Home Analyse Giro 2024: 8 Erkenntnisse nach Auftakt & erster Bergankunft

Giro 2024: 8 Erkenntnisse nach Auftakt & erster Bergankunft

Tadej Pogacar (Foto: © Roth&Roth / SCA)

1 Pogi holt Rosa – musste sein!

Nachdem es am ersten Tag nicht klappte, holt er sich eben am zweiten Tag den Etappensieg und das Rosa Trikot – Tadej Pogacar ist der stärkste Mann im Rennen und das machte er auf dem Weg nach Oropa deutlich. Seiner Attacke konnte niemand folgen und fast spielerisch holte er 30 Sekunden auf die Konkurrenz heraus. So liegt er nun mit bereits 45 Sekunden in Front.

Pogacar ist der Top-Favorit und es scheint, als sei er nicht zu schlagen – solange er gesund bleibt und nicht stürzt. Doch der Giro ist noch lang und eine kleine Unaufmerksamkeit kann große Folgen haben. Der Sturz nach dem Vorderrad-Defekt am Sonntag blieb glücklicherweise ohne Folgen. Der beste Fahrer soll den Giro d’Italia gewinnen – im Moment ist das Pogacar und trägt verdient Rosa.

2 Kampf ums Podium ist offen

Hinter Pogacar scheint es keine klare Hirarchie zu geben. Martinez, Thomas, Storer, Rubio, Uijtdebroeks, Hirt, Lopez, O’Conner, Lipowitz …. eine ganze Reihe von Fahrern scheint auf ähnlichem Niveau. Das könnte durchaus für einen spannenden Giro sorgen, denn auch wenn Pogacar unschlagbar scheint, ist der Kampf ums Podium komplett offen. Die Zeitfahren werden Abstände bringen, aber die weniger guten Zeitfahrer wollen an anderen Tagen ihre Schwäche ausbügeln.

Auch taktisch könnte sich Spannung entwickeln – denn solange Pogacar das Rennen kontrolliert, könnte man auch aus Gruppen einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz herbeiführen. Vor allem Teams, die mehrere Fahrer in aussichtsreicher Position haben. Nach den Sprintertagen könnte es wieder spannend werden.

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3 UAE muss sich noch finden

So richtig rund läuft es bei UAE nicht, auch wenn man Pogacar in Rosa hat. Am ersten Tag machte man lange Tempo, dann waren im Finale nur noch Bjerg und Maijka bei Pogacar. Auch am Sonntag fuhr im Finale Bjerg von vorn, als Novak noch dahinter war – aber eher abdrehen musste, als Bjerg. Und während der Etappe machte man mal Tempo, zog sich dann wieder zurück. All das erweckt den Eindruck, dass die Abstimmung noch nicht perfekt läuft, oder das Team nicht so stark ist, wie man es gewohnt ist.

Das Missgeschick mit Pogacar, der mit plattem Reifen vor der Kurve anhalten wollte, aber auf den DS hörte, der sagte, er solle nach der Kurve anhalten, kann passieren und ist glücklicherweise kein Drama, auch wenn „Pogi“ leicht stürzte. Dass der DS nach der Kurve wechseln will, ist klar, denn das ist der sicherere Ort dafür – aber gut, er spürt im Auto auch nicht, wie sich das Rad anfühlt.

Bei UAE hat man nun Zeit, dass es sich während der Sprinteretappen „einruckelt“. Doch bald wird man wieder gefordert sein, auch wenn Pogi der stärkste Mann im Rennen ist – ohne Team wird es auch für ihn ein schwerer Weg nach Rom.

4 Ben O’Conner – zu viel versucht

Ben O’Connor ist in bestechender Form zum Giro gekommen und wirkt extrem stark. Am Ende zählte er in Oropa aber zu den Verlierern des Tages. Ne halbe Minute büßte er auf Konkurrenten wie Thomas, Martinez, Uijtdebroeks und Rubio ein. Er wollte zu viel, als er der Attacke von Pogacar als einziger Fahrer folgte. Thomas spielte seine Erfahrung aus, fuhr clever und sein Tempo, als er merkte, dass er nicht mitkann. „Tadej ist Tadej“, sagte Thomas nach dem Rennen.

O’Connor überzog etwas, brauchte, ehe er sich fing. Das kostete Zeit – ne halbe Minute – die am Ende extrem wertvoll sein kann, im Kampf um das Podium. Abschreiben sollte man O’Connor nicht, dafür fuhr er zu stark und sein Team sollte man auch nicht unterschätzen, auch wenn es für die sonst so starken Paret-Peintre-Brüder überraschenderweise noch nicht rund läuft. Bei der nächsten Bergankunft wird es vielleicht anders laufen – dann ist mit O’Connor zu rechnen.

Wie sagte es Mattias Skjelmose so schön in Lüttich, nachdem er versucht hatte, Pogacar zu folgen und sich davon nicht mehr erholte: „If you fly too close to the sun, you get burned.“ Eine Lektion, die viele Fahrer lernen müssen. O’Connor wird sich ärgern, aber sicher wieder angreifen.

