Das Team Saris Rouvy Sauerland ist auch 2022 wieder bei der Deutschland Tour mit dabei. Nachdem das Team auf der ersten Etappe von Weimar nach Meiningen bereits mit Michiel Stockman in der Gruppe des Tages vertreten waren, lag auch in der zweiten Etappe der Fokus darauf, vorne mitzufahren. Während des Rennes war dementsprechend viel zu tun für Teamchef Jörg Scherf und seine Leute.
12 Uhr in einer kleinen Seitenstraße in Weimar. In einer halben Stunde startet die zweite Etappe der Deutschland Tour 2022. Das Continental Team Saris Rouvy Sauerland darf sich an fünf Renntagen mit den WorldTour-Teams messen. Jetzt versammeln sich nochmal alle Fahrer vor dem Camper des Teams und gehen die Taktik für die Etappe durch. Der Sportliche Leiter Wolfgang Oschwald gibt letzte Anweisungen. Auch die Teamchefs Jörg Scherf und Heiko Volkert und Mechaniker Sven Schrankel stehen bei den Fahrern. Es werden ein paar Witze gemacht, Oschwald redet seinen Fahrern noch einmal gut zu: „So Leute, heute Gruppe!“ Um sich zu präsentieren ist es für das Team wichtig, auch heute wieder in der Ausreißergruppe mit dabei zu sein. Wer genau diese Aufgabe übernehmen soll, steht noch nicht fest. Ein letzter Blick ins Roadbook, ein kurzer Check ob die Funkgeräte klappen, dann müssen die Fahrer auch schon zum Start rollen. Nochmals schwört Oschwald sie ein: „Männer, ich will euch in der Gruppe sehen!“
Dann geht es los. Das Fahrerfeld ist gestartet, schnell steigt auch Jörg Scherf mit Mechaniker Sven Schrankel in den Teamwagen. Hinter ihnen reiht sich Wolfgang Oschwald mit dem zweiten Teamauto ein. Neben Schrankel liegen noch einige Laufräder auf dem Rücksitz, daneben steht das Funkgerät für den Tour-Funk. Am Rückspiegel hängt das Funkgerät für den Teamfunk. Schnell noch ein Anruf bei Wolfgang im hinteren Auto. Der Security-Mann öffnet das Absperrgitter. Zügig reiht sich Jörg Scherf ein, dann geht es mit Vollgas hinter den anderen Teamautos her, durch Weimar, in Richtung Mellingen, wo die Rennleitung den scharfen Start gibt.
Noch ist die Stimmung gelassen. Wieder ein Griff zum Roadbook, schnell noch einmal die Strecke einprägen. Scherf und Schrankel diskutieren, wer von den Fahrern es denn heute in die Gruppe schaffen könnte. Michiel Stockman war es gestern, fuhr lange in der Ausreißergruppe mit. Trotz Scherzen und Vorfreude merkt man den beiden die Anspannung an. Heute muss es einfach klappen. Ein Fahrer vom Team Sauerland muss in die Gruppe. Wieder ein Anruf bei Wolfgang Oschwald im hinteren Auto. Wenn die Gruppe des Tages weg ist, man einen Fahrer dabei hat, soll Scherf mit dem ersten Wagen hinterherfahren, Oschwald kümmert sich dann um ihre Fahrer im Feld.
Dann hört man über den Tour-Funk: „Attack…Breakaway…“. Vier Fahrer haben sich abgesetzt. „Wer ist dabei? Ist einer von uns dabei?“, Scherf wirkt jetzt hektisch. Die Zeit bis der Kommisär über Funk die Nummern der Ausreißer durchgibt steigert die Anspannung. Das Team Sauerland hat die Startnummern 191 bis 196. „103 Kretschy, 175 Munton, 182 Hugge, 192 Borresch“, kommt aus dem Tour-Funk. Julian Borresch ist dabei. Erleichterung.
Doch es dauert nicht lange und eine Verfolgergruppe entsteht. Man hört Oschwald über den Teamfunk mit Julian Borresch sprechen: „Da kommen welche hinterher. Lass die aufschließen.“ Ein paar Kilometer später wird die Ausreißergruppe gestellt. Scherf wählt wieder Oschwalds Nummer. „Die sollen dranbleiben, wenn jetzt nochmal eine Gruppe fährt, müssen wir dabei sein“, sagt Oschwald und legt auf.
