Profil der 17. Etappe der Tour de France 2022 (©A.S.O.)

Die erste der drei Pyrenäen-Etappen am Dienstag bot ein interessantes Rennen – Hugo Houle siegte und auch in den Top10 der Gesamtwertung gab es Verschiebungen. Nun steht am Mittwoch das nächste schwere Teilstück an. Recht kurz, aber mit mehr als 3300 Höhenmetern eine harte Bergetappe. Denn die ersten 55 Kilometer sind flach, die restlichen 75 km bis zum Ziel heftig. Vier Anstiege müssen dann absolviert werden – der letzte hinauf zum Flugplatz in Peyragudes ist am Ende bis zu 20% steil.

Die Fahrer werden die Anstrengungen der vergangenen Etappen spüren und diese heftige Etappe verzeiht keine Schwäche. Wer hier einen schlechten Tag erwischt, kann schnell Minuten verlieren. Das Rennen am Dienstag zeigte, dass Tadej Pogačar jede Chance zum Angriff nutzt. In der letzten Steigung der 16. Etappe verzichtete er auf einen Angriff – weil Vingegaard noch zwei Helfer hatte und der Weg zum Ziel lang war. Diese 17. Etappe hat im Finale einen anderen Charakter. Die Bergankunft ist lang und schwer. Es ist zu erwarten, dass sich die beiden besten Fahrer dieser Tour de France erneut einen heftigen Schlagabtausch liefern.

Doch diese Etappe hat einen Parcours, der Angriffe weit vor dem Ziel möglich macht. Pogačar und Vingegaard fahren in ihrer eigenen Liga – gegen sie im direkten Duell bergauf ist wohl keiner in der Lage mitzuhalten. Will man probieren, sie in Bedrängnis zu bringen, darf man nicht auf den letzten Anstieg warten. Vielleicht kann man dann sogar die Rivalität des Über-Duos nutzen. Das Team Ineos Grenadiers hat mit Adam Yates und Geraint Thomas zwei starke Fahrer. Yates hat nun bereits mehr als fünf Minuten Rückstand – er könnte durchaus ins Risiko gehen, früh angreifen. Viel Erfolg verspricht dies aber nicht. Denn so wie diese Tour de France bislang abläuft, werden Jumbo-Visma und UAE das Rennen kontrollieren und für ihre Kapitäne schwer machen – sie kämpfen um den Sieg dieser Tour. Wenn Pogačar und Vingegaard sich duellieren, kann keiner der anderen Fahrer folgen. Fahrer wie Nairo Quintana oder David Gaudu würden eine Schwäche des Duos sicher nutzen – für eine risikoreiche „All In Aktion“ weit vor dem Ziel sind ihre Platzierungen in der Gesamtwertung aber wohl zu wertvoll.

Ob es wieder zwei Rennen in einem gibt – also den Kampf um Gelb und den um den Tagessieg, wird sich in der ersten Hälfte der Etappe entscheiden. Nur wenn eine größere Gruppe mit starken Fahrern bis zu den Anstiegen einen größeren Vorsprung herausfährt, können sie sich wohl vorn behaupten. Die Teams der GC-Fahrer werden sicher erneut gern einen Fahrer mit in der Fluchtgruppe platzieren wollen, der dann möglicherweise noch im Finale der Etappe Helferdienste leisten kann. Vor allem in den Flachstücken zwischen den Anstiegen können Helfer sehr wertvoll sein.

Im Kampf um das Bergtrikot wird es ein wichtiger Tag. Simon Geschke konnte am Dienstag enorm wichtige 12 Zähler einfahren, doch er wird die Anstrengungen dieses Tages mit Sicherheit spüren. Die größte Gefahr geht in Sachen Bergtrikot vielleicht sogar von den beiden Über-Fahrern aus. Vingegaard hat nur 22 Punkte Rückstand – an den Bergen der ersten Kategorie gibt es 10 Zähler. Mit Blick auf die Etappe am Donnerstag wird deutlich, dass für Geschke das Rennen besser nicht den Verlauf nimmt, dass die großen Favoriten früh attackieren und an mehreren Bergen ganz vorn liegen. Ideal wäre eine große Gruppe, die vielleicht sogar im Ziel die Bergpunkte wegschnappt. Doch auch dann hat Geschke harte Konkurrenz! Meintjes, Powless, Ciccone und Latour haben das Gepunktete Trikot sicher noch nicht abgeschrieben. Es wird der nächste heftige Tag für Geschke, der bis jetzt einen bravurösen Kampf liefert.

