Der erste Teil des großen Finales der Tour de France 2016 mit der Bergankunft in Finhaut-Émosson und dem Bergzeitfahren von Sallanches nach Mègeve liegt hinter den Fahrern. Nach der 18. Etappe bestehen kaum noch Zweifel daran, dass Chris Froome (Sky) die Gesamtwertung für sich entscheiden wird. Schaut man sich die Leistungen der Profis auf den Etappen 17 und 18 an, bekommt man Eindruck davon, was ein Klassementfahrer leisten muss.
Etappe 17: Erneuter Ausreißererfolg durch Ilnur Zakarin – Sky kontrolliert das Geschehen
Die Bergetappen der 103. Tour de France verliefen bisher nach ähnlichem Muster: Eine extrem intensive Startphase, bis sich eine für die Favoritenteams ungefährliche Gruppe gebildet hatte und danach eine kontrollierte Pace im Peloton bis zum finalen Anstieg. Die Ausreißer machten den Etappensieg so jeweils unter sich aus.
Vor allem die erste Rennstunde, wo hart um die Gruppe gekämpft wurde, war sehr intensiv. Das Feld legte 51,5 Kilometer zurück. Timo Roosen musste bereits in dieser frühen Phase 284W investieren. Winner Anacona fuhr die ersten 90 Minuten gar mit 320W (4,85W/kg) in Diensten seiner Movistar-Kapitäne. Danach konnte sich die entscheidende 12-Mann-Gruppe mit Rafal Majka (Tinkoff), Jarlinson Pantano (IAM) und Ilnur Zakarin (Katusha) absetzen und das Rennen beruhigte sich im Feld.
Bis zum ersten schweren Anstieg, dem 12,7 km langen und 7,5% steilen Col de Forclaz, erarbeiteten sich die Ausreißer einen Vorsprung von 13 Minuten. An den Hängen des Forclaz brach die Gruppe dann auseinander. Die stärksten Angreifer um Majka und Zakarin erklommen den Anstieg in knapp 40 Minuten. Zakarin erbrachte dabei schätzungsweise 345 Watt Leistung, relativ zum Gewicht 5,25W/kg.
Im Peloton startete das Team Sky wieder ein gnadenloses Ausscheidungsfahren. Fast 3 Minuten schneller absolvierte man die Bergwertung in der Gruppe um Chris Froome. Sein Edelhelfer Geraint Thomas dürfte dafür wohl um die 405Watt (5,79W/kg) für 37 Minuten aufgebracht haben. Weiter zurück machten sich beim Großteil des Pelotons die Strapazen eines schnellen Tages und vor allem der bereits abgeschlossenen 16 Etappen bemerkbar. Selbst ein starker Kletterer wie Laurens Ten Dam (Giant-Alpecin) verlor nur am Forclaz über 7 Minuten, während seine Leistung auf 308W bzw. 4,46W/kg fiel.
Zakarin im Solo – Froome wirkt unantastbar
Der Schlussanstieg nach Finhaut-Émosson war mit 10,4 Kilometern Länge und 8,1% Steigung ein schwerer Brocken. An der Spitze wartete Ilnur Zakarin auf den richtigen Moment für eine Attacke und sein zweiter Versuch, an der 6-Kilometer-Marke, war erfolgreich. Er fuhr bis zum Ziel einen klaren Vorsprung von 55 Sekunden heraus und erbrachte über insgesamt 32:07 Minuten geschätzt 5,75W/kg (380W) nach 4:30 Stunden intensiven Rennens.
Einige Minuten später zeigten die Favoriten erstmals ihre volle Leistungsfähigkeit. Nach mehreren Attacken von Valverde und Daniel Martin drehte Richie Porte (BMC) auf. Seine neue Rekordzeit am Anstieg (30:27 min) bedeuteten wohl um die 375W Durchschnittsleistung, was beeindruckenden 6,05W/kg entsprechen würde. Lediglich Spitzenreiter Froome konnte seinem ehemaligen Edelhelfer folgen. Für alle anderen Fahrer waren solche Werte nicht erreichbar. Im Gruppetto erreichten die Fahrer ca. 30 Minuten später das Ziel, wobei beispielsweise Orica’s Daryl Impey die 10 Kilometer in 41:10 Minuten mit 299W (4,21W/kg) hinter sich brachte.
Etappe 18: Purer Leistungsvergleich im BZF – Welche Leistung gewinnt die Tour?
