Simon Geschke (Foto: © Roth&Roth / SCA)

„Ich bin schon noch ganz schön kaputt“, sagt Simon Geschke mehr als eine Woche nach dem Ende des Giro d’Italia. „So geht es mir gut, aber auf dem Rad ist es noch ganz schön zäh.“ Geschke legt nach dem Giro eine Rennpause ein, keine Dauphine, keine Tour de Suisse – er bereitet sich auf seine letzte Tour de France als Profi vor.

„Ich bin sehr gut aus dem Giro gekommen und das war die Bedingung für einen Tourstart. Ich habe in der Vergangenheit bereits Giro und Tour kombiniert, weiß genau, worauf es ankommt und was das bedeutet“, sagt Geschke. „Der Giro lief sehr gut, kam mir gar nicht so lang und so schwer vor“, schiebt er mit einem Lachen nach. „Drei Wochen sind drei Wochen, aber wenn du gute Beine hast, dann läuft es eben viel besser.“

Plötzlich GC-Fahrer

Und wie gut die Beine waren, konnte man während des Giro sehen und auch am Endergebnis ablesen – Gesamtrang 14 für Geschke, das beste GC-Resultat seiner Karriere. „Das GC war am Anfang gar keine Option. Und ich hab schon gestutzt, als unser Sportlicher Leiter vor dem Giro sagte, dass die Gesamtwertung für uns als Team zwar eigentlich keine Priorität hat, sich das aber in der dritten Wochen ändern kann, wenn ‚die Gesamtwertung zu uns kommen‘ sollte. Ich dachte, wie soll das denn passieren?“, sagt Geschke mit einem Lachen. Doch es kam genau so.

„Ich hatte am Anfang schon versucht wenig Zeit zu verlieren, weil ich etwas darauf spekulierte, dass Pogi (Anmerk. Tadej Pogacar) das Rosa Trikot vielleicht zwischendrin mal abgeben möchte. Aber wie alle gesehen haben, war dem nicht so. Doch so hatte ich am Anfang wenig Rückstand, war dann bei der Gravel-Etappe auch vorn dabei und bin in den Bergetappen in die Gruppen, wegen der Bergpunkte und dem Bergtrikot. Auf der Livigno-Etappe hab ich dann auch nicht komplett rausgenommen, als Pogi vorbeigeflogen war. So lag ich vor der dritten Woche ganz gut und wir haben gesagt, wir fahren auf Top-20 im GC. So ist die Gesamtwertung also doch irgendwie zu uns gekommen“, sagt Geschke mit seinem typischen Grinsen.

„Ich bin kein GC-Fahrer“

„Ich bin kein GC-Fahrer und war es auch nie. Im Gegenteil, früher war ich noch explosiver, viel mehr noch ein Ardennen-Fahrer. Aber die Eintagesrennen sind mir jenseits der 30 doch immer schwerer gefallen. So bin ich mehr auf die Rundfahrten gegangen. Aber wenn man jetzt auf die Grand Tours schaut, Top-10 ist für mich einfach unrealistisch“, sagt Geschke ruhig.

Dennoch hat er beim Giro gezeigt, welche Klasse in ihm steckt. „Rang 14 ist ein wirklich gutes Ergebnis, auf das ich sehr stolz bin. Dazu bringt es dem Team auch wertvolle Punkte. Aber wenn man insgesamt auf die Grand Tours schaut – Windkanten, Stürze auf den Flachetappen, jeden Tag 100% Fokus – da fehlt mir einfach etwas. Das war ehrlich gesagt auch jetzt beim Giro so. Wenn wir mal einen schweren Massensturz fünf Kilometer vor dem Ende gehabt hätten, hätte es ganz schnell vorbei sein können. Dazu hatte ich auch etwas Glück, beispielsweise bei den nassen Abfahrten immer die richtigen Reifen drauf und in schwierigen Momenten lief es auch für mich. Ich habe es in meiner Karriere nie probiert, aber das bedauere ich keinesfalls“, sagt Geschke und schiebt mit einem Lachen nach: „Aber Rang 14 beim Giro hätte mir ruhig 10 Jahre eher passieren sollen, dann hätte ich sicher bessere Verträge unterschrieben“.

Der angespannte Kannibale

„Ich hätte mir schon gewünscht, dass Pogi ein paar mehr Gruppen durchkommen lässt, aber er will halt einfach immer gewinnen, ist da schon ein Kannibale“, sagte Geschke. Die Chance auf Etappenplatzierungen aus Gruppen war auch einer der Gründe, warum Geschke gern den Giro fahren wollte. Doch Pogacar räumte nahezu alles ab, was möglich war. Aber auch Geschke hat Pogacar weniger locker wahrgenommen, als sonst. „Er schien schon angespannter. Man hat ihn diesmal selten mit anderen Fahrern reden sehen, auch ich habe auch nur ein Mal mit ihm geredet. Er wirkte angespannt, das ist sehr ungewöhnlich für ihn. Zumal nach der ersten Woche klar war, dass er den Giro locker gewinnt, wenn er auf dem Rad bleibt“, sagt Geschke.

Wichtiger Team-Erfolg und Motivation für die Tour de France

„Es war für uns als Team ein echt guter Giro. Aber das hatten wir nach dem verflixten Frühjahr auch dringend gebraucht. Der Etappensieg von Benjamin (Thomas) in Lucca kam zum richtigen Zeitpunkt. Ein Etappensieg wie aus dem Bilderbuch! Der Knoten ist einfach geplatzt und ich denke, es gibt nur ganz wenige, die uns diesen Sieg nicht gegönnt haben. Einige Fahrer haben in ihrer Karriere ähnliche Situationen erlebt, können es nachvollziehen, wie es ist, wenn der Wurm drin ist und das Frühjahr richtig schlecht läuft. Wenn du ohne Sieg zum Giro fährst, ist das ein großer Druck und stets Thema in den Medien. Ich habe das zuvor schon mal mit Sunweb erlebt, auch da haben wir beim Giro dann zugeschlagen. Das ist für die Fahrer echt hart, dementsprechend groß ist die Erlösung, wenn der Sieg endlich gelingt“, so Geschke. Nun reist er Ende Juni zu seiner insgesamt 12. Tour de France – es ist die zehnte Frankreichrundfahrt in Folge.

„Ich freue mich auf die Tour de France, aber weiß auch, dass jetzt zwischen Giro und Tour alles perfekt laufen muss. Eine kleine Krankheit kann da schnell die Teilnahme kosten. Ich bin gut aus dem Giro gekommen, das gibt mir Motivation und Hoffnung für die Tour. Mit dem verkorksten Abgang 2023, mit Krankheit und dem DNF, wollte ich mich ungern von der Tour de France verabschieden. Hätte ich im vergangenen Jahr eine super Tour gehabt, wie beispielsweise das Jahr zuvor, wäre es eine andere Situation gewesen. Aber so möchte ich gern die Chance nutzen, anständig „Au revoir“ zu sagen.“