Nach dem überragenden Zeitfahren von Jonas Vingegaard am Dienstag ist beim Kampf um Gelb ein wenig die Spannung raus. Vingegaard liegt in der Gesamtwertung nun satte 1:48 Minuten vor Tadej Pogacar und wirkt überlegen. Oder kann es Pogacar erneut gelingen, zurückzuschlagen? Diese 17. Etappe bietet auf jeden Fall das passende Terrain für einen Angriff – doch so überlegen, wie sich Vingegaard präsentierte, ist mit einer Wendung des Rennens wohl nicht zu rechnen.
Spannend kann es auf der Königsetappe dieser Tour de France aber dennoch werden. Denn mehr als 5100 Höhenmeter auf nur 165 Kilometern lassen keine Zweifel an der Schwierigkeit dieser Etappe. Es ist der abschließende Alpen-Ritt, bevor es mit einer Flachetappe weitergeht. Doch diese letzte Alpenetappe ist ein brutales Ding! Vier lange und schwere Berge, der letzte Gipfel liegt mehr als 2300m üNN! Es ist eine echte Hammeretappe bei der eine kleine Schwäche große Folgen haben kann.
Für kletterstarke Ausreißer besteht durchaus eine Chance auf den Etappensieg. Jumbo-Visma muss das Rennen nicht machen, sie können sich auf die Verteidigung des Gelben Trikots konzentrieren und den Vorsprung verwalten. Selbst wenn der Gesamtdritte Adam Yates in die Offensive geht, haben sie fast 9 Minuten Puffer für das Gelbe Trikot. Mit einer so starken Mannschaft wie der von Jonas Vingegaard sollte das Rennen nicht außer Kontrolle geraten. Vingegaard muss „nur“ bei Pogacar bleiben.
Dass andersrum die Mannschaft UAE zum Großangriff übergeht, ist nicht ausgeschlossen. Doch man wird sich gut überlegen, wie man das taktisch angeht. Um an einem der ersten Anstiege direkt früh in die Offensive zu gehen, sind diese Berge wohl nicht schwer genug, Vingegaards Team einfach zu stark. So wird man sich vielleicht auf den letzten Anstieg konzentrieren. Das könnte in die Karten der Ausreißer spielen, die mit einem großen Vorsprung in den Col de la Loze gehen könnten. Allerdings müsste dieser Vorsprung schon recht groß sein, denn geben die beiden Überflieger an diesem langen Anstieg Vollgas, sind schnell Minuten weg.
Ein wichtiger Tag steht auch im Kampf um das Bergtrikot an. Satte 65 Punkte gibt es zu holen – Berg-Leader Giulio Ciccone hat aktuell 63 Zähler auf seinem Konto. Allein am Col de la Loze gibt es 40 Punkte für den ersten Fahrer am Gipfel. Man darf gespannt sein, welche Dynamik sich auch im Kampf um das Bergtrikot entwickelt.
Die Vorschau wird präsentiert von: Kalas
Die Strecke
Gestartet wird diese letzte Alpenetappe in Saint-Gervais Mont-Blanc. Die ersten 15 Kilometer sind flach, dann geht es hinauf zur ersten Bergwertung – Col des Saisies 13.4 km 5.1%. Es folgt nach der Bergwertung eine 16 Kilometer lange Abfahrt, ehe es direkt in den nächsten Anstieg geht. Der Cormet de Roselend ist mit 19,9 km bei 6% Steigung angegeben. Für die wunderschöne Natur werden nur die wenigsten Fahrer einen Blick haben.
Es geht erneut 20 Kilometer bergab und dann noch einmal 13 Kilometer flach, ehe die nächste Steigung folgt. Die Steigung zur Côte de Longefoy ist „nur“ sechseinhalb Kilometer lang, hat aber mehr als 7% Steigung. Vom Gipfel sind es aber noch 55 Kilometer bis ins Ziel. Zunächst eine kurze Abfahrt, dann flach zum letzten Anstieg – dem Hammerberg dieser Tour.
Ein langer Anstieg in großer Höhe – der Col de la Loze ist ein heftiger Berg, ein Monster. Zudem eine sehr ungleichmäßige Steigung.
Im unteren Teil noch moderat steil – 13 Kilometer mit 6% im Schnitt, dann eine kurze Abfahrt. Was dann folgt ist ein heftiger Abschnitt. Erst 5 Kilometer mit 7%, dann noch weitere fünf Kilometer mit fast 10% im Schnitt. Brutal! Dazu eine sehr schmale Straße in großer Höhe!
Der Gipfel ist etwa sieben Kilometer vor dem Ende erreicht, dann geht es bergab in Richtung Ziel. Nur die letzten 700 Metern führen dann zum Flugplatz erneut mit satten 10% bergan.
Die Bergwertungen:
km 28.4 – Col des Saisies | 13.4km 5.1%
km 66.7 – Cormet de Roselend | 19.9km 6%
km 105.7 – Côte de Longefoy | 6.6km 7.5%
km 159.1 – Col de la Loze | Souvenir Henri Desgrange | 28.1km 6%
Die Sprintwertung:
KM 46 – BEAUFORT
Die Favoriten
Die Frage des Tages ist: Haben die Ausreißer eine Chance, oder wollen die beiden Überflieger das nächste Kapitel ihres epischen Duells mit einem Etappensieg auf der Königsetappe schreiben? Es ist wohl davon auszugehen. Tadej Pogacar wird sich nicht kampflos geschlagen geben, doch so stark wie Jonas Vingegaard aktuell ist, wird vielleicht das Gelbe Trikot mit dem Tagessieg auf der Königsetappe die (Vor) Entscheidung herbeiführen.
Für die Gruppe des Tages kommen viele Fahrer in Frage. Ab Rang fünf in der Gesamtwertung beträgt der Abstand zu Gelb mehr als 11 Minuten. Feuer frei für alle Bergfahrer – so sicher bei einigen Mannschaften die Devise. Thibaut Pinot, Pello Bilbao, Emanuel Buchmann, Wout Poels, Yates + Yates, Michal Kwiatkowski, David Gaudu, Felix Gall, Guillaume Martin, Maxim Van Gils, Ion Izagirre, Simon Geschke, Thomas Pidcock, Mikel Landa, Ben O’Connor, Michael Woods…. alle könnten versuchen, in die Gruppe des Tages zu gehen und dann ihre Kletterqualitäten auszuspielen. Diese Liste ließe sich natürlich locker erweitern.
Eine extrem große Gruppe würde Jumbo-Visma wohl nicht so einfach fahren lassen, oder nur, wenn mindestens Sepp Kuss dabei wäre. Man darf gespannt sein, wie der Start der Etappe verläuft und welche Fahrer sich durchsetzen und die Gruppe des Tages bilden.
***** –
**** Jonas Vingegaard
*** Tadej Pogacar, Giulio Ciccone, Sepp Kuss
** Woods, Gaudu, Yates + Yates, Pinot, Rodriguez, Gall
* Buchmann, Martin, Poels, Kwiatkowski, O’Connor, Landa, Pidcock, Skjelmose, Johannessen
Start: 12:20 Uhr
Ziel: ~ 17:22 Uhr
Die noch anstehenden Etappen der Tour 2023