Die Vorfreude auf die neue Saison ist Franziska Koch anzumerken. „Mein Trainer hat es auch schon gemerkt, dass ich etwas ungeduldig bin“, sagt Koch und lacht. Aus der Saison 2024 hat sie reichlich Selbstvertrauen mitgenommen. „Auf einer Skala von 1-10 würde ich meiner Saison schon eine hohe acht geben, würde ich sagen“, so Koch nach einem kurzen Moment. Hinter der 24-Jährigen liegt trotz Problemen im Frühjahr eine sehr gute Saison. „Bisschen Luft nach oben muss man sich immer lassen“, schiebt die Deutsche Meisterin nach. „Die Klassiker hätten für uns als Team besser laufen können, da hätte ich gern ein paar gute Ergebnisse mehr gesehen“, sagt Koch und knüpft die Einschätzung ihrer Saison direkt an den Erfolg der Mannschaft.

„Ich möchte einfach Rennen fahren, das ist, was ich liebe“

Franziska Koch hat in der Saison 2024 einen großen Schritt in Richtung Weltspitze gemacht. „Ja, ich habe schon einen Schritt nach vorn gemacht. Aber von außen betrachtet ist es sicher etwas anders, als für mich. In den vergangenen Jahren gab es immer ein paar kleine Sachen. Ich hatte im Winter 2022 eine super Form, tolle Werte. Doch dann breche ich mir im dritten Rennen die Hand und bin erstmal raus. In diesem Jahr wusste ich, dass ich ein gutes Level hab, freue mich dann einfach, mein Potenzial wirklich ausnutzen zu können. Denn wenn du eine gute Saison haben willst, brauchst du einen guten Winter, und musst auch frei von Verletzungen bleiben. Dieses Glück hatte ich in diesem Jahr“, so Koch. Vollkommen rund lief es für die Klassikerspezialistin nicht, vor allem im Frühjahr. „Ich hatte keine schlechte Form, aber ich habe schon gesehen, dass ich in der Trainingsperiode nach den Klassikern noch einmal deutlich stärker geworden bin.“ Das zahlte sich aus – in Bad Dürrheim holte sie den Deutschen Meistertitel.


Koch im Interview nach dem Sieg bei der Deutschen Meisterschaft 2024:


Franziska Koch ist im Team Picnic PostNL meist in der Helferrolle. Doch 2024 zeigte sie mehrfach ihr Potenzial als Leader. Bei der Simac Ladies Tour führte sie das Rennen bis zum letzten Tag an, musste sich erst am Schlusstag der Übermacht von SD Worx-Protime geschlagen geben und wurde hinter der Weltmeisterin Lotte Kopecky Gesamtzweite. „Das war schon sehr speziell“, sagt Koch über die Rolle als Teamkapitän. „Wir sind schon mit dem Gedanken reingegangen, was im GC zu versuchen. Das Zeitfahren war ok, aber das Podium nicht unbedingt greifbar. Doch als ich dann ins Gelbe Trikot gefahren bin, haben wir als Team die Verteidigung als großes Ziel ausgegeben und dann hieß es: Franzi ist Leader“, erzählt Koch. „Ich habe in diesem Rennen sehr viel gelernt. Auch mal ruhiger zu bleiben. Sonst bin ich es ja, die den Attacken meist hinterherfährt, aber diesmal musste nicht immer ich reagieren. Wir hatten als Team einen guten ‚Vibe‘ und ich das Gefühl, dass ich meinen Teamkolleginnen etwas für ihre Arbeit zurückgeben muss. Das hat mich extrem motiviert. Das ist ein Druck in positivem Sinne, eine tolle Motivation“, so Koch.

Es war ihr letztes Saisonrennen und obwohl sie auf der Zielgeraden das Leadertrikot noch verlor, war die Enttäuschung schnell gewichen.

