Der „Baby Giro“ ist eines des schwersten und wichtigsten Etappenrennen der U23-Klasse. Nach einigen Jahren Pause wurde das Rennen 2017 wieder etabliert. In der Siegerliste der vergangenen Jahre stehen beispielsweise Tom Pidcock, Juan Ayuso, Pavel Sivakov, Aleks Vlasov und Leo Hayter. Jai Hindley, João Almeida oder auch Lenny Martinez sind Fahrer, die in der Vergangenheit auf dem Podium des U23-Giro standen. Alles Namen, die heute bei den größten WorldTour-Rennen in den Top-Positionen auftauchen.
In diesem Jahr gewann das Megatalent Johannes Staune-Mittet das Rennen. Der Norweger gilt als künftiger Grand-Tour-Sieger, sein Jumbo-Visma-Team hat ihn bereits bis 2026 gebunden, obwohl er aktuell noch in der Development-Mannschaft fährt und ab 2024 ins WorldTeam rückt. Zweiter wurde der Ire Darren Rafferty, ebenfalls ein junger Mann mit großem Potenzial.
Das Podium komplettierte der 21-jährige Strausberger Hannes Wilksch. „Podium beim Giro, damit bin ich natürlich zufrieden“, sagt Wilksch. Insgeheim hatte er sich noch etwas mehr erhofft. „Ich bin mit dem Ziel ins Rennen gegangen, zu gewinnen. Aber ich bin mit dem Podium wirklich super happy“.
Auch lesen: Wer ist Hannes Wilksch?
Wilksch fährt für die Nachwuchsmannschaft des Schweizer Tudor Teams. Ganz bewusst ist Wilksch nicht zu den Profis gewechselt, will sich in der Nachwuchsklasse noch entwickeln und Erfahrungen sammeln, ehe er den Schritt „nach oben“ geht.
Beim Giro war er der Kapitän des Teams, das große Ziel war die Gesamtwertung. „Ich wusste, dass ich in guter Verfassung bin, das war nach Rang drei beim Orlen Nations Grand Prix klar. Beim Giro bin ich dann gut gestartet, von den Klassementfahrern war im Auftaktzeitfahren nur Johannes Staune-Mittet vor mir“, so Wilksch.
Die Königsetappe endete am Passo dello Stelvio – 2750 m üNN. „Oberhalb von 2500 Metern habe ich Probleme bekommen. Die Kolumbianer haben rund drei Kilometer vor dem Ende das Tempo verschärft und ich konnte nicht mitgehen. Ich bin dann mein Tempo gefahren und war am Ende mit Rang neun schon enttäuscht“, sagt Wilksch.
„Wir haben das Rennen im Nachgang analysiert und so richtig überraschend war es eigentlich nicht. Alle Fahrer vor mir haben Höhentrainingslager absolviert, ich habe so etwas noch nie gemacht. Auch das spielt eine Rolle“, so Wilksch. Er war am Stelvio auf Rang sechs in der Gesamtwertung gerutscht, hatte mehr als eine Minute Rückstand auf das Podium.
Es folgten schnelle, wellige und hektische Etappen. Am vorletzten Renntag gab es die zweite superschwere Etappe. Satte 176 Kilometer von Possagno nach Pian del Cansiglio. „Diese Etappe kam mir entgegen – lang und schwer nach sechs Renntagen. Wir hatten uns dieses Teilstück ausgeguckt und wollten angreifen. Das Team war unglaublich und wir haben das Rennen in die Hand genommen“, so Wilksch.
Mehr als 100 Kilometer vor dem Ende ging sein Team in die Offensive, fuhr das Feld auseinander. „Wir wollten die Leader isolieren, ich dann am letzten Berg angreifen. So haben wir es gemacht.“ Wilksch wurde Etappenfünfter, machte im GC drei Plätze gut und war so auf dem Podium beim U23-Giro.
Wilksch kam in den Nachwuchsklassen bislang selten als Kapitän zum Zug – bei Tudor soll er Erfahrungen als Leader sammeln, seine Siegermentalität stärken. „Das hat sich schon jetzt ausgezahlt, denke ich“, sagte Wilksch nach dem Giro-Next-Podium. „Ich habe einen großen Schritt gemacht, im Vergleich zum vergangenen Jahr. Eigentlich auf allen Ebenen – mental, körperlich – das sieht man auch an den Werten“, so Wilksch, der vor allem im Nationaltrikot oft für andere fahren musste. „Viele haben Potenzial gesehen, ich selbst auch, aber ich war einfach nie so richtig in der Position Leader zu sein. Darum bin ich jetzt super happy über die Möglichkeit, die ich bei Tudor bekommen habe. Ich denke, ich habe diese Möglichkeit genutzt.“
Für Wilksch ist noch Luft nach oben, nicht nur wegen der Höhentrainingslager. Sein Team gibt ihm die Möglichkeit, sich nach und nach zu entwickeln. „Ich habe gezeigt, dass ich zu den besten Gesamtwertungsfahrern im Nachwuchsbereich gehöre. Gerade wenn es lange Rennen sind, mit langen Anstiegen. Ich will mich am besten überall noch ein wenig verbessern, einfach den nächsten Schritt machen“, sagt Wilksch. Das nächste ganz große Ziel ist die Tour de l’Avenir – die Tour de France der Klasse U23.
Dass Wilksch das Potenzial zum Profi besitzt, hat er längst bewiesen, macht er noch einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, wird er ganz sicher auch mehr in den Fokus rücken. Talente dieser Kategorie kann der Radsport immer gebrauchen, vor allem auch in Deutschland.