„Es geht mir gut, ich freue mich einfach auf jedes Rennen“, sagte Maximilian Schachmann nach den ersten Rennen der Saison. Aktuell ist Bora-hansgrohe-Profi im Trainingslager, feilt an seiner Form. Schritt für Schritt kämpft er sich zurück zu alter Stärke. In die Saison 2024 startete er Ende Januar bei der AlUla Tour. Bei der Algarve-Rundfahrt Mitte Februar lief es wieder etwas besser. Schachmann war am Schlusstag zunächst in der Ausreißergruppe, arbeitete dann noch im Finale für Kapitän Daniel Martinez, der die Etappe gewann. „Zu meinem früheren Level fehlt nicht mehr viel, aber das reicht heute auch nicht mehr“, sagt Schachmann und lacht. Hinter dem 30-Jährigen liegt eine schwierige Zeit, eine Achterbahnfahrt mit vielen Rückschlägen.

Ein Talent mit rasantem Aufstieg

Max Schachmann ist einer der besten deutschen Radprofis. Über das Nachwuchsteam der QuickStep-Mannschaft kam er 2017 beim belgischen Team zu den Profis. Sofort wurde offensichtlich, welche Qualitäten der Berliner besitzt. Im zweiten Profijahr gewann er eine Etappe beim Giro d’Italia, war bei der Deutschland-Tour erfolgreich und wurde mit der Mannschaft Zeitfahrweltmeister. So ging es weiter. Etappensiege in Katalonien und im Baskenland, alle Ardennen-Rennen in den Top5 – in Lüttich auf dem Podium des Monumentes – Deutscher Meister, die Liste der Erfolge ist lang. Es gab nur eine Richtung – bergauf. Schachmann gewann 2020 Paris-Nizza, stand bei Strade Bianche auf dem Podium und fuhr im Sommer eine gute Tour de France, trotz gebrochenem Schlüsselbein!

–> Text aus dem Jahr 2018 –> „Wer ist Maximilian Schachmann?


Der Beginn der Achterbahnfahrt

Schachmann wurde von Jahr zu Jahr besser. 2021 wiederholte er den Sieg bei Paris-Nizza, stand beim Amstel Gold Race auf dem Podium und wurde wieder Deutscher Meister. Beim Olympischen Straßenrennen lieferte er eine extrem starke Leistung ab, verpasste eine Medaille nur knapp. Das Rennen in Tokio war der Peak eines Aufstiegs, der nicht gleichförmig verlief, aber ohne ganz große Rückschläge in die absolute Weltspitze führte. Es war der letzte Auftritt des alten „Schachi“, der anschließend zwei Seuchenjahre erlebte.

Zunächst eine Covid-Erkrankung, die ihn, wie viele andere auch, länger beschäftigte. Dann kämpfte er sich zurück, startete als Titelverteidiger bei Paris-Nizza – musste das Rennen aufgeben. „Ich hatte die März-Grippe, wie viele andere auch. Das halbe Fahrerfeld war damals krank und mich hat es auch heftig erwischt“, sagt Schachmann rückblickend. Zum Sommer kam er wieder in Form – Top10 bei der Tour de Suisse, eine ordentliche Tour de France. „Es ging schon wieder, aber eben nur für kurze Zeit. Vielleicht hat etwas die Basis gefehlt, nach den schwierigen Monaten mit vielen Krankheiten“, sagt Schachmann.

Maximilian Schachmann – Paris-Nizza 2021 (Foto: © Roth&Roth / CV)

Was dann folgte, war die größte Talfahrt auf der Achterbahn-Reise. Schachmann fing sich einen Herpes-Virus ein, erkrankte an Zytomegalie. Kein Einzelfall im Radsport, aber nicht selten kostet solch eine Erkrankung einen Radsportler ein ganzes Profi-Jahr. Auch Schachmann brauchte lange, wieder in Tritt zu kommen. Ist nun endlich wieder gesund. „Bestimmt hat mich das verändert, auch wenn ich es selbst vielleicht nicht bemerke. Es wäre naiv zu glauben, dass eine solche Erfahrung einen Profisportler nicht verändert„.

