Angriffs-Modus: Primož Roglič hängt Remco Evenepoel an
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Remco – eine Fahrt mit der Mental-Achterbahn

In die zweite Woche der Vuelta startete Remco Evenepoel famos. Er dominierte das Zeitfahren und baute seinen Vorsprung aus. Er wirkte extrem stark, sehr souverän. Doch dann stürzte er auf Etappe 12. Eine Unachtsamkeit, ein unnötiger Sturz. Er beendete die Etappe souverän, doch ein Sturz bleibt meist nicht folgenlos, auch wenn er glimpflich ausgeht. Meist zeigt sich. die Reaktion erst 1-2 Tage später im Rennen. Der Körper ist ohnehin am Limit, der Regeneration wird zwischen den Etappen alles untergeordnet. Schürfwunden sind eine Extra-Baustelle für den Körper am Limit. Evenepoel hatte sichtlich Schmerzen an den Händen. Der Belgier ist fast nie mit Handschuhen unterwegs. Am Tag nach dem Sturz trug er welche. Sie hätten ihn gestört, sagte er nach dem Rennen, ließ sie dann wieder weg. Zum anderen führt ein solcher Sturz unweigerlich vor Augen, wie schnell es gehen kann. So stark und überlegen man zu sein scheint – ein kleiner Fehler kann alles zu Nichte machen. Auch dies trägt zum großen Druck eines GC-Fahrers bei.

Welche Rolle Evenepoels Sturz für seine Schwäche auf der 14. Etappe gespielt hat, bleibt Spekulation. Er selbst sprach während der Pressekonferenz am Montag davon, dass er die Auswirkungen in der Muskulatur spürte, nicht richtig die Kraft auf die Pedale bekam. Für Evenepoel war das Finale der 14. Etappe ein echter Härtetest. Abgehängt, angeknockt. Doch er brach nicht zusammen. Er berappelte sich, kämpfte bis ins Ziel und büßte weniger als eine Minute ein. In der Niederlage war das ein Erfolg – mental sicher ebenfalls herausfordernd, denn er wusste, was ihn bei der Ankunft in der Sierra Nevada erwarten würde. Die Konkurrenz wollte seine Schwäche ausnutzen.

Doch die Königsetappe wurde für Evenepoel nicht zum Desaster. Im Gegenteil. Er wurde früh gefordert, musste lange das Tempo machen und verlor am Ende nur einige Sekunden. Er wusste nicht, wie sein Körper in der großen Höhe reagieren würde, sagte er am Montag. Er wollte es vermeiden über das Limit zu gehen, aus Angst, zu explodieren. Er explodierte nicht, verlor nur wenig Zeit. Das war vielleicht sogar ein bedeutungsvoller „Sieg“, denn er hatte nach der Schwäche am Samstag eine erneute Niederlage abgewendet.

Mental war diese zweite Woche für Evenepoel eine Achterbahnfahrt. Das Mega-Zeitfahren, dann der Sturz. Souverän in Peñas Blancas, der Einbruch in der Sierra de la Pandera. Doch er schließt die Woche mit einem positiven Erlebnis ab – dem guten Rennen auf der Königsetappe.

Evenepoel sagte nach der 15. Etappe, dass die Berge, die in der Schlusswoche kommen, nicht ganz so heftig sind. Damit liegt er richtig. Die ganz steilen Rampen kommen nicht mehr. Doch das Terrain der dritten Woche sollte kein Fahrer unterschätzen. Zwei Etappen mit rund 4000 Höhenmetern stehen noch an. Dazu gibt es Anstiege im Verlauf der Etappen, die eine frühe Attacke möglich machen. Evenepoel hatte am Sonntag sein Team perfekt nutzen können. Zwei Fahrer waren in der Gruppe des Tages und konnten im Finale helfen. Doch so leicht wird das in der letzten Woche vielleicht nicht klappen. Er lobt seine Teamkollegen, so wie es der Kapitän tun muss.

Evenepoel scheint seine Krise überstanden zu haben, doch bis zum Sieg ist es noch ein sehr langer Weg. Er hat ein kleines Polster auf Primož Roglič und Enric Mas. Doch wird Woche drei auch zur Achterbahnfahrt, kann es ganz eng werden.

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