Arnaud De Lie

Insgesamt 25 Siege gelangen dem Team Lotto-Soudal, mehr als doppelt so viele, wie im Jahr zuvor. Überhaupt haben nur fünf WT-Teams in diesem Jahr häufiger gewonnen. Mit der Anzahl der Siege wird man vielleicht zufrieden sein, mit der Saisonbilanz insgesamt sicher nicht.
Es war eine schwierige Saison, für die belgische Traditions-Equipe. Vor Saisonbeginn war klar, dass man am Fließband punkten muss, um zumindest noch die Chance zu haben, im Dreijahresranking unter den Top18 zu stehen, somit die WorldTour-Lizenz sportlich sichern zu können. Der Plan für das Jahr 2022 war damit ausgegeben – Punkte sammeln!

Es gelang am Ende nicht, man verpasste Rang 18 und steigt damit (aller Voraussicht nach) aus der WorldTour ab. Dennoch waren die Anstrengungen während der Saison nicht nutzlos – denn als eines der beiden besten ProTeams hat man sich für alle großen Rennen das Jahres 2023 einen Startplatz gesichert. Das ist durchaus ein sehr wichtiger Erfolg für das kriselnde Team.

Veränderungen, ohne Ende

Seit Jahren scheint es so, als stecke das Team in einem Veränderungsprozess fest. Im Jahr 2018 kam Paul De Geyter als Chef ins Team, baute kräftig um. Doch nach einigen Querelen wurde er nach wenigen Monaten wieder abgesetzt. John Lelangue übernahm dann als General Manager. Er wollte das Team in die Erfolgsspur zurückzuführen, setzte ebenfalls auf Veränderung, trennte sich nach und nach auch von etablierten Personen in der Sportlichen Führung, wie zuletzt etwa Herman Frison und Marc Sergeant. Doch die Erfolge stellten sich nicht ein und die Kritik wuchs. Nun wird auch Lelangue das Team verlassen und künftig als Direktor der Polen-Rundfahrt arbeiten.
Wie die künftige Leistung des Teams „Lotto-Dstny“, wie es ab 2023 heißen wird, aussieht, ist noch unklar. Die Hoffnungen, Axel Merckx könne die Führung des Teams übernehmen, waren offenbar groß. Doch so wie es aussieht, tut sich Merckx diese Aufgabe nicht an.

Sportlich hat das Team vor einigen Jahren den Fokus stärker auf die Nachwuchsarbeit gelegt. Mit Erfolg! Florian Vermeersch, Andreas Kron, Sylvain Moniquet, Brent Van Moer, Maxim Van Gils, Harry Sweeny, Sébastien Grignard … viele junge Talente gehören zum Team. Der wohl wertvollste Rohdiamant ist Sprinter Arnaud De Lie. Gerade 20 Jahr jung, fährt er bedeutende Siege ein. Sein Vertrag läuft noch bis Ende 2024 – er wird neben Caleb Ewan einer der wichtigsten Fahrer sein.

Suche nach Konstanz

Nach der schwierigen Zeit mit Umbrüchen und dem Abstieg, wird man versuchen, möglichst schnell in ruhiges Fahrwasser zu kommen und das Team zu stabilisieren. Mit Caleb Ewan hat man den besten Sprinter der Welt im Team, ihm nun mit Jacopo Guarnieri einen exzellenten Anfahrer dazugeholt. Gelingen Ewan bei den Massensprints wichtige Erfolge, nimmt das den Druck vom Rest. Mit den vielen Talenten kann man abseits der Sprintrennen offensiv agieren, die Fahrweise fortsetzen, mit der man bereits für Aufmerksamkeit gesorgt hatte – und zuletzt auch Punkte holte. De Lie ist ein Supertalent, wird ganz sicher erneut erfolgreich sein, wenn er gesund bleibt.

Es wird wohl kein leichtes Jahr für das traditionsreiche Team, doch gelingt es, die Mannschaft zu stabilisieren und auch in Sachen Leitung Konstanz reinzubringen, hat man gute Chancen, sich aus der Krise herauszuarbeiten. Das „Lotto Team“ ist eine Institution im Radsport, die dank der Historie ein großes Standing hat – auch das gilt es zu nutzen, beim Projekt Wiederaufbau.


Die Saisonbilanzen der anderen Mannschaften sind hier gesammelt.