Das Team Ineos hat in der Vergangenheit reihenweise Grand Tours gewonnen. Insgesamt 12 GT-Siege fuhr man in der 12-jährigen Teamgeschichte ein. Allein sieben Mal fuhr man in Gelb nach Paris – mit vier verschiedenen Fahrern! Dazu Siege bei Giro d’Italia und Vuelta. Ohne Frage ist das britische Team die beste Grand-Tour-Mannschaft der vergangenen 10 Jahre.

Im Kader für die Saison 2023 stehen mit Geraint Thomas, Egan Bernal und Tao Geoghegan Hart drei ehemalige GT-Champions. Dazu hat man mit Daniel Felipe Martínez, Thymen Arensman und Carlos Rodríguez drei weitere Fahrer im Team, die bereits in den Top7 bei großen Rundfahrten landeten. Pavel Sivakov beendete ebenfalls eine Grand Tour in den Top10. Qualität ist reichlich vorhanden, doch wie teilt man die sieben potenziellen GC-Fahrer optimal auf die drei GTs auf?

Dickes Fragezeichen

Die Planungen beim Team Ineos hängen sicher sehr stark von der Personalie Egan Bernal ab. Der Kolumbianer arbeitet sich nach dem schlimmen Unfall zu Beginn diesen Jahres zurück. Die Frage ist: Wird er wieder son gut, wie er vor dem Unfall war? Aktuell scheint es so, als wäre das zumindest kurzfristig nicht möglich. Genau wissen wird das aktuell neben Bernal selbst wohl nur die Performance-Abteilung des Teams. Die Einschätzung bezüglich seiner Leistungsfähig beeinflusst die Planung für das Jahr 2023 jedoch immens. Würde Bernal wieder sein altes Level erreichen können, wäre er derzeit wohl der einzige Fahrer, der für Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar eine echte Konkurrenz wäre. Man könnte ihn in Top-Form zur Tour schicken und den beiden Überfliegern des Jahres 2023 einheizen. Doch aktuell scheint es so, als könne man mit dem „alten Bernal“ im Sommer 2023 (noch) nicht rechnen. Das würde auch den Plan für die Grand Tours beeinflussen – denn die Tour ist zwar das wichtigste Rennen, allerdings hat man keinen Fahrer, der auf dem Niveau von Vingegaard und Pogacar ist.

Tourplan

Für das Team Ineos ist die Tour de France viele Jahre das absolute Top-Ziel gewesen. Der Rest der Saison fast egal, gewann man die Grand Boucle. Doch das hat sich verschoben, stärker noch, seit man nicht mehr Sky heißt. Dennoch ist die Tour extrem wichtig, der Podiumsplatz von Geraint Thomas 2022 ein großer Erfolg – denn es war gegen Vingegaard und Pogacar schlicht das Maximum, was möglich war.

Ohne einen Bernal auf altem Level und in Top-Form scheint es bei der Tour 2023 ebenfalls extrem schwer, gegen diese beiden Gelb holen zu können. So kann man den Fokus bei der Tour vielleicht etwas verschieben, nicht alles auf einen Leader im Kampf um die Gesamtwertung setzten, sondern lieber agil, offensiv und mutig agieren. Mit Daniel Felipe Martínez hat man einen exzellenten Bergfahrer, der gern in die Offensive geht. Die Tour de France 2023 hat wenige Zeitfahrkilometer – ganz sicher nicht zu seinem Nachteil.

Würde man Martínez die Rolle des Tour-Kapitäns übertragen, könnte man ihm mit Pavel Sivakov extrem starken Co-Leader an die Seite stellen, der vielseitig ist und weniger offensiv agiert. Dazu kann man ein Team aufstellen, was auf Etappenjagd gehen gehen könnte – Pidcock, Kwiatkowski, Hayter … . Eventuell ist es sogar eine Überlegung wert, den jungen Thymen Arensman mitzunehmen und so zur Tour-Premiere zu verhelfen. Er könnte das Rennen kennenlernen, als Helfer agieren und viel in Sachen Teamwork und Leadership lernen – da hat der Niederländer durchaus Verbesserungspotenzial.

Giro-Fraktion

Stellt man den Tourkader in Sachen GC mit starken Kletteren zusammen, hat man für den Giro – der gleich drei Zeitfahren hat – Optionen. Geraint Thomas ist im Kampf gegen die Uhr exzellent, hat nach seinem bitteren Ausscheiden 2020 hat er zudem noch eine Rechnung offen. Thomas ist sehr konstant mit seinen Leistungen, ein zäher Fahrer und sehr tempohart – der Giro 2023 kommt seinen Fähigkeiten sicher entgegen. Dazu kann man ihm den jungen Carlos Rodríguez an die Seite stellen – dieser kann von Thomas ganz sicher einiges lernen und nach seinem starken Auftritt bei der Vuelta 2022 auch beim Giro zeigen, was er drauf hat. Auch der Spanier ist im Kampf gegen die Uhr sehr stark – der Parcours der Italien-Rundfahrt dürfte ihm liegen.

Stellt sich die Frage, wo man mit Ex-Giro-Champion Tao Geoghegan Hart plant. Es liegt nahe, den Briten als eine der prominenten Figuren des Teams zur Tour zu schicken. Neben Daniel Felipe Martínez könnte er Co-Leader sein, was die Rolle von Sivakov mehr in Richtung Helfer verschieben würde. Der Parcours der Tour passt zudem besser zu Geoghegan Harts Qualitäten, als etwa der Giro. Aber man sollte wohl bedenken, dass die Rad-WM in Glasgow Anfang August für den Briten sicher reizvoll ist. Würde Geoghegan Hart das Giro-Vuelta-Double planen, würde die WM vielleicht sogar etwas besser reinpassen, als die Tour. Die große Hitze mag der Brite zudem nicht so sehr – auch das ein Argument für den Giro.

Vielleicht hängt der Plan für Tao Geoghegan Hart auch mit anderen Entscheidungen zusammen. Kommt Sprinter Elia Viviani wieder in Schwung, könnte er sowohl beim Giro, als auch bei der Tour wertvoll sein. Zeitfahrer Filippo Ganna bekommt beim Giro mehr Chancen (zwei), als bei der Tour. Ein Giro-Kader mit Thomas, Rodríguez, Geoghegan Hart und Ganna klingt nicht unrealistisch.

Bleibt die Frage nach dem Plan für die Vuelta. Thomas und Martínez können zwei Grand Tours auf Top-Niveau bestreiten. Dazu wäre die Spanien-Rundfahrt vielleicht eine gute Möglichkeit für Egan Bernal, wieder zu testen, wie weit der Körper nach der langen und schweren Verletzung ist. Bis zur Spanien-Rundfahrt ist es noch weit, da kann man durchaus das erste Saisondrittel samt Giro abwarten, ehe man eine Entscheidung über den potenziellen GC-Kapitän trifft.


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