Das Team Ineos Grenadiers landet am Ende der Saison auf Rang vier im World-Ranking. Mit dem historischen Erbe des „Über-Teams Sky“ belastet, ist dies sicher nicht die gewünschte Platzierung – zu wenig, in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Mittel. Doch in der Bewertung der Saison 2023 des britischen Teams lohnt der Blick zurück. Denn Ineos Grenadiers hat eine schwierige Phase hinter sich. Der schlimme Unfall von Top-Star und Ex-Toursieger Egan Bernal, der sportliche Umbruch nach dem Abgang von Adam Yates, Richie Porte, Richard Carapaz und Roubaix-Sieger Dylan van Baarle.
Die britische Mannschaft hat zwar noch immer Routinier Geraint Thomas als GC-Kapitän in der ersten Reihe, jedoch längst den Umbruch des Kaders eingeläutet und teilweise auch vollzogen. Durchaus erfolgreich, auch wenn man nicht mehr Reihenweise die ganz großen Siege einfährt, wie zu Sky-Zeiten.
Schaut man bezogen auf das Jahr 2023 genauer hin, fällt das Beispiel Tao Geoghegan Hart in den Blick. Podium Valencia-Rundfahrt, Podium Tirreno-Adriatico, Sieg Tour of the Alps – die Form für den Giro war bestens. Doch dann der Sturz auf Etappe 11 mit schlimmen Folgen (Beckenbruch) = Saisonende.
Beispiel Carlos Rodríguez: Top10 in Valencia, Rang vier Ruta del Sol, dann Schlüsselbeinbruch bei Strade Bianche. Lange Pause, Top10 Dauphine und ein sehr guter 5. Platz bei der Tour de France.
Oder Ben Turner, der ein sehr gutes Frühjahr zeigte, dann bei der Flandern-Rundfahrt stürzte und sich den Arm brach. Oder auch Ethan Hayter, der zwei Saisonsiege im April einfuhr, bei der Tour of Guangxi Ende Oktober noch die Nachwuchswertung gewann und Gesamtdritter wurde – er brach sich gleich zwei Mal in dieser Saison das Schlüsselbein!
Auch wenn mehr möglich war, man konnte durchaus einige Siege und Top-Ergebnisse einfahren. Der erst 19 Jährige Top-Zeitfahrer Joshua Tarling holte seinen ersten WorldTour-Sieg und wurde zudem TT-Europameister. Tom Pidcock gewann Strade Binache und landete beim Amstel und in Lüttich auf dem Podium. „G“ Thomas wurde Gesamtzweiter beim Giro, Michal Kwiatkowski holte eine Touretappe und Filippo Ganna den Vuelta-Etappensieg.
Anspruch und Wirklichkeit
Am Ende stehen 36 Saisonsiege zu Buche, das Team Ineos Grenadiers kann auf eine sehr erfolgreiche Saison zurückblicken – bedenkt man die Hintergründe. Doch gemessen wird das Team vor allem am Abschneiden bei der Tour de France. Sieben der vergangenen 12 Austragungen des größten Rennens der Welt hat man gewonnen – dabei mit Wiggins, Froome, Thomas und Bernal Gelb nach Paris getragen. Aktuell jedoch, hat man keinen potenziellen Toursieger in den eigenen Reihen. Zumindest gegen Vingegaard und Pogacar in Top-Form ist man nicht stark genug. Daher vermutlich auch die Gedanken, Evenepoel ins Team zu holen, ihm eine konkurrenzfähige Mannschaft an die Seite zu stellen und dann wieder Gelb anzugreifen. Doch daraus wurde (zumindest vorerst) nichts.
Wie die Zukunft des Teams aussieht, bleibt Spekulation. Will Geldgeber Radcliff unbedingt den Toursieg? Verliert er das Interesse am Radsport, ohne die große Gelbe Party? Nimmt man erneut Anlauf für eine Fusion mit QuickStep? Es bleibt abzuwarten.
Sportlich wird es durchaus Veränderungen geben – denn mit Tao Geoghegan Hart, Pavel Sivakov und auch Daniel Felipe Martínez verlassen starke Fahrer die Mannschaft. Wie das Team für 2024 genau aussehen wird, ist Mitte Oktober noch nicht klar. Das britische Team steckt in einer unruhigen Phase, ist dennoch erfolgreich. Carlos Rodríguez und Geraint Thomas haben verlängert – durchaus positive Zeichen.