Jarno Widar hat sich in den vergangenen zwei Jahren ins Rampenlicht gefahren. Im Gegensatz zu seinen prominenten Konkurrenten kam er eher unter dem Radar in seine Juniorenzeit und verlässt diese nun auf einem konservativeren Weg Richtung Profidasein. Er entschied sich für das Projekt von Lotto-Dstny, wo er zunächst in der U23 im Development Team starten wird. Laut Ankündigung des Teams für mindestens ein Jahr. Es wird also darauf ankommen, wie schnell er sich entwickeln wird. Der Schritt zu Lotto-Dstny lag nahe, fuhr er doch als Junior für den Club Crabbe Toitures – CC Chevigny – das offizielle Partnerteam von Lotto, das auch Arnaud De Lie hervorbrachte. Trotzdem ist es bei Jarno Widars Palmarés keine Selbstverständlichkeit, dass er sich für das Projekt eines ProTeams entschieden hat.
Seine Karriere als Junior begann Jarno Widar 2022 in genau dem Stil, durch den er später bekannt werden würde. Schon im zweiten Rennen gewann er auf nationaler Ebene solo mit großem Vorsprung. Und nur kurz darauf gelang ihm beim Klassiker Nokere Koerse der erste große UCI-Sieg. Der Rest des Frühjahrs lief dann etwas ruhiger, bis er bei Lüttich-Bastogne-Lüttich erneut seine Stärke als Eintagesfahrer ausspielte und Siebter wurde. Bei der Trophée Morbihan fuhr er wieder typisch offensiv, konnte aber keine Ergebnisse verbuchen. Mit den guten Beinen gewann er darauf allerdings weitere nationale Rennen und wurde kurze Zeit später Vierter der Belgischen Meisterschaft.
Das Widar auch bei größeren UCI-Rundfahrten auf Klassement fahren kann, bewies er bei der Saarland Trofeo bei der er Gesamtsiebter wurde. Beim GP Général Patton siegte er kurz darauf wieder einmal in einem UCI-Eintagesrennen, dem er ein Podium beim GP Luxemburg folgen ließ. Bei der schweren Tour du Valromey konnte er noch nicht so viele Akzente setzen, hielt auf einer der Bergetappen aber mit den besten Kletterern des Juniorpelotons mit. Die Saison beendete er mit weiteren starken Ergebnissen im GC sowie Etappensiegen bei Rundfahrten.
Starkes zweiten Junioren-Jahr
In seine zweite Saison ging Jarno Widar dann schon als bekannter Name, mit dem vor allem bei Eintagesrennen immer zu rechnen sein muss. Seine Vorliebe für offensive Fahrweise war inzwischen bekannt. War er bisher ein guter, aber kein absoluter Top-Junior, so machte er den entsprechenden Schritt von Anfang an in seinem zweiten Jahr. Den Saisonstart beim Klassiker Kuurne-Brüssel-Kuurne gewann er überlegen im Solo und holte sich damit ein weiteres prestigeträchtiges Eintagesrennen. Nur kurze Zeit später dominierte er die hügelige letzte Etappe der Tour du Bocage et de l’Ernée, gewann Solo mit fast 3 Minuten Vorsprung und holte sich seinen ersten UCI-Rundfahrt Sieg.
Dem folgten weitere gute Auftritte bei Rundfahrten, in denen er oft im GC solide Ergebnisse holte vor allem aber mit seiner offensiven Fahrweise Bergpunkte sammelte oder Etappensiege herausfuhr. Nachdem er beim E3 Preis als guter Elfter überzeugte fuhr Widar bei der Friedensfahrt der Junioren wieder typisch offensiv. Er gewann das Bergtrikot und animierte wie so oft das Rennen. Mit den guten Beinen ging es dann zur Flandern-Rundfahrt, wo er wieder mal attackierte, Gruppen bildete und weiter attackierte, bis er im Solo zum Sieg fuhr. Eine Woche später gewann er aus einer kleinen Gruppe heraus die Belgische Straßenmeisterschaft. Wieder ein paar Tage später gewann Widar mit der Classique des Alpes das schwerste Eintagesrennen im internationalen Juniorenkalender. Nachdem er nur zwei Wochen zuvor die großen Klassikertalente in Flandern schlug, konnte er sich dort nun am Mont du Chat gegen einige der besten Kletterer der Juniorenklasse durchsetzen.
Rückschläge
Nach drei Siegen in Folge ließ er es bei der Saarland Trofeo ruhig angehen und wurde Zehnter der Gesamtwertung. Eine Enttäuschung erlebte Widar bei der schweren Tour du Valromey wo er auf der letzten Etappen aufgab und ohne Ergebnis nach Hause fahren musste. Dasselbe Schicksal ereilte ihn als einen der Topfavoriten im Straßenrennen der WM in Glasgow. Nach einem frühen Defekt auf der verwinkelten Runde war er weit ins Hintertreffen geraten und es gelang ihm nie wieder den Anschluss an die Spitze herzustellen. Dass die Form passte, bewies er kurz darauf. Er gewann zwei weitere Rennen und anschließend zwei Etappen, das Bergtrikot und die Punktewertung beim Prestigeträchtigen und top besetzten Giro Lunigiana. Einzig für eine Position ganz vorne im GC fehlte es an Konstanz über alle Etappen. Er schloss seine Zeit als Junior mit Rang Drei beim Keizer der Juniores, Rang acht bei der EM und dem Gesamtsieg beim La Philippe Gilbert ab.
Es war eine unglaublich starke Saison 2023 von Widar bei der er sowohl an seinem ersten als auch letzten Renntag gewinnen konnte. Und trotz der Enttäuschung bei der WM war er wohl der beste Eintagesfahrer des Jahres. Womit man auch schon zu seiner Entwicklung und seinem Potential kommt. Widar ist ein kleingewachsener, leichter und explosiver Fahrertyp. Er wird wohl niemals ein reiner Rundfahrer werden. Ihm fehlt sowohl das Zeitfahren und bisher auch die nötige Konstanz dafür. Statt sich zurückzuhalten und Kräfte zu sparen, geht er lieber in die Offensive und attackiert, fährt auf Etappensiege. Rein physisch wäre am Berg sicherlich das Talent vorhanden, um bei bergigen Rundfahrten auf Klassement zu fahren.
Was er aber gezeigt hat ist ein Riesenpotential als Eintagesfahrer. Er fährt unglaublich aggressiv und attraktiv, ist ständig am attackieren und am liebsten solo unterwegs. Sein Sprint aus kleinen Gruppen ist in Ordnung, gegen wirklich endschnelle Fahrer reicht es aber meist nicht. Der Weg über die U23 ist sicherlich eine gute Idee. Dort wird er sich in einem starken Lotto Dstny Development Team schnell zurechtfinden können und hat wenig Druck Ergebnisse liefern zu müssen. Dafür viel Zeit sich auszuprobieren und eventuell herauszufinden, wo es mit ihm als Fahrertyp hingeht. Speziell bei den hügeligen Klassikern in den Ardennen oder der Lombardei Rundfahrt und den schwereren Rundfahrten in der U23 Klasse wird man sicherlich schon was von Widar sehen können.