Thesen für 2022 auf dem Prüfstand: Lag Jan Tschernoster mit seinen #Saisonthesen richtig?

Vor der Saison hatten wir von einigen Radsportexperten Thesen für die Saison 2022 eingesammelt – diese werden nun überprüft! Hier sind die von Jan Tschernoster auf dem Prüfstand.

1 | Neue Hoffnung für Frankreich

David Gaudu soll für FDJ bei der Tour auf Klassement fahren. Damit liegt auf ihm jetzt endgültig die Last der Grande Nation. Aber, er ist so weit! Nach einer beeindruckend kontinuierlichen Entwicklung in den letzten Jahren und mit einem – von der angesprochenen Last – befreiten Thibaut Pinot an seiner Seite kann es für einen Platz auf dem Podium reichen. 

Überprüfung

  • Podium verpasst, Hoffnungen erfüllt. David Gaudu konnte 2022 erneut seine Klasse und vor allem seine Konstanz unter Beweis stellen. Nach einem Etappensieg beim Criterium du Dauphine folgte eine starke Tour mit Rang vier in der Endabrechnung. Ob er die eigentliche Hoffnung der Franzosen auf den nächsten Toursieg der Grande Nation jemals wird erfüllen können, ist in Anbetracht der Auftritte einiger Altersgenossen in der abgelaufenen Saison allerdings fraglich.

2 | Absprung verpasst

Mark Cavendish hätte sich mit einem Abgang nach der letzten Saison einen perfekten Abschied bereiten können. Die Chance hat er vertan, um sich jetzt bereits vor dem ersten Sprint mit Teamkollegen Jakobsen um den Tourstartplatz zu streiten. Trotz, oder gerade aufgrund der großen Liebe zum Sport und dem nicht minder großen Ego – die kommende Saison hätte Cav besser abseits der Rennstrecke geplant.

Überprüfung

  • Mehr als Schadensbegrenzung, aber… erneut eine beachtliche Saison des Briten, mit Etappensieg beim Giro und nationalem Meistertrikot. Das war nicht die von mir erwartete Schlappe. Trotzdem: die Chance auf einen Abschluss in Perfektion ist verpasst und die Befürchtung, dass sich 2023 der leichte Abwärtstrend ohne das blau-weiße Trikot in einen Sturzflug verwandelt, ist vermutlich nicht vollkommen unberechtigt.

3 | Erfolgreicher Absprung erwartet

Alejandro Valverde bestreitet seine – jetzt wirklich – letzte Saison. Ein ähnlich epischer Abschied wie er seinem Landsmann Alberto Contador gelang, ist ihm zu Wünschen. Zuzutrauen wäre es dem cleveren Altmeister.

Überprüfung

  • Preis für das Lebenswerk. Kein Tag mehr für die Radsportgeschichtsbücher. Mit Rang sechs in der Lombardei verabschiedet sich der Altmeister in den Ruhestand, alles darüber hinaus wäre auch zu schön gewesen. Trotzdem: Auch die letzte (21.) Profisaison mit mehr Zählbarem als viele Sportler in insgesamt 21 Jahren anhäufen könnten, würden sie denn so lange durchhalten. Gespannt darf man auf Valverdes zukünftige Rolle als interner Mediator beim Team Movistar sein. Eine Stelle mit Daseinsberechtigung.

4 | Unterhaltung garantiert

Stichwort clever… um sich dieses Attribut zu eigen zu machen hat Remco Evenepoel noch etwa 20 Jahre Zeit. Für Unterhaltung sorgt er auch in der Saison 2022 und mit Wilfried Peeters im Ohr wird der ein oder andere Eintrag ins Palmares gelingen. Besonders gespannt dürfen wir bereits jetzt auf die Rollenverteilung bei der Weltmeisterschaft sein.

Überprüfung

  • Was soll jetzt noch kommen? 20 Jahre hat er nicht benötigt, fast Schade. Mit Physis und Cleverness gewinnt der Belgier in seinem letzten U23-Jahr – ein Begriff, der vor der Generation Evenepoel durchaus geläufig war – fast alles, was es zu gewinnen gibt. Kaum vorstellbar, dass ein Fahrer dieses Level über Jahre halten kann. Aber wer hätte sich vor ein paar Jahren eine Neuauflage des Kannibalen im modernen Radsport vorstellen können?

5 | Überraschungspotenzial

Felix Groß, in den letzten Jahren der Motor des deutschen Bahnvierers, ist nun Straßenprofi. Sicher wird er in seiner ersten echten Straßensaison einiges an Lehrgeld zahlen müssen. Aber Groß hat die Klasse, um sich in die Riege Ganna, Bissegger, Küng einzureihen – das zu leugnen wird bereits nach der Saison 2022 nicht einfach!

Überprüfung

  • Potenzial unter Beweis gestellt. Trotz dreimonatiger Pause nach einem üblen Sturz bei Paris Roubaix, Felix Groß macht deutlich, dass er mehr kann als im Kreis zu fahren. Nach soliden Auftritten in Saudi-Arabien und dem Oman, und einer Klassikerkampagne mit der erwarteten Leergeldzahlung und einem unschönen Ende, ungeachtet fehlender Rennkilometer kann der Neoprofi zum Ende des Jahres in der Heimat (Deutschland-Tour und Münsterland-Giro) seine Eignung für die Straße unter Beweis stellen. Ich bleibe dabei: Wenn alles glatt geht, ist in den nächsten Jahren mit ihm zu rechnen.