Home Analyse 7 Erkenntnisse nach Mallorca Challenge, Vuelta San Juan und GP Marseillaise

7 Erkenntnisse nach Mallorca Challenge, Vuelta San Juan und GP Marseillaise

Vuelta a San Juan, Mallorca Challenge und GP Marseillaise – die vergangene Radsport-Woche war vollgepackt mit Rennen – hier unsere Erkenntnisse.

Kobe Goossens

1 Wanty = WOW



Das Team Intermarché-CircusWanty legte im vergangenen Jahr eine beeindruckende Saison hin, war das Aufsteiger-Team des Jahres. Und nach den ersten Rennen im Jahr 2023 lässt sich festhalten – sie machen genau so weiter! Satte drei Siege bei den fünf Rennen der Mallorca Challenge, dazu Rang zwei beim Cadel Evans Great Ocean Road Race. Beeindruckend! Betrachtet man nur diese sechs Rennen, gelangen nicht nur drei Siege, sondern neun (9!) Top10 Ergebnisse. Diese Mannschaft startet mit einem Feuerwerk in die neue Saison.

Für das Team insgesamt enorm wichtig, dass nicht nur die Top-Fahrer performen, sondern man auch in der Breite extrem stark ist. Top-Star Biniam Girmay stand in Palma und Alcudia bei der Mallorca Challenge auf dem Podium – zeigte dabei seine Endschnelligkeit und ansprechende Form. Er scheint für die Klassiker auf einem sehr guten Weg zu sein – das wird dem Team zusätzliche Motivation geben – denn ein „Bini“ in Top-Form ist zu Großem fähig! Cobe Goossens holte seine ersten beiden Profi-Siege, Mike Teunissen fährt ordentlich und Altmeister Rui Costa entdeckt das Gewinnen neu. Auch Neuzugang Lilian Calmejane zeigte sich offensiv und durchaus ansprechend.

Diese Mannschaft beeindruckt immer wieder und gibt der Konkurrenz Rätsel auf. Man darf gespannt sein, was die nächsten Rennen bringen – machen sie so weiter, gibt es wieder eine „Sensations-Saison“.


Anzeige

2 Achterbahn-Start für ein Supertalent

Uijtdebroeks bei der Mallorca Challenge

Cian Uijtdebroeks gilt alsTop-Talent. Der 19-Jährige ist enorm ehrgeizig, hoch veranlagt und in den Nachwuchsklassen sehr erfolgreich. Im vergangenen Jahr kam er aus den Junioren in die WorldTour, sein Team Bora-hansgrohe achtet darauf, den jungen Belgier langsam aufzubauen. Wobei das Wort „langsam“ bei Uijtdebroeks relativ zu sehen ist. Denn die Entwicklung, die er nimmt, ist im Vergleich zu vielen anderen Profis rasant. Sein Sieg bei der Tour de l’Avenir 2022 hat nicht nur sein Talent endgültig unter Beweis gestellt, sondern auch gezeigt, dass Uijtdebroeks nun auch bereit für die großen Aufgaben bei den Profis ist. Möglicherweise wird er im Herbst seine erste Grand Tour bestreiten.

In die Saison 2023 ist Cian Uijtdebroeks erneut bei der Mallorca Challenge gestartet. Sein bestes Resultat bei den vier Renneinsätzen ist Rang 15. Doch der Eintrag in der Ergebnisliste gibt nur zum Teil wieder, welch Leistung der 19-Jährige auf Mallorca brachte. Es war gleich mehrfach ein Achterbahnfahrt für Uijtdebroeks. Bei widrigen Bedingungen zeigte er sich stark. Gerade bergauf machte er einen exzellenten Eindruck. Doch immer wenn es auf nasser Straße bergab ging, bekam Uijtdebroeks Probleme. Besonders bitter war dies bei der Trofeo Andratx, als er lange mit dem späteren Sieger Kobe Goosens an der Spitze fuhr, in der letzten Abfahrt aber dessen Hinterrad nicht halten konnte und dann am Ende noch kurz vor dem Ziel vom Feld eingeholt wurde.

Für Uijtdebroeks und sein Team Bora-hansgrohe war das sicher ein Stück weit frustrierend, denn da wäre durchaus der Sieg drin gewesen. Doch auf der anderen Seite hat Uijtdebroeks nicht überzogen und so keinen Sturz riskiert. Er hat zudem auch nicht resigniert, sondern bis ins Ziel gekämpft und beim nächsten Rennen erneut angegriffen.

Es war ein hoffnungsvoller Start, sicher mit einem Eintrag im Hausaufgabenheft. Bei Bora-hansgrohe weiß man um das Potenzial, aber auch die Schwächen dieses Talentes – vermutlich wird Uijtdebroeks im Training nicht nur bergauf fahren.


