Auch wenn es keine „Hammer-Berge“ waren, die auf der 6. Etappe erklommen wurden, mussten die Favoriten auf den Gesamtsieg doch zeigen, was sie drauf haben.

 

1. Tom Dumoulin klebt an Rosa

In den ersten Tagen der Italienrundfahrt wurde Tom Dumoulin nicht müde zu betonen, dass er kein Höhentrainingslager gemacht hat und keinen Gedanken an die Gesamtwertung verschwendet. Er will bei den Zeitfahren gewinnen, das wars. Dass dies nur die halbe Wahrheit war, konnten wir schon bei der vierten Etappe sehen. Dumoulin ließ erst Kittel in Rosa aus dem Peloton fahren und sprintete dann um die Sekunden für den zweiten Platz. Spätestens dort zog der Rest des Peloton mit dem Zeigefinger das Augenlied nach unten. Dass Dumoulin dann bei der ersten Bergankunft attackierte und der Konkurrenz weitere Sekunden aufbrummte, schafft nun Klarheit. Nach dem Rennen stritt er seine Ambitionen auch nicht mehr ab. Dieser Rollerberg war ideal für den Niederländer. Mal sehen wie er sich in den Dolomiten schlägt.

 

2. Vincenzo Nibali mit taktischer Schwäche, aber besserer Form

Dieser Berg war nicht gemacht für Vincenzo Nibali. Zu flach, Gegenwind und in der Favoritengruppe noch genügend Helfer. Dennoch griff der Hai von Messina an. Es war ein taktischer Fehler, der ihm ein paar Sekunden gekostet hat, denn seine Attacke wurde vom „Roller“ Dumoulin gekontert. Doch für die Fans des Italieners ist es ein gutes Zeichen. Er fühlt sich stark, greift an. Die Form scheint besser zu werden, denn beim Giro del Trentino sah das noch ganz anders aus! Nibali wird in der letzten Woche seine Top-Form erreichen – man sollte ihn nicht abschreiben. Doch weitere Fehler darf er sich nicht erlauben, vor allem nicht gegen Tom Dumoulin.

 

3. Was ist mit Landa los?

Beim Giro del Trentino konterte Mikel Landa alle Attacken. Wenn der Rest am Limit fuhr, hatte Landa noch den Mund zu. Wenn er drauf trat, war nur das Stöhnen des Wattmessers zu hören. Doch beim Giro tut sich Landa schwer. „Ich habe mich in den letzten Tagen nicht großartig gefühlt“, sagte Landa nach der Etappe. Doch er gibt sich optimistisch wieder in den Kampf um Rosa eingreifen zu können. Das sollte schnell passieren, denn sonst verliert der Spanier im Zeitfahren am Sonntag sehr viel Zeit auf Tom Dumoulin.

 

4. Die Zeitbonifikationen als Taktik-Element

Ein Sprintduell mit Esteban Chaves und Alejdanro Valverde ist bei den meisten Klassementfahrern ähnlich beliebt wie eine Agility-Gruppe auf der Trainingsgrunde. Kein Wunder also, dass man lieber den Ausreißern die Bonussekunden lässt. Das freut die kletterstarken Ausreißer, ist für einige Zuschauer aber nicht so schön. Das Publikum will vielleicht lieber den besten Fahrer siegen sehen, doch Radsport ist eben wie Schach, nur mit Watt & Rädern.

 

5.  Jakob Fuglsang – Astanas taktische Option

Der Däne Jakob Fuglsang zählt seit Jahren zu den stärksten Rundfahrern, konnte sich jedoch bei den großen Rundfahrt selten als Kapitän durchsetzen. Im Jahr 2013 führte er das Astana-Team bei der Tour an und wurde am Ende immerhin Siebter. Doch meist war der 31-Jährige Edelhelfer oder Joker. Das könnte auch bei diesem Giro wieder seine Rolle sein. Aber so stark, wie sich Fuglsang derzeit präsentiert, ist er eine echte Option für das Astana-Team. Er kam in hervorragender Form aus dem Giro del Trentino und ist nun 26 Sekunden hinter Dumoulin im Gesamtklassement Zweiter. Klar, im Zeitfahren wird er einiges an Zeit verlieren, doch er könnte in den Bergen Tom Dumoulin und sein Team mächtig unter Druck setzen. Fuglsang gibt sich selbstbewusst und solange man im Team kein Hierarchie-Problem bekommt, ist es für Astana eine sehr gute Situation.