Primoz Roglic (Foto: © Roth&Roth / SCA)

Die Transfers zur Saison 2025


Abgänge: Emanuel Buchmann, Patrick Gamper, Marco Haller, Sergio Higuita, Bob Jungels, Lennard Kämna, Luis-Joe Lührs, Max Schachmann
Zugänge: Finn Fisher-Black, Oier Lazkano, Gianni Moscon, Giulio Pellizzari, Laurence Pithie, Jan Tratnik, Mick van Dijke, Tim van Dijke, Maxim van Gils


Insgesamt neun Fahrer – damit fast ein Drittel des Kaders wurden ausgetauscht. Verlassen haben auch einige Eckpfeiler das Team. Buchmann, Kämna, Schachmann – ein Trio das lange für die Raublinger Mannschaft stand, große Erfolge feierte und die Fans begeisterte. Die Abgänge kann man durchaus sinnbildhaft für die Entwicklung des Teams sehen. Es ist eine internationale Mannschaft mit großen Ansprüchen geworden – das Geld von Red Bull bietet nun die Grundlage für den Vorstoß in die absolute Weltspitze. Sieben deutschsprachige Fahrer verlassen das Team, hinzu kommen Fahrer aus unterschiedlichen Nationen.

Der vierte Platz bei der Tour de France 2019 durch Emanuel Buchmann war damals ein sensationeller Erfolg. Fünf Jahre und zwei Grand-Tour-Siege später gelten andere Ansprüche. Und diesen neuen Ansprüchen trägt man Rechnung – auch bei den Transfers.

Bei den Eintagesrennen spielte man nach dem Abgang von Peter Sagan und zuletzt Nils Politt keine Rolle mehr – nun kommen Laurence Pithie und Oier Lazkano ins Team. Dazu die Allrounder Jan Tratnik und Gianni Moscon. Für das hügelige und bergige Terrain Talent Finn Fisher-Black und eben Top-Talent Maxim van Gils. Was die Kapitänsrollen anbetrifft eine Verjüngung und insgesamt eine Stärkung des Kaders.
Gern wird beim Red-Bull-Team von „Entwicklungsfahrern“ gesprochen, die man vom Talent zum Siegfahrer entwickeln will. Was in dieser Transferperiode passierte, waren ganz sicher keine Risikotransfers! Tratnik und Moscon ohnehin nicht, und auch Lazkano und Pithie haben den Sprung in Top-Klasse bereits vollzogen. Van Gils ist zwar auch erst 25 Jahre alt, aber längst in der Weltspitze etabliert!


Der Kader

Es ist ein ausgewogener und starker Kader – für jedes Terrain. Roglic, Vlasov, Hindley und Martinez als GC-Fahrer für Etappenrennen. Dazu natürlich Talent Florian Lipowitz. Aleotti, Pellizari und Fisher-Black in zweiter Reihe und als Helfer auch für Grand Tours stark. Van Gils als Top-Mann für die hügeligen Eintagesrennen – wo die eben genannten Fahrer auch reichlich Potenzial mitbringen. Pithie, Lazkano, Meeus, Maciejuk, Van Dijke und Moscon mit Talent Emil Herzog für die flämischen Rennen. Und dazu die Männer fürs Grobe und enorm wichtigen Helfer bei den mittelschweren und flachen Etappen der Grand Tours: Tratnik, Koch, Sobrero, Denz, Maciejuk, van Dijke.

Recht schwach besetzt ist man in Sachen Sprint. Bei Sam Welsford darf man wohl trotz Top-Anfahrer Danny van Poppel keine endlose Seriensiege auf Top-Niveau einplanen. Jodi Meeus ist schnell und stark, aber im Kampf gegen die echten Top-Sprinter meist ohne Chance.

Insgesamt hat das Team einen sehr, sehr starken Kader. Doch abgesehen von den hügeligen Eintagesrennen gibt es auf jedem Terrain Fahrer und Teams, die besser sind. Bei den Klassikern fahren Van der Poel und van Aert auf einem höheren Level, bei den Grand Tours sind mit Pogacar, Vingegaard und Evenepoel mindestens drei Fahrer stärker einzuschätzen als die Red Bull-Kapitäne. Für die Sprints gehört man ohnehin nicht zu den Top-Teams. Es braucht also Cleverness, Teamarbeit und in jedem Falle fehlerfreie Rennen, will man bei den Grand Tours und den ganz großen Klassikern Siege einfahren.