Schachmann spricht ruhig und reflektiert. Wie sehr ihn diese lange Phase an Rückschlägen mitgenommen hat, lässt sich schwer erahnen. Doch er wirkt sehr klar und bei sich. Es macht den Anschein, als formuliere er seine Gedanken ohne abzuwägen, spricht einfach aus, was er fühlt. „Ich will keine Zeit mehr verschwenden, ich will machen, was mir Spaß macht.“

Maximilian Schachmann ist ein kluger Kopf, der nicht immer in die Welt des Radsports passt. Mit der Romantik dieses altmodischen Sports kann er wenig anfangen. Er ist alle Monumente gefahren, war auf Top-Level erfolgreich. Was ihn antreibt ist Ehrgeiz. Sich messen, das Beste aus sich herausholen, auf Augenhöhe mit der absoluten Weltspitze. Das macht den Sportler Max Schachmann aus. Ob es das Rennen erst seit fünf Jahren gibt, oder im Roadbook für die Siegerliste drei Seiten gebraucht werden – es macht für ihn wenig Unterschied.

In diesem Kontext muss man seine zurückliegende Achterbahnfahrt betrachten. Es wäre verwunderlich, hätte er sich in der schwierigen Phase nie darüber Gedanken gemacht, ob der Sport alle Entbehrungen wert ist. Doch der Tiefpunkt ist durchschritten, er findet langsam wieder zu Kraft und alter Stärke. „Es hat sich alles normalisiert. Mein normaler Gemütszustand ist wieder gut, auch zu Hause. Ich bin wieder gesund, habe wieder Antrieb. Das macht so viel aus und bringt die Lebensqualität zurück„, sagt Schachmann ruhig.

Neue, alte Ziele

„Mir macht es einfach Spaß, Rennen zu fahren. Ich muss wieder etwas reinkommen, werde immer besser und das motiviert mich sehr“, so Schachmann. Er habe kein Rennen, auf das er gezielt hinarbeitet. „Mein Fokus liegt einfach auf guten Beinen.

Ich will da hinkommen, dass ich nicht nach 4h breit bin und im Finale keine Rolle spiele. Aber da bin ich auf einem sehr guten Weg. Ich erhole mich gut, habe Bock auf das Training und freute mich jetzt sogar riesig auf das Höhentrainingslager„, sagt Schachmann mit einem Lachen.

„Ich habe mir keine Gedanken über Rennen gemacht. Mein Ziel ist: Ich will schnell fahren. Daran arbeite ich mit meinem Trainer hart. John (Wakefield) kennt meine Geschichte, weiß wie ich ticke und ich habe großes Vertrauen zu ihm. Die Basis ist gelegt, jetzt fehlt der letzte Schritt zu alter Stärke“, so Schachmann.

„Ich weiß, dass ich an meinen alten Erfolgen gemessen werde. Aus den vergangenen zwei Jahren habe ich gelernt, dass ich mich jetzt nicht hinstellen brauch und sagen – ich wiederhole, was ich erreicht habe. Ich konzentriere mich auf die Dinge, die ich beeinflussen kann, mein Training, meine Qualitäten. Natürlich möchte ich gern Rennen wie die Ardennen-Klassiker mit absoluter Top-Form fahren. Darauf arbeite ich hin. Aber ich arbeite am nächsten Schritt, nicht am übernächsten„, so Schachmann.

Bislang war in dieser Saison als Helfer im Einsatz, hofft nach dem guten Auftakt ins Jahr 2024 nun ohne große Rückschläge auszukommen. Es wirkt, als sei sein Ehrgeiz mit jedem Fortschritt wieder neu entfacht. Aber er spricht nicht mehr über große Ziele in ferner Zukunft, sondern lieber über die kleinen Fortschritte, die nächstgelegene Herausforderung und den unmittelbar nächsten Schritt auf dem Weg zu alter Stärke. Vielleicht ist es genau das, was sich bei Max Schachmann verändert hat, durch eine sehr, sehr heftige Achterbahn-Fahrt.