„Nach der Siegerehrung war die Enttäuschung schon wieder weg. Es war meine Familie da, mein Freund, so viele Menschen die happy waren und sich für mich und meine Leistung gefreut haben. Da konnte ich gar nicht lange enttäuscht sein.“

(Foto links: Koch geht voran – in Gelb bei der Simac Ladies Tour)


Den Moral-Boost hat sie mit in die Offseason genommen und im Urlaub etwas Zeit gehabt, zu reflektieren. „Ich habe gelernt, dass der Glaube an mich selbst sehr wichtig ist. Selbstbewusstsein haben, sich vor dem Rennen bewusst machen, was man leisten kann und bereit ist. Als Beispiel: Wenn man vor einem Rennen denkt, dass man diesen oder jenen Berg sowieso nicht in der Spitzengruppe schafft, dann wird das auch nichts. Wenn ich mir selbst sage, ich schaffe den Berg, dann kann man auch mal 101% geben“, sagt Koch ruhig.

Die Erfahrungen aus 2024, nicht nur der Meistertitel, auch die gute Tour de France und Etappenplatz drei am Schlusstag des Giro d’Italia haben ihr Selbstvertrauen geben – auch, um in Zukunft noch mehr in die Kapitänsrolle zu rücken. „Ich habe vor allem einen Motivationsschub bekommen. Wenn der Schalter einmal umgelegt ist – schau mal, was du eigentlich kannst – dann läuft schon die Vorbereitung ganz anders. Das hat aber nicht damit zu tun, auf eigene Rechnung fahren zu wollen, sondern mich selbst noch mehr einbringen zu können – zu schauen, wie weit man kommen könnte. Wenn wir beispielsweise bei den Klassikern nun mit mehr Fahrerinnen ins Finale gehen können, dann bringt uns das als Team in eine viel bessere Position, als wenn wir nur eine Karte haben. Dazu genieße ich meine Rolle in der Vorbereitung der Sprints und möchte auch unseren GC-Fahrerinnen wieder eine Stütze sein.“

Ich habe gelernt, dass der Glaube an mich selbst sehr wichtig ist

Vor allem bei den Klassikern wird Koch nun eine der Karten sein, die das Team Picnic PostNL spielen kann. Aber auch bei den Etappenrennen kann sie neben dem Job als Helferin auch auf Etappenjagd gehen. Für die Tour de France hat ihre Mannschaft sie wieder fest eingeplant und eines ihrer persönlichen Ziele wird wieder die Deutsche Meisterschaft sein. Um ganz vorn in der Weltspitze anzukommen ist kein Riesenschritt mehr nötig, das nötige Entwicklungspotenzial bringt Franziska Koch in jedem Fall mit. „Ich werde ganz sicher keine Bergfahrerin, das ist klar, aber ich möchte dennoch meine Berg-Fähigkeiten verbessern“, sagt Koch. Mit ihrer Rennintelligenz und den fahrerischen Qualitäten ist sie dem Team bei vielen Rennen eine Stütze. Vor allem bei den Klassikern kann man auch als Führungsfahrerin auf sie setzen.

„Klar sind die Klassiker ein Ziel, aber ich freue mich einfach auf die Saison. Ich werde bei der UAE Tour in die Saison starten. Dort wollen wir bei den Sprints zeigen, was wir drauf haben und mit Nienke (Vinke) auch in der Gesamtwertung angreifen. Dass wir Spaß bei Windkanten haben, ist ja bekannt“, sagt Koch und lacht. Es wirkt nicht wie Ungeduld, eher wie eine Vorfreude, die sie in vollen Zügen genießt. In ihrer Liste der wichtigen Rennen für 2025 taucht natürlich wieder auch Paris-Roubaix auf. Doch der Spaß am Job und die Vorfreude auf die Saison 2025 hängt nicht an Lieblingsrennen. „Ich möchte einfach Rennen fahren, das ist, was ich liebe“, sagt Koch. Ihre Form sei ganz gut, aber bis zur „Top-Shape“ noch ein Stück Arbeit – das hilft ihr vielleicht, die Ungeduld auf den Saisonstart wenigstens etwas zu begrenzen.

Koch im Interview nach dem Klassiker Paris-Roubaix 2024: