Am letzten Renntag vor dem verdienten zweiten Ruhetag steht eine knifflige Etappe in der Lombardei an. Viele Fahrer kennen die Gegend vom Monument Il Lombardia. Und genau wie der Herbstklassiker hat auch diese Etappe einen anspruchsvollen Parcours, bei dem es in mehreren Schleifen über die Anstiege rund um Bergamo geht. Fast 4000 Höhenmeter sind zu bewältigen und für die Klassementfahrer gilt es vor der verdienten Pause höchst aufmerksam zu sein.
Möglicherweise holen sich Ausreißer den Tagessieg. Die ersten Kilometer sind flach, hier könnte es einen harten Kampf um die Fluchtgruppe des Tages geben. Der erste Anstieg ist der schwierigste – vielleicht zu weit vor dem Ziel, für den Angriff eines GC-Fahrers. Doch vielleicht besteht die Chance, dort einen Leader zu isolieren, um ihn später anzugreifen? Vielleicht nicht das wahrscheinlichste Szenario, aber nicht ausgeschlossen.
Im Kampf um Rosa bietet diese Etappe durchaus Terrain für einen Angriff. Denn auch die letzte längere Steigung sollte man nicht unterschätzen. Ein Fahrer wie Primoz Roglic könnte hier eine Attacke setzen und sich durchaus bis ins Ziel vorn halten. Hatte er in der Fluchtgruppe einen Helfer, könnte dieser auf den rund 30 Kilometern zum Ziel hilfreich sein. Doch will Roglic das Rosa Trikot schon vor dem Ruhetag holen?
Die kurze Rampe vor dem Ziel auf dem Kopfsteinpflaster in Bergamo bietet Gelegenheit für die letzte Attacke – um den Tagessieg, oder auch um Sekunden um Rosa.
Bruno Armirail hat am Samstag Rosa übernommen und sein Team wird alles daran setzen, das Leadertrikot zu verteidigen. Ist in der Ausreißergruppe des Tages kein gefährlich Mann für Rosa, wird man diese ziehen lassen.
Die Strecke
Von Seregno geht es nach dem Start gen Osten. Die ersten 35 Kilometer sind nur leicht wellig, dann beginnt die Steigung zur ersten Bergwertung. Für 10 Kilometer geht es mit rund achteinhalb Prozent bergauf. Es ist der schwerste Anstieg dieser Etappe. Nach der langen Abfahrt und einem Flachstück ist das Peloton dem Ziel nahe. Dann geht es auf eine Schleife nördlich von Bergamo.
Innerhalb von 25 Kilometern sind zwei Anstiege zu bewältigen. Dann geht es wieder bergab und flach zum Ziel nach Bergamo. Dort wird 53 Kilometer vor dem Ende die Ziellinie passiert, bevor es auf eine zweite Schleife, nordwestlich vom Zielort geht.
Der letzte Anstieg ist vor allem im unteren Bereich steil, wird oben flacher. Rund 30 Kilometer vor dem Ende ist der letzte Anstieg gemeistert und dann geht es bergab – auf der gleichen Straße, die das Peloton nach dem ersten Anstieg des Tages hinab in Richtung Bergamo nutzte.
Kurz vor dem Ziel ist dann noch einmal eine kurze Rampe auf Kopfsteinpflaster zu meistern, ehe es die letzten drei Kilometer hinab zum Ziel geht.
Sprintwertungen:
km 87.3 Nembro
km 153.7 Almenno San Bartolomeo
Bergwertungen:
km 46.4 – Valico di Valcava – m 1336 (1. Kat)
km 98.6 – Selvino – m 946 (2. Kat)
km 111.3 – MIragolo San Salvatore – m 945 (2. Kat)
km 164.4 – Roncola Alta – m 970 (2. Kat)
Die Favoriten
Auf dieser schweren Etappen kommen wohl nur starke Kletterer für den Sieg in Frage. Eine ähnliche Etappe beim Giro 2017 gewann Bob Jungels. Der Luxemburger wäre in Top-Form durchaus ein Mann für den Sieg, doch bislang scheint er in der Rolle des Helfers für Kämna zu sein. Auf diesem Teilstück kann er seinem Kapitän eine wichtige Hilfe sein.
Nach seinen bisherigen Auftritten ist wohl Ben Healy einer der Top-Favoriten auf den Tagessieg. Das Terrain ist wie für ihn gemacht und ganz sicher wird man bei EF Education EasyPost versuchen, diese Karte zu spielen. Auch Thibaut Pinot liegt dieses Terrain und er ist bockstark, wie man nicht nur vor zwei Tagen sehen konnte. Filippo Zana, Patrick Konrad, Jay Vine, Lorenzo Rota, Will Barta, Lorenzo Fortunato oder auch Matthew Riccitello wären auch heiße Kandidaten für die Gruppe des Tages.
Eine wichtige Frage vor dieser Etappe ist, wie die GC-Teams das Rennen angehen. Schicken Ineos, Jumbo-Visma und UAE Fahrer mit in die Gruppe? Sepp Kuss, Thymen Arensman, Brandon McNulty beispielsweise – sie könnten durchaus den Tagessieg holen. Oder gehen sie nur als mögliche Hilfe für den Kapitän mit in die Gruppe, um dann zurückbeordert werden zu können? Die gute alte Relaisstation hat man bei diesem Giro noch nicht wirklich gesehen. Oder gehen es die Teams lieber ruhig an, wollen die Helfer im Feld bei den Kapitänen haben?
Das hängt stark vom Plan der Mannschaften ab. Plant Jumbo-Visma einen Angriff mit Roglic, wird man sich gut überlegen, ob man eher Koen Bouwman in die Gruppe schickt, als Sepp Kuss. Will Ineos, dass durchaus Tempo gefahren wird, im Feld, schicken sie Thymen Arensman mit in die Flucht. Man darf gespannt sein, wie die Mannschaften das Rennen taktisch angehen.
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**** Ben Healy, Thibaut Pinot
*** Thymen Arensman, Brandon McNulty, Sepp Kuss
** Patrick Konrad, Primoz Roglic, Santiago Buitrago, Ilan van Wilder, Eddie Dunbar, Warren Barguil, Marco Frigo
* Zana, Barta, Fortunato, Buitrago, Almeida, Rubio, Kämna, Fortunato, Riccitello, Thomas, Cort
Start: 11:45 Uhr
Ziel: ~17:15 Uhr