Das Bergzeitfahren ist der ultimative Test der Leistung auf dem Rad. Die Fahrer können sich nicht im Windschatten verstecken und Aerodynamik spielt nur eine untergeordnete Rolle. Damit bietet es für den Leistungsvergleich der besten Fahrer die idealen Ausgangsbedingungen. Der Kurs der 18. Etappe führte die Fahrer auf 16,8 Kilometer von Sallanches hinauf nach Mégeve. Nach einem 4km langen Flachstück zu Beginn folgte der steilste Sektor: 2500 Meter lang ging es 9,4% hinauf zur Côte de Domancy. Nur die letzten Kilometer ging es bergab zum Ziel in Mègeve auf 1095m Höhe.
Mithilfe der Leistungsdaten des Thomas de Gendt (Lotto-Soudal) kann das gesamte Zeitfahren im Detail analysiert werden. Er absolvierte den Kurs in 31:45 Minuten, 1:02 langsamer als Sieger Froome (30:43 und 33.21km/h). Er leistete dabei 409W, also 5,94W/kg bei 69kg Körpergewicht. Es muss zudem berücksichtigt werden, dass die absolute Leistung durch die Abfahrt zum Schluss etwas nach unten korrigiert wird, da dort die Leistung signifikant abfiel. Die 430W (6,21W/kg) für 24:53min für den reinen Anstieg (10.5KM; 5.4%) bieten eine genauere Vorstellung über das Potenzial der Weltelite im Radsport. Froome erbrachte hier wohl gar um die 6,4W/kg (~425W) und benötigte 23:59min.
Zum Vergleich: Das dänische Talent Michael Valgren (Tinkoff) wurde 30. Er fuhr das Zeitfahren mit 389W (5,37W/kg), den Anstieg mit 396W (5,46W/kg) in 26:25min und verlor insgesamt 1:20min auf de Gendt und 2:22min auf Froome.
Die Analyse der Zwischenzeiten – Daniel Martin schnellster Starter, Froome dominiert ab Kilometer 7
Eine genaue Übersicht der Leistungen erhalten wir aus dem Vergleich von De Gendt’s Leistung an allen Zwischenzeiten mit der jeweils schnellsten Zeit:
1. Zwischenzeit (KM4): Der Belgier startet zurückhaltend. Mit 4:52min und 399W (48.9km/h) ist er an dieser Stelle 46. Überraschend ist Kletterer Daniel Martin der Schnellste mit 4:25min und 52.8km/h
2. Zwischenzeit (KM6.5): An der “Côte de Domancy” zeigt Richie Porte (BMC) sein Potenzial: Er fliegt die 2500m in nur 6:51min mit fast 22km/h hinauf. Seine geschätzte Leistung: 7W/kg bei 62kg – 434W. De Gendt ist hier Zweitschnellster. Er verliert 11 Sekunden und erbringt 470W oder 6,81W/kg! BEMERKENSWERT: Froome verliert 31 Sekunden (7:22min) zu seinem ehemaligen Leutnant!! Auch der furios gestartete Martin kann hier nicht mithalten und büßt 53 Sekunden auf Porte ein.
3. & 4. Zwischenzeit (KM6.5 – KM13.5): Ab diesem Punkt dreht Chris Froome auf und ist in den nächsten beiden Sektoren der Schnellste. 7:03min (3.5KM, 4.8%) und 5:49min (3.5KM, 3.9%) katapultieren ihn an die Spitze. Seine Leistung schwankt um die 415–425W oder ca. 6,2–6,3W/kg für die 7 km. Mont Ventoux Etappensieger De Gendt verliert deutlich gegen Froome, 29 und 25 Sekunden, während seine Leistung auf 412W bzw. 402W fällt. Froome profitiert wohl auch von seiner Zeitfahrausrüstung.
Ziel: Der letzte Sektor bestand aus einer letzten steilen Rampe, gefolgt von einer superschnellen Abfahrt. Jéremy Roy (FDJ) war einer der Fahrer, der hier die 100km/h Marke durchbrach, bevor er in der letzten Kurve in die Banden stürzt. Louis Meintjes (Lampre) fährt hier die beste Zeit (5:50min) durch eine Kraftleistung am letzten Anstieg.
Froome konstant 1-2% stärker
Im Großen und Ganzen sind die Leistungen in den Alpen im Einklang mit den Vorstellungen der Elite in den ersten zweieinhalb Wochen. Das Spitzenfeld ist in diesem Jahr so eng beisammen, wie bisher selten in einer Tour de France. Nur Chris Froome scheint konstant 1–2% mehr leisten zu können. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Trend in den letzten beiden Alpenetappen gebrochen wird. Der Fokus verschiebt sich auf den Kampf um die verbleibenden Podiumsplätze. Mollema, Yates und Quintana wirken angreifbar und die Verfolger, allen voran Romain Bardet und Fabio Aru, werden jede Chance ergreifen.