Die Lombardei-Rundfahrt ist das letzte ganz große Rennen der Saison. Das letzte Monument des Jahres. Das “Rennen der fallenden Blätter” ist einer der großen Klassiker mit langer Tradition. Zum 116. Mal wird das Rennen ausgetragen. Die Strecke verändert sich immer ein wenig, doch der Charakter bleibt stets erhalten – es ist ein langes, bergiges und schweres Rennen für absolute Top-Fahrer. Im vergangenen Jahr führte der Parcours von Como nach Bergamo, in diesem Jahr ist es wieder andersrum. Mehr als 4500 Höhenmetern hat das 253 Kilometer lange Rennen – ein echtes Brett.
In der Startliste tauchen die Namen der besten Kletterer und Spezialisten der hügeligen Klassiker auf. Titelverteidiger Tadej Pogačar, Adam Yates, Daniel Felipe Martinez, Aleksandr Vlasov, Julian Alaphilippe, Romain Bardet, Bauke Mollema, Toursieger Jonas Vingegaard, Rigoberto Uran, Jakob Fuglsang, Guillaume Martin, Mikel Landa, Damiano Caruso, Pierre Latour, Clément Champoussin, Warren Barguil, Simon Geschke, …
Für zwei Legenden des Radsports ist es die große Abschiedsfahrt – Vincenzo Nibali und Alejandro Valverde. Vor allem für Nibali dürfte es in seiner Heimat ein emotionaler Tag werden. Der 37-Jährige hat die Lombardei-Rundfahrt zwei Mal gewonnen – 2015 siegte er spektakulär mit einer Attacke in der Abfahrt vom Civiglio. Auch 2017 siegte „der Hai von Messina“ als Solist – hängte in der Abfahrt vom Civiglio Begleiter Thibaut Pinot ab und sorgte wieder bergab für die Entscheidung.
Der Spanier Valverde war drei Mal Zweiter bei der Lombardei-Rundfahrt, konnte das italienische Monument jedoch nie gewinnen. Nach 20 Profi-Jahren, mehr als 130 Siegen tritt der 42-Jährige ab. Valverde ist einer der wenigen Radsportler, der vor und nach einer abgesessenen Dopingsperre über einen langen Zeitraum erfolgreich fuhr. Valverde war in den Dopingskandal Fuentes verwickelt, kehrte nach der Sperre aber zurück und zeigte über Jahre eine sehr gleichbleibende Leistung auf sehr hohem Niveau.
Die Strecke
Nach dem Start in Bergamo geht es in Richtung Val Seriana. Zunächst flach, dann durchaus wellig. In der Vergangenheit wurde oft der Colle Gallo angesteuert, in diesem Jahr aber nicht. Mit Forcellino di Bianzano (Valle Rossa), Ganda, dem Passo della Crocetta in Dossena, dem Forcella di Bura und dem Colle di Berbenno sind während der ersten 120 Kilometer fünf Anstiege zu meistern und das Rennen beginnt recht anspruchsvoll.
Dann folgt ein flacher Abschnitt und es geht entlang des Comer Sees – von Lecco in Richtung Bellagio. Dann steht rund 70 Kilometer vor dem Ziel der legendäre Anstieg hinauf zur zur Madonna del Ghisallo an – eines der Wahrzeichen dieses Rennens.
Es ist ein langer und durchaus schwerer Anstieg. Im unteren Teil ist es sehr steil, die Straße ist schmal und es gibt einige enge Haarnadelkurven. Nach rund dreieinhalb Kilometern setzt der Anstieg ab, es gibt ein Flachstück und sogar eine leicht abfallende Passage.
Die letzten knapp zwei Kilometer geht es dann wieder durchaus steil hinauf. Am Gipfel steht die berühmte Wallfahrtskirche deren Glockenläuten erklingen wird.
Danach folgt eine sehr schnelle Abfahrt über lange Geraden, die in Maglio endet. Anders als in der Vergangenheit wird im Anschluss nicht der steile Sormano-Anstieg gefahren, sondern es geht von Osten nach Como. Dann geht es auf einen 22-Kilometer langen Rundkurs – zunächst über den San Fermo della Battaglia und zurück nach Como. Anschließend geht es zum steilen Civiglio-Anstieg. Nach der schnellen Abfahrt geht es zurück durch Como und ein zweites Mal den San Fermo della Battaglia hinauf.
Der Civiglio-Anstieg ist mit fast 10% im Schnitt sehr steil. Im oberen Teil gibt es eine Stelle mit 14% – hier haben die Fahrer bereits mehr als 235 Kilometer in den Beinen und spüren die Müdigkeit. In der Vergangenheit wurde hier bereits mehrfach versucht, eine Vorentscheidung zu erzwingen – oft erfolgreich. Nur 16,7 Kilometer sind es vom Gipfel bis ins Ziel – in der Abfahrt ist höchste Aufmerksamkeit geboten!