Die Strecke

Karte der 17. Etappe der Tour de France 2022 (©GEOATLAS)

Nach dem Start in Saint-Gaudens geht es zunächst gen Westen. Die Sprintwertung ist nach knapp 33 Kilometern erreicht. Anschließend geht es gen Süden, hinein in die Pyrenäen.

Der erste Anstieg des Tages ist ein Klassiker. Der Col d’Aspin ist ein Berg der 1. Kategorie. Kein Monster aber mit 12 Kilometern doch recht lang. Im unteren Teil noch moderat ansteigend, geht es die letzten 6-7 Kilometer dann an einigen Stellen steiler bergauf. Im Mittelteil für eineinhalb Kilometer mehr als 8% im Schnitt steil – die letzten 3,5 km geht es dann durchschnittlich 7,5% bergan.

Nach einer längeren Abfahrt folgt der zweite Anstieg des Tages. Er ist zweigeteilt und nicht superschwer. Der Hourquette d’Ancizan ist als Berg der 2. Kategorie eingestuft und der leichteste Anstieg des Tages.

Der dritte Anstieg des Tages ist erneut einer der 1. Kategorie. Zum Gipfel des Col de Val Louron-Azet geht es fast 11 Kilometer bergan. Zunächst moderat, aber dann recht steil. Nach dem flachen Beginn geht es für fast sechs Kilometer mit durchschnittlich mehr als 8% bergauf! Diesen Abschnitt sollte man nicht unterschätzen. Die letzten drei Kilometer haben dann nur noch rund 6% Steigung. Will man an diesem Anstieg angreifen, sollte man nicht zu lange warten.

Eine Attacke an diesem vorletzten Berg könnten durchaus einige ins Auge fassen, denn die folgenden Abfahrt ist kurvenreich und steil – gerade im unteren Teil. Schmale Straße, Haarnadeln, verdeckte Kurven – hier können kleine Lücken schnell größer werden. Nach der Abfahrt sind es nur fünf flache Kilometer, ehe es in die Schlusssteigung geht.

Es geht von Westen hinauf in Richtung Gipfel des Peyresoude. Jens Voigt wird sicher wieder die Geschichte erzählen, wie er mit dem gelben Kinderfahrrad von Mavic einige Kilometer an diesem Berg unterwegs war – doch das war die Auffahrt von der anderen Seite.

Die ersten fünf Kilometer sind nicht extrem steil, haben aber doch rund 7% Steigung. Dann biegt man rechts weg und es beginnt der heftige Anstieg zum Flugfeld. Die letzten zwei Kilometer haben 9,3% im Schnitt – die letzten 400 Meter 13%. Kurz vor dem Ziel ist es dann abartig steil. Hier können kleine Lücken schon einige Sekunden Abstand bringen.

Die Bergwertungen
Kat 1 | km 65,7 – Col d’Aspin 12 km à 6,5 %
Kat 2 | km 81,6 – Hourquette d’Ancizan 8,2 km à 5,1 %
Kat 1 | km 109,5 – Col de Val Louron-Azet 10,7 km à 6,8 %
Kat 1 | km 129,7 – PEYRAGUDES 8 km à 7,8 %

Sprintwertung
KM 32,9 – LA BARTHE-DE-NESTE

Die Favoriten

Jubelt erneut ein Ausreißer, oder machen die Top-GC-Fahrer den Tagessieg unter sich aus? Beides ist möglich. Sollte sich früh eine größere Gruppe absetzen können, besteht für einen starken Kletterer durchaus die Chance, sich vorn zu behaupten. Aber sollte es früh zwischen den Favoriten zur Sache gehen, stehen die Chancen für Ausreißer nicht gut. Es kommen aber nur starke Kletterer für den Sieg in Frage. Thibaut Pinot, Michael Storer, Michael Woods, Bob Jungels, Neilson Powless, Tom Pidcock – Fahrer mit ihren Fähigkeiten könnten aus einer Gruppe erfolgreich sein.

Aus dem Feld sind es Pogačar und Vingegaard, die man bei dieser Bergankunft ganz vorn erwarten darf. Auch Nairo Quintana nacht einen starken Eindruck. Er könnte vielleicht vom Duell der beiden profitieren und das zur Attacke nutzen. Für Pogačar und Vingegaard zählt vor allem das Gelbe Trikot – für Quintana wäre ein Etappensieg enorm wertvoll!

***** Thibaut Pinot, Tadej Pogačar
**** Nairo Quintana, Jonas Vingegaard
*** Michael Woods, Neilson Powless, Nick Schultz
** Bob Jungels, Tom Pidcock, Michael Storer
* Caruso, Teuns, Madouas, Ciccone, Uran,

Start: 13:15 Uhr
Ziel: ~17:00 Uhr