Pia Kummer hat bei der Premiere des Red Bull Hill Chasers im vergangenen Jahr die Frauenwertung souverän gewonnen. Die Lehramtsstudentin entschied nicht nur das Event für sich, sondern erzielte auch Streckenrekorde in den gewerteten Abschnitten.
Vor wenigen Woche hat sie die fürs das Event 2023 am 3. September in Gelnhausen leicht veränderte Strecke besichtigt und gibt Tipps, auf was es zu achten gilt und wie sich solch ein Bergsprint anfühlt:
„Im Vergleich zum Vorjahr ist die Strecke dieses Jahr ein klein wenig länger und beginnt am Untermarkt und nicht erst am Obermarkt. Das bedeutet, man fährt über den Platz, auf dem 2022 gestartet wurde – und hat so ein wenig mehr Anlauf“, sagt sie. Durch diese Veränderung wird die Strecke gut 200 Meter länger und im Durchschnitt etwas weniger steil, was ein schwacher Trost ist, denn die Beine werden am Ende trotz allem glühen.
Los geht es also auf typischem Altstadt-Pflaster. „Es kann schon lohnen, etwas breitere Reifen zu fahren beziehungsweise den Luftdruck anzupassen, um einen besseren Kontakt zum Boden zu haben und nicht über die Pflastersteine zu springen“, sagt Pia.
„Den Platz verlässt man durch eines der viele Stadttörchen in der Altstadt von Gelnhausen und biegt in eine schmale Gasse mit rund sechs bis acht Prozent Steigung ein – gefühlt. Ich bin da schlecht im Schätzen“, so Pia weiter.
„Weiter verläuft der Parcours aufwärts durch die Tore zweier kleine Stadttürmchen, ehe man auf eine asphaltierte Straße einbiegt. Allerdings nur kurz, denn von dort fährt man direkt auf einen gut gepflasterten Fußgängerweg zwischen Wohnhäusern, der recht schmal ist. Der Abschnitt weist eine Steigung von 10 bis 15 Prozent auf – schätze ich.“
Danach beginnt das Finale. „Man kommt wohl auf die steilste Straße Deutschlands. Ich kenne nichts vergleichbares“, sagt Pia und erzählt, dass man wohl mehrfach versucht hat, diesen Abschnitt zu teeren, aber das schlicht unmöglich gewesen sei, da der Asphalt damals immer wieder weggerutscht ist.
„Wenn man diesen Abschnitt das erste Mal allein nur sieht, denkt man sich, da kommt man ja nie im Leben hoch. Dieser Schlussabschnitt lässt sich im Endeffekt in zwei Teile sezieren. Die ersten 100 Meter sich schon richtig steil. Dann setzt der Anstieg für ein paar Meter leicht ab, weil es rechts und links in Seitenstraßen reingeht. Und das letzte Stück muss man ehrlich gesagt erlebt haben, um zu verstehen wie steil das wirklich ist.“ Am Streckenrand stehen hier Schilder mit Steigungsangaben von 27 und 32 Prozent.
„Ich persönlich fand es richtig cool, hier zu fahren. Aber es tut – ehrlich gesagt – auch extrem weh. Vergangenes Jahr bin ich durchs Ziel gefahren und hab die Leute angeschrien, dass sie mich bitte festhalten sollen. Denn sonst fällt man halt einfach um“, sagt sie.
2022 war für Pia das Spektakel nach rund 1:50 Minute zu Ende, doch das Rennen hallt bei ihr immer noch nach, wenn sie darüber spricht. „Die Stimmung war unglaublich. Vor allem an der steilsten Stelle standen unglaublich viele Menschen. Die haben einen förmlich da hochgeschrien, sozusagen verbal geschoben. Ich habe später auf Bildern gesehen, dass da auch irgendwo ein DJ aufgelegt hat, aber ich von der Musik habe nichts gehört, sondern nur die Anfeuerungsrufe der Zuschauer wahrgenommen. Es war ein so krasses Feeling, dass ich erst im Ziel gespürt habe, wie sehr meine Muskeln brannten. Solange ich hochgefahren bin, habe ich eigentlich kaum was gespürt. Aber danach tut es schon recht wirklich richtig weh. Man muss es mögen ganz – ehrlich. Ich habe den Wettkampf sehr geliebt und freue mich sehr auf die zweite Austragung“, schildert sie begeistert.
Allerdings liebt es Pia auch, sich voll zu verausgaben. Sie ist eigentlich Sprinterin beziehungsweise sagt, dass ihr das am meisten Spaß macht. Mit dem Rennradfahren hat sie 2020 während Corona angefangen – auf Zwift. Sie hat sich dann immer mehr und mehr dafür begeistert und angefangen, Rennen zu fahren. „Ich fahre lieber Rennen als dass ich trainiere“, sagt sie.
Sport liegt ihr in den Genen – beide Elternteile haben sich dem Ausdauersport verschrieben. „Ich bin früher zu Schulzeiten gelaufen, habe aber nach dem Abi damit aufgehört.
Mittlerweile hat sie einige Rennen gewonnen – outdoor wie indoor – und ist auch eine erfolgreiche Fahrerin im ROSE Beastmode-Team. Ihr letztes großes Abenteuer war die Teilnahme an der Crit-Serie in den USA im Frühsommer zusammen mit Teamkollegen des RSC Kempten.
Auf die Rennstrategie beim Red Bull Hill Chaser angesprochen sagt sie: „Meine Taktik war damals, erst mal mitzufahren und dann zum Schluss am steilsten Stück zu schauen, wo man überhaupt in dieser Gruppe mit den anderen platziert ist. Aber ich glaube, etwas Energie zu sparen vor diesem letzten Stück, macht Sinn. Im vergangenen Jahr habe ich auch bei einigen Teilnehmern gesehen, dass die einfach an der steilsten Stelle zum Schluss umgekippt sind. Wer sich zu früh verausgabt beziehungsweise bei wem das Laktat so dermaßen den Körper durchflutet hat, der oder die bekommt hinten raus wirklich ein Problem – das steilste Stück zieht sich. Das kann halt schnell passieren auf der Distanz, wenn man All-out beginnt beziehungsweise relativ schnell an sein Maximum herangeht.“
Vergangenes Jahr fuhr sie mit dem Gravelbike – einem Rose Backroad – und konnte dank der Übersetzung alles im Sitzen fahren. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. „Ich habe mich einfach nicht getraut, aus dem Sattel zu gehen, und dachte, wenn ich jetzt aufstehe, dann kommt mir mein Fahrrad vorne hoch. Aber die anderen habe das gemacht – und ich werde das wohl dieses Jahr auch so machen. Scheint die bessere Taktik zu sein“, sagt sie – auch als Nachricht an sich selbst.