Home Nachrichten Vuelta 2022: Die Favoriten auf den Gesamtsieg der 77. Spanien-Rundfahrt

Vuelta 2022: Die Favoriten auf den Gesamtsieg der 77. Spanien-Rundfahrt

Drei Mal in Folge siegte Primož Roglič bei der Vuelta – doch in diesem Jahr sind vielleicht eher andere Fahrer die Top-Favoriten auf den Titel.

1 Primož Roglič – Sieg Nummer 4?

Primoz Roglic

Drei Mal in Folge hat Primož Roglič die Spanien-Rundfahrt gewonnen – beeindruckend! Doch die Vuelta ist die einzige Grand Tour, die der Slowene gewinnen konnte. Bei der Tour 2020 wurde er kurz vor Schluss von Tadej Pogacar im Zeitfahren aus dem Trikot gefahren, 2021 musste er die Tour früh nach einem Sturz aufgeben. Jeweils war die Vuelta anschließend das Alternativ-Ziel und Roglič holte sich mit beeindruckenden Leistungen den Gesamtsieg.

In diesem Jahr ist er wieder bei der Tour de France ausgeschieden, wegen der Nachwirkungen eines Sturzes auf der fünften Etappe. Die Vorzeichen für die Vuelta sind in diesem Jahr aber andere, als in den vergangenen beiden Jahren. Denn Roglič konnte nach seiner Aufgabe bei der Tour kein Rennen fahren. Sein Start bei der Spanien-Rundfahrt war bis zuletzt unsicher, hieß es zumindest. So ist der Titelverteidiger etwas eine Wundertüte. Ist er fit, kann er erneut um den Gesamtsieg mitfahren.

Das TTT zum Auftakt liegt seiner Mannschaft. Das flache lange Zeitfahren an Tag 10 liegt ihm sehr. Dass er bei den kürzeren Anstiegen seine Explosivität gut ausspielen kann, hat er mehrfach bewiesen. Doch wie fit ist er wirklich? Das wird das Rennen zeigen.

Prognose: Wundertüte!

2 Simon Yates – gute Erinnerungen als Motivation?

Simon Yates

Im Jahr 2018 sah Simon Yates lange wieder Girosieger aus. Dann brach er ein und wurde durchgereicht. Er hatte mit den Kräften nicht gut gehaushaltet. Bei der Vuelta einige Monate später machte er es exzellent und holte sich clever und souverän den Gesamtsieg. Auch in diesem Jahr war er vor dem Giro in guter Form, stürzte dann aber und musste sehr zeitig alle Ambitionen im Kampf um den Gesamtsieg begraben. Nun hat er sich erneut auf die Vuelta vorbereitet und kommt sicher mit guten Erinnerungen zur Spanien-Rundfahrt.

Der Parcours dürfte ihm liegen. Übersteht er die hektischen ersten Tage gut, kann er im weiteren Verlauf seine Qualitäten ausspielen. Vor allem die schweren Etappen in Nordspanien sollten nach seinem Geschmack sein. Er hat ein gutes Team an seiner Seite und darf sich im Kampf um das Podium Hoffnungen machen.

3 Remco Evenepoel – drei Wochen Top-Niveau?

Remco Evenepoel

Remco Evenepoel ist eines der ganz großen Talente des Radsports. Doch ob er auch ein GrandTour-Fahrer ist, muss er noch beweisen. Seine Form ist sicher sehr gut, bei der Clasica San Sebastian beeindruckte er. Das belgische Wunderkind ist erst 22 Jahre alt, hat aber bereits 33 Profisiege, davon 9 Etappenrennen. Ein Monument hat er ebenfalls bereits gewonnen. Und dies alles, obwohl er zwischendrin wegen eines schweren Sturzes fast ein Jahr verloren hat.

Was bei vielen 22-Jährigen ein unfassbarer Erfolg wäre, wird bei Remco als „normal“ eingestuft. Die Erwartungshaltung an den jungen Belgier ist riesig. Enorm ehrgeizig ist Evenepoel getrieben, will sich selbst und der ganzen Welt beweisen, dass er zur Weltspitze gehört. Irgendwann auch in Sachen Grand Tours.

Der erste Test als Drei-Wochen-Rundfahrer beim Giro 2021 war schwierig, wegen der komplizierten Vorbereitung nach dem Sturz in der Lombardei. Evenepoel beendete den Giro nicht. Nun will er bei der Vuelta angreifen – seiner zweiten Grand Tour. Der Parcours sollte ihm liegen, doch kann er über drei Wochen konstant Top-Leistungen zeigen? Die Antwort wird er selbst geben.