3 Neues Jahr, verändertes Team

Marius Mayrhofer

Hinter dem Team DSM liegen zwei katastrophale Jahre. Leistungsträger weg, Ärger, Stimmung schlecht, Kündigungswelle beim Staff … es lief einfach an vielen Stellen ganz viel schief. Große Krisen können dazu führen, dass sich selbst lange Zeit funktionierende Strukturen auflösen. Krisen können auch dazu führen, dass man enger zusammenrückt. Genau das scheint, zumindest bei den Sportlern im Team, passiert zu sein. Gleich mehrere Fahrer berichteten von einer sehr guten Stimmung im Trainingslager. Es habe sich etwas verändert, man spüre wieder ein Gefühl von Einheit. Ob das nun der „Reset-Knopf“ am Ende der Saison war, oder mit den Abgängen einiger Fahrer zu tun hat, oder einfach Teil des Entwicklungsprozesses einer Mannschaft ist, die immer wieder im Umbruch feststeckt – ganz schwer zu beurteilen.

Reichlich Talent steckte immer in dieser Mannschaft, zuletzt fehlten aber all zu oft die Erfolge. In die Saison war das Team holprig gestartet, direkt hatte man wieder Pech. Stürze beim Prolog der Tour Down Under, Leader Patrick Bevin nach zwei Tagen aus dem Rennen. Doch der Rest präsentierte sich gut – vor allem auch Marius Mayrhofer. Genau dieser sorgte nun beim Cadel Evans Great Ocean Road Race für den ersten WorldTour-Erfolg des Jahres. Dazu holte Sam Welsford zwei Siege bei der Vuelta a San Juan. Satte drei Erfolge innerhalb von zwei Tagen!

Ist der Knoten nun geplatzt? War es das, was die Mannschaft unbedingt benötigt hat, um aus der Schleife aus Frustration und Druck herauszufinden? Das wird sich zeigen! Ganz sicher lässt sich festhalten, dass dieses sehr junge Team die gute Stimmung aus der Vorbereitung in Erfolge umgemünzt hat – das gibt ganz sicher Rückenwind und Selbstvertrauen.

Für die Entwicklung der jungen Sportler sind solche Erlebnisse von großer Bedeutung. Vor rund 10 Jahren war die Mannschaft von Iwan Spekenbrink ein „kleines Team“, aber ein eingeschworener Haufen im Mix aus großen Talenten und erfahrenen, loyalen Helfern. Möglicherweise erinnern sich grad einige im Team an die alte Zeit und betrachten die Entwicklung der Mannschaft in den vergangenen Jahren mit anderen Augen.

Der Anfang ist gemacht, doch der Weg aus der Krise für das DSM sicher noch etwas länger, vielleicht auch steinig.

Anzeige

4 Erfolgreiche Punktejagd

Marijn van den Berg

Das Team EF Education-EasyPost ist sehr gut ins neue Jahr gestartet. Drei Siege hat man auf dem Konto – auf den Prolog-Erfolg von Alberto Bettol bei der Tour Down Under folgten nun die Siege von Marijn van den Berg auf Mallorca und der von Nelson Powless beim GP Marseillaise. Dazu hat die Mannschaft noch eine ganze Reihe weiterer Top10-Ergebnisse eingefahren. Der Start von Teamboss Jonathan Vaughters in die Saison gelungen, auch was die Punkteausbeute anbetrifft. Nach dem harten Kampf um die World-Tour-Lizenz im vergangenen Jahr starten die Teams nun offenbar viel bewusster in den neuen Dreijahrs-Zyklus, bei dem es gilt, im WorldRanking unter den Top18 Teams zu sein.

Ben Healy entschied sich bei der Trofeo Calvia am Ende dafür, Rang drei zu nehmen, statt zu pokern. Die Verfolger waren nahe, seine beiden Begleiter (Rui Costa und Louis Vervaeke) pokerten. Er machte dann das Tempo, war so natürlich im Sprint chancenlos. Healy nahm die Punkte mit, dazu ein Podiums-Ergebnis, was für den 22-Jährigen das bisher beste Resultat bei den Profis ist, abgesehen der nationalen Meisterschaften. Solche Situationen wird man im Radsport vielleicht demnächst noch öfter sehen, denn eine drohende Relegation wirkt sich auf den Sport aus. Es ist nicht mehr nur der mögliche Sieg, der taktische Entscheidungen beeinflusst, sondern auch die Punkte-Ausbeute. In diesem Falle profitierte Rui Costa, der Healy Tempo fahren ließ und ihn absprintete.

