Wenige Tage vor dem Kopfsteinplaster-Klassiker Paris-Roubaix sorgt eine Streckenänderung für Diskussionen. Es wurde eine Schikane vor dem schweren Pflastersektor im Wald von Arenberg eingebaut. Sie soll das Tempo des Feldes verringern, bevor es auf das gefährliche Pflaster geht. Doch die Schikane bringt ebenfalls Risiken mit sich, sagen Kritiker. Für und wider abwägen, bei einem Rennen, das ohnehin gefährlich und anachronistisch ist – im Poloton kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einige Fahrer finden es offenbar gut, Titelverteidiger Mathieu van der Poel teilte ein Video von der Schikane und fragte bei Twitter, ob dies ein Witz sei.

Ein gefährlicher Abschnitt

Der Wald von Arenberg ist ein Mythos. Er gab dem Rennen Ende der 60er seine Identität zurück, ist seit Anfang der 80er Jahre ein fester Bestandteil von Paris-Roubaix. Er teilt das Rennen in „vor dem Wald“ und „nach dem Wald“. Den Arenberg musst du überstehen, danach kannst du dir über das weitere Rennen Gedanken machen – so drücken es oft die Fahrer aus.

Mit Vollgas geht es auf das grobe Pflaster. Schon mehrfach gab es verheerende Stürze. Johan Museeuw zertrümmerte sich im Regen das Knie. Mehrere Tage kämpften die Ärzte darum, das Bein nicht amputieren zu müssen. Mit Erfolg und Museeuw gewann Jahre später sogar noch einmal Paris-Roubaix. Der Wald von Arenberg ist saugefährlich, vielleicht die gefährlichste Stelle des gesamten Rennens. Aber es ist einer der Abschnitte, die den Mythos Roubaix ausmachen.

Wunsch der Fahrer

Wie der Vorsitzende der CPA (Fahrervereinigung) Adam Hansen bestätigte, wurde von Fahrerseite der Wunsch an die Organisation geäußert, die Einfahrt in den Arenberg zu entschärfen. Die Schikane nimmt das Tempo, so wird es auf dem Pflaster sicher zu weniger Highspeed-Stürzen kommen. Das war offenbar der Ansatz der Veränderung.

Kritik

In einen Sektor wie den Wald von Arenberg sollte man möglichst weit vorn im Feld fahren, um nicht bei Stürzen oder Defekten der Konkurrenz aufgehalten zu werden. Einmal aus dem Tritt verliert man extrem viel Zeit. Das gilt nach der Streckenänderung natürlich weiterhin. So verlagert sich der Punkt, wo man ganz vorn sein muss, vom Eingang des Pave-Sektors zum Eingang der Schikane. Vollsprint bis zur Schikane, dann Vollbremsung und rein – am besten ganz, ganz vorn. Dass es hier eng zugehen kann, leuchtet sofort ein. Genau das ist die Kritik. Ist es sicherer, einen Sturz in einer Schikane mit Gittern zu provozieren, als einen auf dem Pflaster?

Zudem wird in der engen Schikane das Tempo extrem gedrosselt. Kommt es zu einem Sturz, oder verhaken sich Fahrer in einer der engen Kurven, kann es einen großen Stau geben. Möglicherweise wird dann das Rennen genau dadurch entschieden. Es hätte etwas Absurdes, würde die Entscheidung bei einem anachronistischen Rennen, dessen Identität das absurde und gefährliche Pflaster ist, in eine Brems-Schikane fallen.

Ein anderes Rennen

Die Sicherheit der Fahrer ist stets von Belang, egal bei welchem Rennen. Für eine andere Lösung fehlte eventuell auch die Planungszeit. Denn erst wenige Tage vor dem Rennen sind die Bedenken bekannt geworden. Die Strecke ist natürlich schon seit Monaten, bzw. Jahren klar. Vielleicht hat auch die Aussicht auf Regen das Thema stärker ins Bewusstsein gerückt. Denn vor allem bei Nässe ist die Einfahrt in den Arenberg gefährlich. Wie auch immer, man muss abwarten, was am Sonntag passiert. Alle Fahrer wissen um die gefährliche Schikane – meist werden dann Stürze vermieden, wenn alle Fahrer um die Gefahr wissen. Gilt das auch für Paris-Roubaix?

Es wird das Rennen in jedem Fall verändern. Denn es macht einen großen Unterschied, ob man mit Tempo 60 auf das Pflaster geht und dann immer langsamer wird, oder ob man mit wenig Tempo in den Sektor startet. Es kann sein, dass der Wald von Arenberg dadurch noch mehr an Bedeutung gewinnt und das Rennen – auch ohne Sturz in der Schikane – bereits dort vorentschieden wird.

Es bleibt abwarten, was am Sonntag passiert. Für das nächste Jahr bleibt dann hoffentlich genug Zeit, über Alternativen nachzudenken und diese in das Planungs- und das Genehmigungsverfahren einzubeziehen.