Über den Teamfunk hört man ihn jetzt sagen: „Männer, wenn jetzt gesprungen wird, mitfahren, dranbleiben!“ Für kurze Zeit wird die Stimmung wieder lockerer, Scherf unterhält sich mit Sven Schrankel, der auf dem Rücksitz auf seinen Einsatz als Mechaniker wartet. Kurz können die beiden die Strecke genießen, bei der nächsten Kurve erkennt man weit vorne das Peloton. Dahinter die Kolonne mit dem Teamfahrzeugen. Am Rand der Strecke stehen immer wieder Zuschauer. Scherf hupt ihnen zu und die Zuschauer winken begeistert zurück.
Wieder knackt das Funkgerät mit dem Tour-Funk: „Breakaway.“ Scherf richtet sich auf: „Sind wir drin?“ Anruf bei Oschwald: „Wir sind drin, oder?“ Wieder werden die Nummern durchgegeben. Niemand vom Team Sauerland ist dabei. „Ach, Scheiße!“, regt sich Jörg Scherf auf. Anruf bei Oschwald. Der sagt zu Scherf: „Mach mal eine Ansage! Da muss jetzt was passieren!“ Scherf greift zum Gerät des Teamfunks: „Jungs, wir haben genau drei Tage, um uns zu zeigen. Wenn wir den heutigen Tag verpassen, ist das echt scheiße.“ Von den Fahrern kommt keine Reaktion. Alle sind angespannt. Es muss heute noch ein Fahrer des Teams in die Ausreißergruppe. Weder Schrankel auf dem Rücksitz noch Scherf wissen, wie die Lage im Feld ist. Der Tour-Funk bleibt stumm. Wieder greift Jörg zum Funkgerät und fragt bei seinen Fahrern nach: „Kann mal bitte jemand Meldung machen, wo wir sind?“ Er bekommt keine Antwort.
Dann heißt es, dass ein Fahrer die Verfolgung aufgenommen hat und versucht, die Ausreißergruppe einzuholen. Es ist Abram Stockman, einer von Scherfs Fahrern. Über Funk nimmt Jörg Kontakt mit ihm auf: „Los fahr, der Abstand wird immer kleiner. Go!“ Wieder sind alle konzentriert. Jetzt kommt es drauf an. Das ist die letzte Chance für das Team einen Fahrer in die Gruppe des Tages zu bringen. Immer wieder feuert Jörg Scherf Abram über Funk an: „Los, los, los!“ Es dauert. Der Abstand wir kleiner, aber Abram muss sich anstrengen. Dann endlich: Abram Stockman hat die Ausreißergruppe eingeholt. Scherf entspannt sich. Die Anspannung fällt von ihm ab. Der Abstand zum Feld beträgt jetzt mehr als drei Minuten. Noch 170 Kilometer bis zum Ziel. Der Plan ist aufgegangen.
Die Gruppe kann sich lange an der Spitze des Rennens halten, sind mit den Logos der Sponsoren viele Minuten live im Fernsehen zu seinen. Am Ende werden die Ausreißer wie erwartet eingeholt. Andere Teams machen die ersten Plätze unter sich aus, mit Alexander Kristoff gewinnt einer der besten Fahrer der Welt.
Abram Stockman konnte die erste Sprintwertung gewinnen und hält sich bis knapp 40 Kilometer vor dem Ziel an der Spitze des Rennens. Der beste Fahrer des Teams Saris Rouvy Sauerland ist am Ende Johannes Adamitz auf Platz 23. Aber alle sind glücklich. Natürlich wäre eine TopTen Platzierung super gewesen. Eine kleine Hoffnung, dass die Ausreißergruppe vielleicht doch durchkommt, war nur kurz aufgeblitzt. Aber das Team war präsent, der Plan, in die Gruppe des Tages zu gehen hat geklappt.
Jörg Scherf freut sich für seine Jungs. Er fährt in Marbach mit dem Teamwagen über die Ziellinie, seine Fahrer sind schon auf dem Weg zum Camper, der wieder in einer kleinen Seitenstraße parkt. Überall stehen die Teambusse, die Straße ist mit dem Auto kaum passierbar. Aber Scherf und Schrankel können die letzten Meter dieses Renntages genießen. Schnell wird noch ein Bild von Filippo Ganna gemacht, der bis vor der Etappe noch an der Spitze des Gesamtklassements stand.
Beim Teamcamper angekommen, verteilt Jörg Scherf erstmal Handschläge und Umarmungen. Der Plan für heute hat geklappt, die Anspannung für heute ist vorbei. Zwei Tage bleiben nach dem dritten Teilstück noch, bei der Deutschland Tour 2022. Ab ins Hotel. Regenerieren, die Energiespeicher wieder auffüllen und am nächsten Tag wieder angreifen – denn mindestens ein Trikot in der Spitzengruppe soll das vom Team Saris Rouvy Sauerland sein.