Es ist die erste richtig schwere Bergetappe dieses Giro. Das Geplänkel ist vorbei, nun müssen die Karten in Sachen Berg-Form auf den Tisch. Die Steigung am Ende der 218 Kilometer langen Etappe ist nicht supersteil, aber lang und es geht in große Höhe. Die dünne Luft werden die Fahrer spüren, ganz sicher wird es zum Schlagabtausch der Favoriten auf den Gesamtsieg kommen. Vielleicht nicht mit einer Reihe von spektakulären Attacken, aber nach hohem Tempo und einem Ausscheidungsfahren werden am Ende nur die Allerbesten ganz vorn sein.

Theoretisch könnten auch Ausreißer den Sieg unter sich ausmachen, doch erfahrungsgemäß wird es mindestens ein Team mit GC-Fahrer geben, das im Finale das Rennen bestimmt und für ein Ausscheidungsfahren sorgt. So müssten die Ausreißer schon mit sehr großem Vorsprung in den letzten Berg fahren, um tatsächlich vor den GC-Fahrern zu bleiben. Meist wird bei Grand Tours die erste Bergankunft von einem der Favoriten auf den Gesamtsieg gewonnen, damit darf man auch am Freitag rechnen.

Nach den bisherigen sechs Etappen kann man reichlich spekulieren, wie denn diese Etappe verlaufen wird. Das Ineos Grenadiers Team ist bärenstark und man kann erwarten, dass sie vielleicht das Rennen in die Hand nehmen. Mit Tao Geoghegan Hart und auch Geraint Thomas haben sie zwei Kapitäne.

Soudal-QuickStep-Kapitän Remco Evenepoel war auf dem fünften Teilstück gestürzt – meist ist nach solchen Unfällen der übernächste Tag der schwierigste. Der Körper leidet unter den Verletzungen, der Fahrer kann nicht sein Potenzial abrufen. Man darf gespannt sein, wie gut sich Evenepoel schlägt. Die Konkurrenz würde ihm sicher gern etwas Zeit abnehmen.

Primoz Roglic konnte im Auftaktzeitfahren nicht ganz überzeugen, liegt nun 1:12 min hinter dem Rosa Trikot, hat mehr als 40 Sekunden Rückstand auf Evenepoel. Ihm dürfte dieses Ankunft liegen und seine Endschnelligkeit ist auch von Vorteil – kommt er mit der ersten Gruppe an, könnte er sich den Tagessieg sichern. Joao Almeida hielt sich bislang ordentlich, wenn auch unauffällig. Aleksandr Vlasov ist im Soll, abgesehen vom Sturz am Mittwoch lief es gut. Thibaut Pinot wirkte bislang sehr stark, Jay Vine hatte Pech ….. man kann viel spekulieren – nach dieser siebten Etappe wird man schlauer sein!

Ob das Rosa Trikot wechselt, hängt vor allem von Evenepoel ab. Zeigt dieser keinerlei Folgen des Sturzes, wird er Leknessund Zeit abnehmen. Hat der Weltmeister aber Probleme, sind Almeida, Roglic, Thomas, Geoghegan Hart und Vlasov die gefährlichsten Fahrer für Leknessund. Leknessund hat auf Almeida 60 Sekunden, auf die anderen Fahrer noch mehr Vorsprung – dennoch wird das für ihn sehr schwer, ein paar Sekunden zu retten und Rosa zu behalten. Doch der Norweger ist ein Kämpfer und wird alles versuchen, solange wie möglich vorn dabei zu bleiben.

Das Wetter könnte durchaus eine Rolle spielen. Es soll in der Höhe recht kalt sein – nur ein paar Grad über null. Nicht alle Fahrer kommen damit sehr gut klar. Es ist ein bedeutender Tag für den Kampf um den Gesamtsieg – er wird Aufschluss geben, wie gut die GC-Fahrer bergauf sind.

Die Strecke

Los geht es in Capua. Die ersten fast 70 Kilometer sind flach, dann beginnt die erste Steigung des Tages. Rund 13 Kilometer geht es mit knapp 5% bergauf. Nach einem 11 Kilometer Flachstück geht es wieder bergan – 5 Kilometer mit 7%.