Schlüsselfahrer

Die Schlüsselfahrer sind die Grand-Tour-Kapitäne. Das große Ziel ist der Gewinn einer Grand Tour. Roglic, Martinez, Vlasov und Hindley sind die Kandidaten – auf sie kommt es an! Dazu ist Van Gils in den Ardennen gefordert und Pithie soll bei den Pflaster-Rennen zeigen, was er drauf hat!
Doch Schlüsselfahrer sind nicht nur die Kapitäne! Treue Helfer, die sich für den Kapitän zerreißen, für gute Stimmung sorgen und zur Not auch mal im Rennen selbst das Heft in die Hand nehmen, sind unerlässlich, auch im modernen Radsport. Tratnik kommt als Vertrauter von Roglic ins Team – das wird dem Slowenen vielleicht die nötige Zuversicht geben, sich mehr auf die eigenen Kollegen zu verlassen, statt beim Positionieren vor Schlüsselstellen stets zu den Ex-Visma-Kollegen zu schielen.

Nico Denz war schon bei Sunweb einer der Fahrer, die für Stimmung sorgen und die „Drecksarbeit“ machen, wie es Teamchef Denk ausdrückte. Aber auch Giovanni Aleotti sei erwähnt. Selbst ein hochtalentierter Fahrer, der beim Giro 2024 als Helfer glänzte und wo man Team gut daran tat, mit ihm zu verlängern. Nur mit GC-Kapitänen am Start wird man keine dreiwöchige Landesrundfahrt gewinnen können. Sobrero, Moscon die Van-Dijke-Brüder … ganz sicher lässt sich für jede Grand Tour ein starkes Team aufstellen – doch diese müssen als Einheit funktionieren. Darin besteht eine Herausforderung für eine erfolgreiche Saison 2025.


Stärken

Top-Fahrer für jedes Terrain zu haben, dazu vier Top-Klassementfahrer plus „Lipo“ – die hohe Qualität in der Breite ist eine der Stärken des Teams. Dazu liegt ein erfolgreicher Herbst hinter dem Team und man hat dank Red Bull an einigen Stellschrauben in Sachen Performance gedreht. Motivation, Infrastruktur und Kaderqualität sollten der Mannschaft Selbstvertrauen geben. Dazu kann eine (hoffentlich) gesunde Konkurrenz im Team durchaus leistungsfördernd sein.


Schwächen

Für die Sprints ist man vergleichsweise schwach aufgestellt und das macht es bezüglich der reinen Sieg-Anzahl nicht leichter. Dazu ist der Druck immens! Und auch in Sachen taktisches Verhalten gibt es Verbesserungspotenzial. Die schlechte Positionierung von Roglic bei einigen Rennen und zu Beginn der Tour de France vor Schlüsselstellen, aber auch die Vuelta – wo man sich selbst in Bredouille brachte – sind Beispiele dafür.


Ziele

Erfolgreich, „sexy“ und interessant will man sein. Das spannendste Projekt im Profiradsport – für Fahrer und Personal ein Top-Arbeitgeber und für Fans eine Marke mit Emotionen und Tiefgang. Die Ziele des Teams gehen über sportliche Siege hinaus. Doch diese sind wohl die Grundlage für die weitere Entwicklung und den Aufbau des Images.

Man will bei den Klassikern eine Rolle spielen, erfolgreich sein. Nicht nur bei den hügeligen Eintagesrennen. Das ganz große Ziel ist (wieder) der Sieg bei einer Grand Tour. Welche, das sei zweitrangig, versichert Ralph Denk glaubwürdig. Erneut ein „Projekt Gelb“ mit Roglic auszurufen, wäre in Anbetracht der Überlegenheit von Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard auch überzogen.

Prognose

Es kann eine überragende Saison für Red Bull-Bora-hansgrohe werden – wenn früh Erfolge eingefahren werden und die Mannschaft in eine “Flow” kommt. Doch der (selbstgemachte) Druck ist riesig, die Veränderungen im Team groß und die Rädchen müssen vielleicht erst ineinander finden. Je länger sich keine Erfolge einstellen, umso größer die Gefahr, dass der Geduldsfaden reißt und man verkrampft – durchaus eine Gefahr, beim sehr selbstbewussten Auftreten des Teams. Dem wird man (hoffentlich) erfolgreich entgegenwirken.
Im Frühjahr wird man vermutlich einige Siege einfahren können, mit dem Gewinn einer Grand Tour wird es sehr schwer, aber auf dem Podium wird man landen können. Am Ende wird man zu den erfolgreichsten Teams des Jahres zählen, in den Top3 des Teamrankings landen.