Wird in den kommen Rennen das Thema „Punkteausbeute“ taktisch noch viel größeren Einfluss haben? Man darf gespannt sein. Die ganz großen Teams müssen sich darum keine Sorgen machen, können rein auf Sieg fahren – bei den kleineren Mannschaften gibt es einige, die nach den Erfahrungen aus 2022 jetzt mit einem anderen Blick auf die zu erzielenden Punkte schauen. Vermutlich zählt das Team EF Education-EasyPost eher zu den Teams, die ungern Zähler liegen lassen. Das Gilt auch für Lotto-Dstny – dazu im nächsten Kapitel mehr.

5 Abgestiegen, aufgestanden

Van Eetvelt – Rang zwei bei der Mallorca Challenge

Das Team Lotto-Dstny holte 2022 nicht die nötigen Punkte, musste aus der WorldTour absteigen. Ärmel hoch, neu angreifen und in drei Jahren dann wieder zur ersten Radsportliga gehören – so gab man sich nach außen. In der Teamleitung gab es reichlich Veränderung, im Kader ebenso. Der Ankündigung, aufzustehen und wieder angreifen zu wollen, ließ man direkt Taten folgen.

Dem Sieg von Arnaud de Lie beim ersten Rennen (Clàssica Comunitat Valenciana) folgten vier weitere Podiumsplatzierungen! Zwei Mal der 21-Jährige Lennert Van Eetvelt auf Mallorca, dazu der dritte Rang von Brent Van Moer bei der Marseillaise. Das kann sich nicht nur sehen lassen, sondern bringt auch reichlich Punkte! Was für das Team EF gilt, gilt natürlich auch für das belgische Team – Punkte holen, WorldTour-Lizenz sichern! Der erfolgreiche Start wird Lotto-Dstny Selbstvertrauen geben und man darf gespannt sein, wo sie am Ende der Saison im Teamranking stehen. Geht es so weiter, werden sie einige Teams hinter sich lassen!


6 Stark, aber oft unglücklich

Fabio Jakobsen

Das Team Soudal-QuickStep steht Ende Januar mit zwei Siegen da – eine ordentliche Ausbeute, doch eigentlich hätten es schon mehr sein können, fast müssen. Denn neben den Siegen holte man weitere zehn Top5-Ergebnisse. Jakobsen und Morkov mussten sich in Argentinien zwei Mal mit Rang zwei begnügen, ebenso Vernon und Vervaeke in Mallorca. Man fuhr oft stark, aber glücklos oder taktisch nicht perfekt – wie Evenepoel bei seiner Attacke in Argentinien, oder Ilan Van Wilder auf Mallorca. Fehlt dem so erfolgsverwöhnten „Wolfsrudel“ an Bisskraft?

Vermutlich eher nicht. Man ist in der Breite extrem stark, bei vielen Rennen mit mehreren Fahrern im Finale vorn dabei und kann die Rennen gestalten. Eigentlich wäre noch viel mehr drin gewesen, wird auch das Ergebnis der internen Analyse sein. Doch genau das kommt vielleicht sogar genau zum richtigen Moment. Denn Remco Evenepoel, der bei der Bergankunft der Vuelta a San Juan früh attackierte, sein Pulver verschoss und dann durchgereicht wurde, sagte nach dem Rennen: „Es ist besser den Fehler hier zu machen, als beim Giro.“ Dem kann man schwer widersprechen.

7 Egan ist zurück

Egan Bernal

Ein Jahr ist vergangen, seit dem schlimmen Trainingsunfall von Egan Bernal, der beinahe seine Karriere beendet hätte. Fast unglaublich, dass der Kolumbianer nach diesen schweren Verletzungen bereits im Sommer 2022 zurück im Sattel saß. Klar, weit weg von seiner früheren Form, aber wieder zurück im Peloton. Seit dieser Rückkehr steht die Frage im Raum, ob der ehemalige Toursieger wieder ansatzweise an sein früheres Leistungsniveau herankommen kann. Wissen wird das wohl nur sein engsten Umfeld, wenn überhaupt.

Bernal hat im Winter intensiv trainiert, sorgte mit seinen Trainingsfahrten durchaus für hochgezogene Augenbrauen. Offenbar hat der Kolumbianer auf dem Weg zurück zu alter Form einen großen Schritt gemacht. Das war auch bei der Vuelta a San Juan offensichtlich. Bernal wurde bei der Bergankunft am Alto Colorado Vierter, hielt lange ganz vorn mit. Wirklich überlegen war nur Miguel Angel Lopez – der Rest schien für Bernal bereits in Reichweite.

Ein positives Zeichen, das leider durch seine Aufgabe am Folgetag etwas getrübt wurde. Wegen eines Sturzes schmerzte das Knie, so das Team. Ob dies tatsächlich ein Rückschlag ist, wird sich zeigen – seine Leistung am Alto Colorado dürfte seinen Fans große Hoffnungen machen, den „alten“ Bernal bald wiedersehen zu können.


Anzeige

Die mobile Version verlassen