Profil der 18. Etappe der Tour de France 2022 (©A.S.O.)

Es ist die letzte schwere Bergetappe dieser 109. Tour de France. Mit 143 Kilometern recht kurz, aber mit mehr als 4000 Höhenmetern ein echtes Brett. Auch wenn die Alpen-Etappe zur Alpe de Huez noch mehr Höhenmeter hatte, für viele Fahrer dürfte dies der schwerste Tag im Rennen sein. Nach all den Anstrengungen der vergangenen drei Wochen nun dieses brutale Teilstück. Drei schwere Anstiege – Col d’Aubisque, Col de Spandelles und die Schlusssteigung nach Hautacam. Eine echte Pyrenäen-Königsetappe.

Es ist auch die Kulisse für den letzten Schlagabtausch der beiden Überflieger. Jonas Vingegaard und Tadej Pogačar kämpfen um den Gesamtsieg bei der Tour de France. Vingegaard hat ein gutes Polster von mehr als zwei Minuten. Aber der Titelverteidiger hat längst noch nicht aufgegeben. Er wird den Dänen ein letztes Mal bei dieser Tour zum Bergtanz bitten. Bislang war Vingegaard souverän, aber nach drei harten Wochen sind große Überraschungen möglich. Der Rest im Feld kämpft auch, aber das Duo an der Spitze fährt in einer eigenen Liga.

Im Kampf um das Bergtrikot hat Simon Geschke ein kleines Polster. Das Über-Duo dieser Tour ist die größte Gefahr. Geht man davon aus, dass einer der beiden im Ziel die 20 Punkte abräumt, muss Geschke vorher punkten. Doch der erste Berg, an dem man Zähler holen kann, ist der Col d’Aubisque. Ein Biest. Will Geschke hier punkten, muss er wohl zuvor den Sprung in die Gruppe schaffen. Definitiv keine Leichte Aufgabe. Aber wenn Geschke tatsächlich am Aubisque unter den Top3 ist, lebt der Traum vom Bergtrikot weiter. Denn dann würde Geschke seinen Vorsprung auf Vingegaard soweit ausbauen, dass dieser schon die beiden anderen Bergwertungen gewinnen müsste, um an Geschke vorbeizuziehen. Alle Theorie, jedes „wenn“ & „würde“ ist aus Sicht von Geschke hinfällig. Sein Ziel ist die erste Bergwertung – dort will er holen, was möglich ist. Soweit die Beine eben tragen, wird der „bärtige Mann im Bergtrikot“ um jeden Meter, jeden Zähler kämpfen.

Würde eine Ausreißergruppe durchkommen und den Tagessieg holen, wäre das für Geschke ideal. Ganz ausgeschlossen ist das nicht, denn die ersten Kilometer der Etappe sind flach. Doch sollten die beiden Überflieger dieser Tour erneut solch ein Rennen liefern, wie am Mittwoch, darf man wohl davon ausgehen, dass sie am Ende auch um den Tagessieg kämpfen.

Interessant wird es auch zwischen Rang vier und Rang neun – hier liegen Quintana, Gaudu, Bardet, Meintjes und Vlasov eng beisammen. Ein Platz in den Top5 der Tour ist für jeden von ihnen ein Erfolg – man darf auch dort mit einem Rennen im Rennen rechnen.

Die Strecke

Nach dem Start geht es zunächst flach gen Westen. Dann südwärts zur Sprintwertung – die nach 58 Kilometern erreicht ist. Anschließend beginnt die Kletterei. Der erste Anstieg ist eine Tour-Legende.

Der Col d’Aubisque ist ein echter Klassiker. Einer der ersten schweren Berge der Tour de France – 1910 zum ersten Mal im Parcours. Inzwischen legendär und von TV-Kommentatoren und von vielen Schreibenden mit Schleifchen verpackt ist die Geschichte von Octave Lapize, der am Aubisque die Streckenplaner als „Mörder“ beschimpfte.

Der Berg ist wirklich schwer und lang! Mehr als 16 Kilometer bei 7% im Schnitt. Unten noch moderat, die letzten 8 Kilometer dann mächtig steil.

Nach dem Anstieg folgt eine fast 23 Kilometer lange Abfahrt mit einer kurzen Gegensteigung – zum Gipfel des Soulor. Rund 43 Kilometer vor dem Ziel beginnt dann das Finale dieser Etappe.

Der Col de Spandelles ist lang und steil – er ist neu bei der Tour de France! „Nur“ 1. Kategorie, aber ein echt unangenehmes Ding. 10 Kilometer lang, mehr als 8% im Schnitt – in den Kehren immer wieder auch zweistellige Steigungsprozente.

Schmale Straße, viele Kurven – wer sich hier absetzen kann, entschwindet schnell aus dem Blickfeld der Verfolger.

Der letzte richtige Berg der Tour de France. HC-Kategorie. 13,6 km, 7,8%. Die letzten sechseinhalb Kilometer haben achteinhalb Prozent im Schnitt. Ein übles Berg-Finale dieser Tour. Ein Berg, der für Triumphfahrten, aber auch Dramen die perfekte Kulisse bietet. Schwer genug, aus einer kleinen Schwäche eines Fahrers ein Desaster zu machen.

Bergwertungen
Kat HC | km 76,7 – Col d’Aubisque 16,4 km à 7,1 %
Kat 1 | km 110 – Col de Spandelles 10,3 km à 8,3 %
Kat HC | km 143,2 – Hautacam 13,6 km à 7,8 %

Sprintwertung
KM 58,5 – LARUNS

Die Favoriten

Als Sieger für diese Etappe kommt nur ein guter Kletterer in Frage. Möglicherweise werden die beiden großen Kontrahenten um Gelb auch um den Tagessieg kämpfen. So wie es am Mittwoch der Fall war. Doch es haben auch Ausreißer eine Chance durchzukommen. Formiert sich früh eine größere Gruppe, kann diese vielleicht bis zum ersten Anstieg einen ordentlichen Vorsprung herausfahren. Das Team Jumbo-Visma kann sich voll auf die Verteidigung von Gelb konzentrieren, und UAE hat nur noch wenige Fahrer im Rennen. So könnten Ausreißer mit reichlich Vorsprung in den ersten Anstieg des Tages gehen.

Starke Fahrer, die aus einer Ausreißergruppe diese Etappe gewinnen könnten, gibt es einige. Bob Jungels beispielsweise. Aber auch Thibaut Pinot, Matteo Jorgenson oder Carlos Verona. Michael Storer, Valentin Madouas, Michael Woods oder Patrick Konrad sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Ein ganz heißer Tipp wäre auch Nick Schultz. Rigoberto Urán, Giulio Ciccone oder Alexey Lutsenko sehen hier vielleicht auch die letzte Chance auf den Etappensieg.

Kämpfen die beiden Überflieger um den Tagessieg, wird wohl die Tagesform entscheiden. Oder ist Vingegaards Polster groß genug, dass es ihm reicht, an Pogačars Hinterrad in Ziel zu fahren? Wahrscheinlich nicht.

***** –
**** Jonas Vingegaard
*** Tadej Pogačar
** Nick Schultz, Thibaut Pinot, Alexey Lutsenko, Michael Woods
* McNulty, Thomas, Bardet, Jungels, Konrad, Gorßschartner, Jorgenson, LL.Sánchez, Storer,

Start: 13:15 Uhr
Ziel: ~17:15 Uhr