Prognose: Er wird auch mit einem schwächeren Tag die Chance auf die Top10 haben, wenn er gesund durchkommt.

4 João Almeida – das erste GT-Podium?

Joao Almeida

Der Portugiese hat den Giro bereits als Vierter und als Sechster beendet. Er ist im Zeitfahren stark und scheint auch am Ende einer Grand Tour nicht schwächer zu werden. Almeida hat einen unspektakulären Fahrstil – in den Anstiegen wird er zunächst oft abgehängt, kommt dann aber zurück und landet weit vorn. Er ist ein Fahrer, der es physisch und mental wegstecken kann, wenn er abgehängt wird. Er scheint aber nicht der umgänglichste Fahrer im Peloton zu sein.

Almeida hat große Qualitäten, tritt sehr selbstbewusst auf und ist ehrgeizig. Seine Form ist sehr gut, das hat er bei der Burgos-Rundfahrt bewiesen. Seine UAE-Mannschaft ist ebenfalls stark und man darf gespannt sein, was für den 24-Jährigen möglich ist.

Prognose: Die Konkurrenz ist stark, aber wenn er ohne größere Probleme durchkommt, ist sogar das Podium drin.

5 Enric Mas – wieder aufs Podium?

Enric Mas

Als Enric Mas 2018 die Vuelta überraschend auf dem Podium beendete, wurde er zur neuen großen GC-Hoffnung der Spanier. Wann würde der Kletterer sein erste Grand Tour gewinnen können? Tritt er das Erbe seines Idols Alberto Contador an? Doch in der Folge fehlte es Mas an Beständigkeit, um tatsächlich die Chance auf Grand-Tour-Titel zu haben. Er fuhr gut, mehrfach in die Top10 bei großen Rundfahrten, aber seit 2018 nur ein weiteres Mal aufs Podium bei einer der großen Rundfahrten – im vergangenen Jahr bei der Vuelta.

Mas hat sich langfristig an das Team Movistar gebunden, ist dort der GC-Leader. Er ist eine der Figuren, die dem zuletzt arg gebeutelten Team Kontinuität geben soll, auch in der Nach-Valverde-Zeit. Doch das bringt eine Menge Druck mit sich. Mas hat ohne Frage enormes Talent und beeindruckende Qualitäten, doch es fehlt an Konstanz. Zudem scheint er von der Erwartungshaltung von Fans und Medien zuweilen genervt.

Bei dieser Vuelta wird er doppelt Druck verspüren, denn das Team muss noch einige UCI-Zähler holen, will man mit der Relegation nichts zu tun haben. Das geht am Besten über eine Top-GC-Platzierung bei der Vuelta. Doch seit seinem Aus bei der Tour nach einem positiven Coronatest ist Mas kein Rennen mehr gefahren. Wie gut ist die Form? Ist er überhaupt fit und bereit um das GC zu kämpfen?

Prognose: Das Rennen wird zeigen, wie fit er ist. Sollte er bei 100% sein, ist das Podium möglich.

6 Sergio Higuita – Grand-Tour-Fahrer?

Sergio Higuita

Für Sergio Higuita gilt, wie auch bei Remco Evenepoel, dass man abwarten muss, wie gut er über drei Wochen seine Leistung abliefern kann. Anders als der Belgier hat Higuita schon zwei Grand Tours beendet, war bereits 2019 Vierzehnter. Doch der Kampf um ein Top5-Resultat ist eine andere Geschichte, als das Rennen damals.

Higuita ist ein starker Kletterer und sehr explosiv – das wird ihm bei dieser Vuelta-Strecke sicher helfen. Aber er muss die ersten Tage überstehen, wenn es hektisch und vielleicht auch windig wird. Für den kleinen Kolumbianer hilfreich ist, dass er zwei Co-Leader im eigenen Team hat. Der Druck verteilt sich. Er kann das „GC-Projekt“ recht locker angehen, muss nicht allein die Erfolgslast tragen.

Prognose: Kommt Higuita schadlos durch die ersten Tage, kann er in die Top5 fahren. Doch sollte einer seiner Teamkollegen ums Podium kämpfen, muss er in die Helferrolle schlüpfen und das eigene Resultat hintanstellen.

7 Richard Carapaz – Ineos-Leader?

Richard Carapaz stand schon bei allen drei Grand Tours auf dem Podium. Den Giro hat er bereits gewonnen, in diesem Jahr war er wieder nah dran, musste dann aber das Rosa Trikot am letzten Anstieg an Jai Hindley abgeben. Nun kommt Carapaz zur Vuelta, vielleicht die letzte Rundfahrt im Ineos-Trikot.