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5 Bora-hansgrohe – läuft

Florian Lipowitz (Foto: © Roth&Roth / SCA)

Daniel Martinez landete in Oropa auf Rang zwei – holte wichtige Sekunden auf die Konkurrenten. Dass man auch auf Ben O’Connor Zeit gutmachen konnte, im Kampf um das Podium des Giro, hat Martinez seinem jungen Teamkollegen Florian Lipowitz zu verdanken. Bora war als einziges Team mit zwei Fahrern in der Verfolgergruppe der Favoriten, Lipowitz setzte sich an die Spitze und machte das Tempo. O’Connor, aber auch andere Fahrer bekamen Probleme. Der junge Deutsche zeigte auf dem Weg nach Oropa ein super Rennen und ebnete Martinez den Weg zu Tagesplatz zwei und wichtigen Bonussekunden.

Am Samstag war es Maximilian Schachmann, der glänzte, während Martinez von Aleotti gut in Position gehalten wurde und am Ende in der Favoritengruppe das Ziel erreichte. Lipowitz hatte am Samstag Schwierigkeiten, verlor viel Zeit. Doch am Sonntag lieferte er eine extrem starke Leistung ab und war bergauf hinter Pogacar vielleicht sogar der Stärkste!

Zwei Etappen, zwei mal Tagesplatz zwei und Martinez im GC auf Rang drei – die Bilanz des deutschen Teams kann sich sehen lassen – das hatte man so nicht unbedingt erwartet, nach den Schwierigkeiten in der Vorbereitung. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.

6 Die GC-Streichliste

Nach den ersten beiden schweren Etappen haben auch einige der potenziellen Klassementfahrer bereits viel Rückstand im Kampf um Rosa. Michael Woods liegt bereits fast 17 Minuten hinter Pogacar und darf von der Liste der GC-Favoriten gestrichen werden. Das kommt nicht sehr überraschend, deuteten seine Leistungen in diesem Jahr nicht darauf hin, dass er beim Giro ganz vorn mitfahren kann.

Auch Romain Bardet und Antonio Tiberi liegen bereits mehr als zweieinhalb Minuten hinter Rosa zurück. Bardet hatte direkt am ersten Tag Probleme und war auch auf dem Weg nach Oropa nicht in der Verfolgergruppe. Das ist durchaus etwas überraschend, zeigte der Franzose doch vor dem Giro sehr starke Rennen. Doch der Giro ist noch lang und Bardet ein zäher Typ. Ganz abschreiben sollte man ihn für eine gute GC-Platzierung noch nicht. Ähnliches gilt für Damiano Caruso, dessen Rückstand auf Pogacar immerhin noch unter zwei Minuten liegt. Tiberi hatte am Sonntag Defektpech im ungünstigen Moment, man darf gespannt sein, wie gut er sich die kommenden Tage präsentiert.

Thymen Arensman hingegen wird sich nun wohl ganz in den Dienst von Geraint Thomas stellen, denn er hat bereits mehr als vier Minuten Rückstand in der Gesamtwertung. Bei Eddie Dunbar, der sich zu Saisonbeginn die Hand brach und keine optimale Vorbereitung hatte, sind es bereits mehr als sechs Minuten Rückstand. Dunbar hatte wieder Pech und stürzte erneut. Update: Er hat das Rennen aufgegeben, ist nicht zur dritten Etappe angetreten.

Nairo Quintana ist erwartungsgemäß nicht so stark, wie einst. Der Ex-Girosieger liegt nach zwei Renntagen bereits sechseinhalb Minuten zurück und kann sich wohl aus dem Kampf um eine Top-GC-Platzierung verabschieden. Auch Attila Valter kann man wohl von der Liste der GC-Anwärter streichen, er hat bereits mehr als sieben Minuten Rückstand auf Rosa.

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7 Fluchterfolge

Zwei Mal in der Gruppe des Tages, fleißig Punkte geholt und belohnt – Filippo Fiorelli strahlte am Sonntag im Maglia Ciclamno vom Siegerpodest. Für sein Team „VF Group-Bardiani CSF-Faizanè“ ist das ein großer Erfolg, der Aufmerksamkeit generiert und den Sponsoren den gewünschten Gegenwert liefert. Dazu liefert man als „Einladungsteam“ das ab, was der Veranstalter möchte – offensive Fahrweise und Unterhaltung.

Mehr zu holen als das Ciclamino gab es nicht, das ist VF Group-Bardiani CSF-Faizanè gelungen. Das Team und Fiorelli sind somit auch Gewinner der ersten beiden Renntage. Verdient.

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8 Ganz in Weiß

Cian Uijtdebroeks ist gut in den Giro 2024 gestartet. Nach dem starken Rennen am Sonntag nach Oropa trägt er das Weiße Trikot. Als aktuell Gesamtvierter führt der junge Belgier die Nachwuchswertung der Italien-Rundfahrt an. „Das erste Trikot einer Grand Tour ist etwas ganz besonderes“, sagte der 21-Jährige nach dem Rennen.

Nach seinem geräuschvollen Abgang bei Bora-hansgrohe steht Uijtdebroeks durchaus unter besonderer Beobachtung. Er sah beim deutschen Team nicht das Umfeld, sein volles Potenzial ausschöpfen zu können. Er setzte den Wechsel zu Visma | Lease a Bike durch und will sich nun beweisen. Sein neues Team versuchte, den Druck so gering wie möglich zu halten und der gute Auftritt von ihm zum Auftakt wird ihm Selbstvertrauen geben. Doch die ganz große Prüfung wird dann das Zeitfahren sein – hier machte er im alten Team große Schwächen aus, übte heftige Kritik an Material und Betreuung. Ein gutes erstes Einzelzeitfahren würde ihm sicher noch mehr Auftrieb geben. Im Kampf um Weiß ist er der große Favorit – seine Ausgangslage nun sehr gut.

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