 21 Kehren der 13,8 Kilometer langen Steigung hinauf zur Alpe beginnen.

Die Schlusssteigung

Über L’Alpe d’Huez wurde alles gesagt und alles geschrieben. Es ist einer der wenigen Radsportberge, der selbst Laien ein Begriff ist. Die Fans haben den Ort zum Mythos gemacht. Die Kehren, die Stimmung, der Blick von oben hinab ins Tal – all das ist Teil der Faszination. Doch am Ende ist es auch ein ziemlich heftiger Anstieg, der die Fahrer im Kampf um den Tagessieg und Gelb an ihre Grenzen bringt. Es gibt schwerere Berge, aber L’Alpe d’Huez ist eben etwas besonderes. Es lockt jedes Jahr tausende Rad-Touristen an, die selbst die berühmten Kehren bezwingen wollen. Aber ist die Tour an der Alpe, lockt sie auch viele Event-Fans an, die nicht all zu viel Radsporterfahrung mitbringen und im Überschwang der Begeisterung den nötigen Abstand vermissen lassen.

L’Alpe d’Huez steht nicht nur für großen Sport, Party und die legendäre Holländer-Kurve. Die Fabelzeit von Marco Pantani ist Rekord und Mahnmal. All das schwingt mit, wenn das Peloton am Fuße in die Steigung geht und erneut werden TV-Bilder um die Welt gehen, die eine Radsportparty beeindruckenden Ausmaßes zeigt. L’Alpe d’Huez ist L’Alpe d’Huez – ein Mythos, den die Tour pflegt.

Die letzten Kehren zum Ziel

Die Bergwertungen
Kat HC | km 33,2 – Col du Galibier 23 km à 5,1 %
Kat HC | km 110,6 – Col de la Croix de Fer 29 km à 5,2 %
Kat HC | km 165,1 – ALPE D’HUEZ 13,8 km à 8,1 %

Die Sprintwertung
KM 11,8 – LE MONÊTIER-LES-BAINS

Die Favoriten

Ein kletterstarker Ausreißer hat durchaus die Chance auf den Etappensieg. Formiert sich direkt auf dem Weg zum Galibier eine starke Gruppe, kann diese sicher mit einigen Minuten Vorsprung in die Schlusssteigung gehen. Doch sollte ein Team im Feld erneut früh zum Angriff blasen, wird es schwer, für die Ausreißer. Eine Prognose, wie viel Vorsprung ein Fahrer wie Thibaut Pinot in die Schlusssteigung mitnehmen müsste, um die GC-Fahrer bis ins Ziel hinter sich zu lassen, ist schwer. Wie schnell wird vorher gefahren, wie viel Arbeit musste Pinot selbst vor dem Anstieg machen … ? Die Klassementfahrer sind nach dem harten Tag gestern natürlich ebenfalls angeschlagen, aber dennoch sollten Ausreißer besser mehr als drei Minuten Vorsprung herausfahren, ehe es ins Finale geht.

Thibaut Pinot ist sicher einer der Favoriten für den Tagessieg, betrachtet man die Ausreißer. Wie gut sich Lennard Kämna erholt hat, muss man abwarten. Michael Woods, Jakob Fuglsang, Carlos Verona oder Bauke Mollema wären ebenfalls Fahrer, die hier vielleicht ihre große Chance sehen. Neilson Powless ist nun auch weit in der Gesamtwertung zurück.

Beim Kampf um das Gelbe Trikot wird viel davon abhängen, wie gut sich die Fahrer von den Strapazen am Mittwoch erholt haben. Jonas Vingegaard war der Stärkste, aber auch er hat sich stark verausgabt. Tadej Pogačar gab sich nach der Etappe kämpferisch, doch man muss abwarten, zu was sein Körper im Stande ist. Romain Bardet, Nairo Quintana, Geraint Thomas – das waren die stärksten Fahrer am Mittwoch.

Wird es erneut frühe Attacken geben? Sollte keiner der Favoriten sichtbar Schwächen offenbaren, wird man wohl erst in der Schlusssteigung attackieren. Denn gerade der Weg nach dem Croix de Fer ist lang und man spart im Windschatten viele Kräfte. Doch vielleicht schlägt ein Team ein hohes Tempo bereits früh an und bring die Favoriten ans Limit, um am Schlussanstieg anzugreifen. Viele Teams sind dazu wohl nicht in der Lage. Jumbo-Visma kann kontrollieren, der Vorsprung von Vingegaard ist groß genug um zunächst zu verwalten. Ineos vielleicht, oder UAE, sollte sich Pogacar tatsächlich erholt haben. Ihm ist aber auch eine riskante Attacke zuzutrauen, nach zwei Siegen in Folge zählt für ihn nur das Gelbe Trikot.

Wer am Mittwoch stark war, ist auch auf dieser Etappe stark zu erwarten. Doch wer die Speicher zu sehr geleert hat, sich nicht ausreichend erholt hat, kann einen schweren Tag erleben. Auch große Überraschungen sind möglich.

***** –
**** Jonas Vingegaard
*** Thibaut Pinot, Nairo Quintana
** Geraint Thomas, Romain Bardet, Bauke Mollema, Jakob Fuglsang
* Woods, Kämna, Pogačar, Powless, Verona, Storer, Madouas, Caruso

Start: 13:05 Uhr
Ziel: ~ 18 Uhr


Profil der 16. Etappe der Tour de France 2022 (©A.S.O.)

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