Es folgt eine Abfahrt, die an einigen Stellen recht steil ist. Dann geht es 45 Kilometer flach zum schweren Finale der Etappe.

Auf 382 Metern üNN beginnt die Kletterei. Aufgeteilt auf zwei Berge, mit einem Flachstück dazwischen, geht es während der letzten 46 Kilometer hinauf bis auf 2130 Meter über Meeresspiegel. Ein extrem langes Bergauf-Finale, das den Fahrern zusetzen wird.

Der vorletzte Anstieg ist 13,5 km lang und hat 6% im Schnitt. Kein Monsterberg, aber durchaus ein lange Belastung.

Die letzte Steigung knüpft nach einem rund sechs Kilometer langen Flachstück nach der vorletzten Bergwertung an. Die ersten 10 Kilometer der Steigung zum Ziel sind noch sehr moderat steil, dann folgt ein Flachstück mit einer kurzen Bergab-Passage. Die letzten sieben Kilometer zum Ziel sind dann wieder steil – mit Passagen von 13% Steigung. Zudem sind die Fahrer dann mehr als 2000 Meter üNN und sie werden die dünne Luft spüren.

Der letzte Anstieg der 7. Etappe des Giro 2023

Sprintwertungen
km 91.1 Castel di Sangro
km 160.6 Bussi sul Tirino


Bergwertungen:
km 100.5 – Roccaraso – m 1254 (2a cat.)
km 185.8 – Calascio – m 1190 (2a cat.)
km 218 – GRAN SASSO D’ITALIA – m 2130 (1a cat.

Die Favoriten

Man darf fest mit dem Kampf der GC-Fahrer um den Tagessieg und das Rosa Trikot rechnen. Formiert sich jedoch eine große frühe Gruppe, ist auch ein Ausreißersieg eines starken Kletterers möglich. Fahrer wie Brandon McNulty, Rudy Molard, Rein Taaramäe, Joe Dombrowski oder auch Laurens Huys haben bereits ausreichend Rückstand auf die Top-Favoriten, dass man sie ziehen lassen könnte.

Das Ineos Grenadiers Team hat die stärkste Mannschaft im Rennen und wird vermutlich versuchen, das auszuspielen. Mit hohem Tempo für ein Ausscheidungsfahren sorgen – dann schauen, ob Evenepoel trotz der Stürze stark genug ist, zu folgen. Die letzten rund sechs Kilometer sind steil – hier ist der richtige Abschnitt für eine Attacke. Wer schon zuvor den Anschluss verliert, kann sehr viel Zeit einbüßen.

Wie stark die einzelnen GC-Fahrer bergauf sind, ist bislang unklar. Bei den kurzen Anstiegen, wie etwa im Finale der dritten Etappe, wirkten einige Fahrer etwas souveräner, als andere. Doch diese ganz langen Anstiege, die große Höhen – das ist eine ganz andere Anforderung, als auf dem Weg nach Melfi.

Es wird Klarheit geben, vermutlich wird der Kreis der Favoriten auf das Podium stark zusammenschmelzen. Ob es zwischen den absoluten Top-Favoriten zu größeren Abständen kommt, bleibt abzuwarten. Es ist der erste echte Test, mit vollem Risiko wird man noch nicht agieren. Dennoch werden die Karten auf den Tisch kommen – der Kampf um Rosa beginnt nun so richtig.

Möglich ist auch, dass ein Fahrer aus der zweiten Reihe, also ein starker Kletterer, der vielleicht nicht zu den allergrößten Favoriten auf den Gesamtsieg gehört, im letzten Anstieg früh attackiert und ziehen gelassen wird. Die Top-Favoriten schauen nur auf sich – belauern sie sich zu lange, so könnte tatsächlich auch eine späte Attacke erfolgreich sein. Beispielsweise Einer Rubio, Ben Healy oder Lennard Kämna.

***** –
**** Primoz Roglic, Thibaut Pinot,
*** Remco Evenepoel, Tao Geoghegan Hart
** Geraint Thomas, Ben Healy, Joao Almeida, Santiago Buitrago
* Molard, Kämna, Konard, Rubio, Vlasov, Cepeda, Vine, Uran

Start: 11:15 Uhr
Ziel: ~17:15 Uhr


Profil Etappe 21

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