Das Finale
Die letzten 10 km verlaufen innerhalb der Stadt Como und führen über breite Alleen bis zu einer Eisenbahnunterführung, wo der Anstieg nach San Fermo della Battaglia beginnt. Die Fahrer kennen die Steigung vom ersten Mal und wissen, was auf sie zukommt.
Die Steigung beträgt ist im Schnitt 7 % steil, hat im oberen Bereich eine Passage mit zweistelligen Steigungsprozenten. Nach fast 250 Rennkilometern ist dieser recht kurze Anstieg dennoch eine Herausforderung und gleichzeitig die letzte Chance zur Attacke.
Gut 5Kilometer vor dem Ziel ist der Gipfel erreicht und es geht in die Abfahrt. Auf der breiten, gut asphaltierten Straße, durch zwei gut beleuchtete Tunnel und zwei große Kreisverkehre geht es zum Zentrum von Como. Rund 600 m vor dem Ziel gibt es dann eine letzte große Linkskurve.
Die Favoriten
Der Titelverteidiger ist auch der Top-Favorit in diesem Jahr – Tadej Pogačar. Dem explosiven Slowenen liegt der anspruchsvolle Parcours und er kommt in super Form und mit reichlich Selbstvertrauen in die Lombardei. Beim Sieg am Dienstag bei Tre Valli Varesine wurden Pogačar Qualitäten zuletzt sichtbar. Extrem stark bergauf und zudem sehr endschnell. Mit Formolo, Majka, Ulissi, Almeida und Hirschi hat er zudem exzellente Helfer an seiner Seite, die das Rennen sicher kontrollieren und gestalten können. Pogačar ist der Mann, den es am Samstag zu schlagen gilt.
Einer der Herausforderer ist Toursieger Jonas Vingegaard. Beim CRO Race vor wenigen Tagen holte er Rang zwei, wirkte in guter Form, auch wenn er sicher nicht in der Verfassung vom Juli ist. Will Vingegaard in der Lombardei gewinnen, muss er Fahrer wie Pogačar abhängen, um nicht im Sprint geschlagen zu werden.
In sehr guter Form ist der Spanier Enric Mas. Bergauf extrem stark, wirkte es bei Tre Valli Varesine so, als sei Mas der beste Kletterer – stärker als Pogačar. Doch der Spanier ist nicht extrem endschnell, muss ebenso in die Offensive gehen, will er das Rennen gewinnen.
Ein Fragezeichen darf man hinter die Form von Julian Alaphillipe setzen. Der Parcours liegt dem Franzosen, doch am Ende einer für ihn sehr schwierigen Saison wirkt er nicht in der Verfassung, Mas, Pogačar und Co. folgen zu können, wenn diese bergauf All In gehen.
Das Team Trek-Segafredo schickt Bauke Mollema, Giulio Ciccone und Mattias Skjelmose ins Rennen. Drei starke Fahrer, die jedoch geschickt agieren müssen, um eine Chance auf eine sehr gute Platzierung zu haben. Auch das Team DSM geht mit Romain Bardet, Andreas Leknsessund, Marco Brenner und Thymen Arensman gut aufgestellt ins Rennen. Top-Favoriten sind andere, aber die mannschaftliche Stärke kann helfen, taktisch clever zu agieren.
Auch EF Education-EasyPost und Ineos Grenadiers haben extrem starke Mannschaften am Start. Yates, Rodriguez, Sivakov, Martinez, Geoghegan Hart, Narvaez, Rivera – bei Ineos hat man gleich eine ganze Reihe von Fahrern, denen das Terrain liegt. Im direkten Kampf gegen Pogačar ist wohl Adam Yates die hoffnungsvollste Option. Bei EF sind es wohl Uran, Bettiol, Powless, Padun und Piccolo.
Bei Bora-hansgrohe hat man ebenfalls ein in der Breite starkes Team – Kelderman, Vlasov, Aleotti, Großschartner, Konrad, Fabbro – dazu der endschnelle Sergio Higuita, der sich am Dienstag nur Pogacar im Sprint geschlagen geben musste.
Zum erweiterten Kreis der Favoriten auf eine vordere Platzierung zählen sicher auch Jay Vine, Clément Champoussin, Jakob Fuglsang, Andreas Kron, Pierre Latour, Dylan Teuns, Nick Schultz, Rudy Molard, Damiano Caruso, Matej Mohoric, Lorenzo Rota, Guillaume Martin, Filippo Zana. Auch die beiden Altmeister auf Abschiedstournee sollte man auf dem Zettel haben.
***** Tadej Pogačar
**** Enric Mas
*** Sergio Higuita, Jonas Vingegaard
** Romain Bardet, Vincenzo Nibali, Clement Champoussin, Julian Alaphillipe, Jay Vine, Daniel Felipe Martinez
* MA Lopez, A. Valverde, D. Caruso, B. Mollema, M. Skjelmose, A. Bagioli, A. Vlasov
Start: 10:05 Uhr
Ziel: 17:30 Uhr