Die Tour de Vendée war (höchstwahrscheinlich) sein letztes Straßenrennen. Ein kleines französisches 1.1 Rennen als Bühne für Peter Sagans letztes Straßenradrennen. Einer der besten Radsportler aller Zeiten tritt leise ab, nach einer schwierigen Schlussphase seiner sehr erfolgreichen Karriere. Sieben Grüne Trikots, drei Mal Weltmeister, zwei Monumente, 12 Tour-Etappen, insgesamt 121 Siege – die Palmares des Slowaken stehen für sich.
Peter Sagan ist ein Ausnahmetalent. Vor einigen Jahren schrieben wir über seine Fähigkeiten als „Positionsgenie“. Sagan hatte neben der reinen körperlichen Leistungsfähigkeit ein exzellentes Gespür, eine herausragende Radbeherrschung und agierte oft taktisch clever. „Wenn du technisch so fit bist, wenn du dich in einer Situation, wo alle am Limit sind, technisch unterfordert fühlst, dann kannst du Sachen mit dem Rad machen, die andere nicht können. Das ist der Unterschied“, sagte sein ehemaliger Teamkollege Andreas Schillinger im CyclingMagazine Podcast im Frühjahr 2018. Wenige Tage später gewann Sagan Paris-Roubaix in beeindruckender Manier.
Peter Sagan bewegte sich im Feld mit einer Leichtigkeit, wie sie wohl kein anderer Radsportler hat. Er war cool, konzentriert und ehrgeizig. Er ließ sein Team arbeiten, aber lieferte regelmäßig ab. Abseits der Rennen war er ebenso außergewöhnlich. Unbedarft, frech, auffallend lässig, manchmal drüber – Sagan wurde mit seiner Art und seinen Erfolgen zum Superstar. Mit seiner charismatischen Art wurde er auch außerhalb des Radsports berühmt – zum einzigen Rockstar des Radsports. (Foto rechts: Legendär – sein erster Touretappensieg 2012)
Er lebte das Image, genoss das Leben, schien sich selbst und alles andere nicht zu ernst zu nehmen. Legendär, seine Version von Grease. Doch die Popularität blieb nicht folgenlos – im Peak seiner Karriere gab es kaum Ruhephasen. „Wie er das alles bewältigt, mit einer Ruhe, meist mit einem lockeren Spruch, da habe ich größten Respekt vor“, sagte Schillinger schon 2018. Sagan wurde nicht nur von Schillinger dafür bewundert, wie es ihm gelang, den Fokus zu behalten, einen Ausgleich zwischen größter Anspannung, Training, Rennen und seinem teils ausschweifenden Lifestyle zu finden. Es gibt reichlich Partygeschichten mit Sagan als Hauptakteur. Doch nicht alles lief glatt, im Sagan-Universum. Die Trennung von seiner Frau Katarina, einige private Eskapaden – alles bot Stoff für den Boulevard, passend zum Rockstar-Image.
Im Jahr 2019 gewann er noch eine Touretappe und das Grüne Trikot. Im Corona-Jahr 2020 fuhr er Tour und Giro nacheinander, war weiter erfolgreich. Doch Sagan zählt zu den Sportlern, die nach der Coronazeit nicht wieder an alte Erfolge anknüpfen konnten. Mehrfach erkrankte er an Covid, litt länger als viele andere Sportler an den Folgen der Infektionen. Er gewann im Jahr 2021 dennoch eine Giro-Etappe und seine Heim-Rundfahrt.
Den Titel „König der Leichtigkeit“ aber konnte man ihm nicht mehr verleihen. Die letzten zwei Jahre seiner Straßen-Karriere fuhr er beim Team TotalEnergies. Überwiegend unscheinbar.
Der leise Abgang des einstigen Rockstars nach einigen schwierigen Jahren zeigt eindrucksvoll, wie schnell man im Profiradsport im Schatten der neuen Helden verschwindet. Sagan überlässt nun anderen gern das Rampenlicht. Hat nicht mehr die Leichtigkeit, den Siegeshunger und vermutlich auch nicht mehr die Risikobereitschaft von früher.
Peter Sagan hat eine Epoche des Radsports geprägt – er war bei den Klassikern das Bindeglied zwischen der „Boonen-Cancellara-Zeit“ und der Zeit von Van Aert & Van der Poel. Sagan steht dabei für eine Zeit, in der herausragendes Talent eine gewisse Lockerheit erlaubt. Doch der Radsport hat sich stark verändert – Professionalität wurde neu definiert, auf ein anderes Level gehoben. Für Lockerheit ist kaum noch Platz, die Leistungsdichte brutal, halbwegs entspannter Lifestyle in der Weltspitze nahezu unmöglich. Für „Typen wie Sagan“ wird es künftig schwerer, sich zu behaupten.
„Peter der Große“ tritt leise ab, dem Straßenradsport geht ein Entertainer verloren. Er gibt die Bühne endgültig frei, für die nächste Generation. Doch die Position des „Rockstars des Radsports“ bleibt vielleicht für lange Zeit unbesetzt.