Seit dem Giro ist er nur die Polen-Rundfahrt gefahren – vom Ergebnis dort sollte man nicht all zu viel ableiten, aber die Frage bleibt, ob er der Kapitän seines Teams sein wird. Denn mit dem zuletzt sehr starken Pavel Sivakov, Ex-Giro-Champion Tao Geoghegan Hart und Aufsteiger Carlos Rodríguez hat man drei weitere Top-Fahrer dabei.

Für Carapaz spricht seine Erfahrung und seine Explosivität. Er wartet nicht lange ab, er greift an. Doch will er Leader sein, muss er von Beginn an Top-Leistung bringen.

Prognose: Ist Carapaz tatsächlich in Top-Form, wird er im Kampf um das Podium eine Rolle spielen.

8 Pavel Sivakov – GC-Chance?

Pavel Sivakov galt früh als eines der ganz großen Talente und künftiger Grand-Tour-Champion. In den Nachwuchsklassen hat er die ganz großen Etappenrennen gewonnen und wirklich beeindruckt. Auch bei den Profis hat er bereits einige Siege eingefahren – Polen-Rundfahrt, Tour of the Alps, zuletzt die Burgos-Rundfahrt. Doch der groß gewachsene Franzose war bei den Grand-Tours meist in der Helferrolle. Im Jahr 2019 durfte er beim Giro viel auf eigene Rechnung fahren und landete in den Top10 – eine gute Leistung für den damals 21-Jährigen.

Sivakov ist eine Maschine, doch wegen seiner Körpergröße etwas schwerer als die Bergflöhe im Peloton. Man darf gespannt sein, wie gut er bei diesem Vuelta-Parcours zurecht kommt. Zudem stellt sich die Frage, ob er tatsächlich der Kapitän des Teams sein wird – die Kollegen Carapaz und Geoghegan Hart haben bereits Grand Tours gewonnen. Vermutlich wird sich im Rennen schnell zeigen, wer bei Ineos der stärkste Mann ist. So wie Sivakov in Burgos fuhr, könnte das er sein.

Prognose: Ist er der Leader des Teams, kann er in die Top5 fahren, wenn er gut durch kommt.

9 Jai Hindley – Giro + Vuelta?

Jai Hindley – Girosieger 2022

Den Giro hat Jai Hindley gewonnen, vor allem bergauf beeindruckt. Er hat eine Pause eingelegt, dann die Vorbereitung neu aufgenommen und kommt nun in guter Form zur Vuelta. Die Strecke sollte ihm liegen, auch wenn die Zeitfahren sicher anderen Fahrern & Teams eher entgegenkommen.

Hindley ist bei Bora-hansgrohe einer von drei Kapitänen. Aber er hat nach dem Girosieg keinen Druck und kann mental befreit auftrumpfen. Bei der Burgos-Rundfahrt wirkte er stark, scheint wirklich wieder in Top-Form zu kommen.

Prognose: Kommt Hindley gut durch die ersten Tage, ist ihm auch im Kampf um das Podium einiges zuzutrauen.

10 Miguel Angel Lopez – Revanche?

Miguel Angel Lopez

Drei Mal landete „Superman“ Lopez bei der Vuelta bereits in den Top10, stand 2018 auf dem Podium. Auch im vergangenen Jahr lag er drei Tage vor Schluss auf Podestkurs. Doch dann verpasste er eine Gruppe, wurde abgehängt und verließ entnervt das Rennen. Es folgte die Trennung vom Team Movistar nach der Vuelta und der Neustart beim „alten“ Team Astana.

Zur Vuelta 2022 kommt Lopez in guter Form, war bei der Burgos-Rundfahrt stark. Kann er Revanche nehmen, für den unrühmlichen Abgang 2021? Vielleicht. Die Strecke liegt ihm nur bedingt. Das lange Einzelzeitfahren ist nicht nach seinem Geschmack, der Aktakt in den Niederlanden sicher auch weniger. Dafür sollte ihm die lange Bergankunft in der dünnen Luft der Sierra Nevada sehr entgegenkommen.

Prognose: Kommt er gut durch die ersten Tage und gelingt ihm ein solides Einzelzeitfahren, kann er auch in dem Kampf um das Podium eingreifen. Dass man ihn ganz sicher an das vergangene Jahr erinnern wird, muss er ausblenden und die Nerven im Griff behalten.

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