Thesen für 2023 auf dem Prüfstand: Lag Albrecht Röder mit seinen #Saisonthesen richtig?

Vor der Saison 2023 hatten wir von einigen Radsportexperten Thesen eingesammelt – diese kommen nun auf den Prüfstand. Rennveranstalter-Veranstalter & D-Tour-Streckenplaner Albrecht Röder prüft seine Thesen.

1 | V wie Victory, Van wie ….

Meiner ersten These liegt ein etwas kreativer Ansatz zu Grunde, gleichwohl gehen ich zumindest hier auf Nummer sicher! Ein „Van“ im Nachnamen gewinnt eines der Monumente im Frühjahr. Ob nun Van der Poel, Van Aeart, Van Baarle, Van der Hoorn, Van der Sande, Van Lerberghe …hab ich wen vergessen? Ach ja, vielleicht sogar Van Avermaet.

Überprüfung

  • Ja ich gebs zu, es war ein Sicherheitstipp. Zumal man im Frühjahr immer mit Van Aert und Van der Poel rechnen kann. Dass die Bestätigung meiner These dann bei Mailand-Sanremo und Roubaix vom gleichen Van (der Poel) passierte, ist bemerkenswert. Der Niederländer hatte ein starkes Frühjahr und insgesamt eine super Saison 2023.

2 | Liane holte eine Giro-Etappe

Liane Lippert gewinnt eine Etappe des Giro Donne. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Liane beide Grand Tours, also Giro und Tour de France Femmes fährt. Mit dem Wechsel zu Movistar hat sie einen ganz klaren Schritt in Richtung Siegfahrerin, Erfolg und Teamunterstützung vollzogen. Jetzt ist die Zeit, dass Liane ihre Fähigkeiten vollends zeigt und die verdiente Erfolge einfährt. Beim Giro holt sie eine Etappe, das wird aber nicht ihr einziger Saisonerfolg sein!

Überprüfung

  • Mitte Mai war Liane noch bei uns im Büro in Sindelfingen – für ein TV-Interview mit dem SWR. Sie wirkte unheimlich fokussiert. Nach dem souveränen Deutschen Meistertitel wenig später war ich mir sicher, die Form zum Giro eine Woche später stimmt. Zwei dritte und ein vierter Etappenplatz waren ja wirklich schon herausragend. Und dennoch hatte ich von außen betrachtet das Gefühl, Liane kann die Schwelle zum Grand Tour Etappensieg 2023 wieder nicht knacken. Falsch gefühlt, bei der Tour war es soweit! Beeindruckend und sicherlich medial noch viel wertvoller war ihr Tour-Etappensieg in Mauriac. Im Nachhinein hatte Liane sicherlich unterschiedliche taktische Ausrichtungen in den beiden Grand Tours, deshalb: Glückwunsch, freu mich von Herzen, Liane – ich lag mit meiner These hier leider daneben.

3 | Giro-These Nr. 2

These Nummer drei ist klar: Lennard Kämna gewinnt wieder eine Giro d‘Italia Etappe! Wenn Lennard gut durchs Frühjahr kommt, hat er wieder alle Möglichkeiten für einen erfolgreichen (früh) Sommer. Ein Top5-Ergebnis im GC traue ich ihm allerdings nicht zu. Dafür ist die Konkurrenz beim Giro wohl vielleicht etwas zu stark. Dennoch wünsche ich mir, dass Lennard den Plan, auf GC zu fahren, voll durchzieht. Denn nur so kann er herausfinden, wie weit es gehen kann.

Überprüfung

  • Zunächst finde ich Gesamtplatz neun beim Giro für die erste Grand Tour mit GC Ambitionen grandios. Meine Erwartungen hat Lennard hier völlig erfüllt. Sicherlich war er auch taktisch gut unterwegs, nicht die eine Hauruck-Etappe auf Sieg zu fahren und sich so den Top-Ten Platz im GC abzusichern. Ich wünsche mir auch weitere GC-Versuche von Lennard Kämna. Doch das wird er selbst am besten wissen, wo er sich hinentwickeln mag und kann. Ich wünsche ihm dafür die Freiheiten und dann auch die volle Unterstützung von seinem Team und dem Trainerteam. Meine These nur zu 50% erfüllt.

4 | WM-Titel Nummer zwei?

Die WM ist 2023 in Glasgow. Sicher ein winkliger Kurs, ein hektisches Rennen, vielleicht Regen mitten im August. Ich setze auf Mads Pedersen. Chancen aufs Podium hat er sicher, im besten Falle schießt er das Ding wieder ab, wie 2019 im Regen von Harrogate.
Pedersen hat die nötige Klasse, zudem versteht es exzellent, sich im Windschatten der Belgier, Niederländer und Franzosen in Stellung zu bringen und am Ende seine Endschnelligkeit auszuspielen. Nicht nach Australien zur WM 2022 zu reisen, war vielleicht sogar der erste Schritt zur Vorbereitung das diesjährige Regenbogen-Rennen.
Aber egal, ob nun Pedersen, Evenepoel, Alaphilippe oder doch Wout Van Aert – die WM wird ganz sicher eines der besten Rennen des Jahres!

  • Überprüfung

Am Ende Platz 4 für Mads Pedersen bei der WM in Glasgow. Was war das ein beherztes Rennen von ihm. Er fuhr es so klug, dass man lange damit rechnen konnte, dass er im Finale noch ganz nach vorne kommt. Am Ende im Spurt niedergerungen von Tadej Pogacar und die beiden weiteren radsportlichen Superstars Van Aert und Van der Poel vor ihm. Da machst Du einfach nichts, hast alles gegeben und bist am Ende Vierter. Mein Herz und Blick blieb deshalb im WM Rennen gerne bei Mads Pedersen. Eine Woche danach fährt er einen überragenden Dänemark Rundfahrt Sieg heraus – dabei auf jeder Etappe Platz 5 oder besser – und gewinnt danach in Hamburg die Cyclassics. Dennoch schwacher Trost für ihn und mich – These verfehlt.


5 | Start-Ziel-Sieg bei der Deutschland Tour?

Meine These für die Deutschland Tour 2023: Der Prologsieger steht auch am Ende der Rundfahrt im GC auf dem Podium, ob tatsächlich ganz oben, wage ich nicht vorherzusagen. Ohne in Sachen Strecke zu viel zu verraten, wird es sicher wieder ein Sekundenspiel um den Gesamtsieg. Auch wenn sich der erste Satz etwas nach Langeweile anhört, werden wir wieder Etappen haben, die täglich spannende Finalsituationen hervorbringen. Und damit verbunden, kommt die These in der These: Kein Fahrer gewinnt zwei Etappen.

Überprüfung

Die Deutschland Tour war auch aus meiner Insider-Sicht sehr spannend. Täglich wechselnde Etappensieger (Teilthese richtig eingeschätzt…) und Ethan Vernon als Prologsieger. Da Vernon eher nicht so bergfest ist, fehlten ihm am Ende fast 13 Minuten auf das Podium. Und man sieht, das ständige Auf und Ab im Saarland (Etappe 1), das Mittelgebirge im Sauerland (Etappe 2) und unsere Streckenplanung links und rechts vom Ruhrtal bis nach Essen (Etappe 3) hatte es in sich. Fürs Rennen genial, für meine These fatal.