Greg van Avermaet und Peter Sagan gehören zu den besten Klassikerfahrern ihrer Generation und haben durchaus ähnliche Qualitäten: endschnell, tempohart, bergauf explosiv und auch auf dem Pflaster mit reichlich Zug auf der Kette. Während Van Avermaet bergauf stärker ist, kann ihn Sagan im Sprint abziehen. Auch wenn der Slowake wohl der derzeit kompletteste Rennfahrer ist, hat er mit Van Avermaet für einige Rennen einen ebenbürtigen Widersacher.
Die Vorzeichen für die Saison 2016 waren für beide Ausnahmekönner ähnlich. Sie hatten beide bewiesen, dass sie zur absoluten Top-Klasse zählen, doch wollten sie endlich auch bei den wichtigsten Klassikern ganz oben stehen.
Peter Sagan war zwar Weltmeister, hatte mehrfach Grün bei der Tour gewonnen und einige Siege eingefahren, doch er musste sich immer wieder anhören, dass er noch kein Monument gewonnen hat. Aus heutiger Sicht komisch, aber es gab wirklich so etwas wie Erfolgsdruck für den Slowaken. Bei Van Avermaet war es ähnlich. Paris-Tours hatte er ebenso gewonnen wie die Belgien-Rundfahrt und eine Tour-Etappe. Doch der ganz große Klassikersieg fehlte.
Das erste Duell geht an Greg van Avermaet
Sagan und Van Avermaet starteten in Top-Form ins Frühjahr. Beim Omloop Het Nieuwsblad kämpften beide um den Sieg. Die Vorentscheidung im Rennen fiel am Taaienberg. Dort griff Luke Rowe (Sky) an und zog mit Van Avermaet (BMC) und Tiejs Benoot (Lotto-Soudal) davon. Weltmeister Peter Sagan hatte den Moment verpasst, setzte aber nach dem Anstieg nach und fuhr nach vorn.
Bis zum Zielsprint blieb die Gruppe vorn. Van Avermaet agierte clever, überließ dem Favoriten die meiste Arbeit und sprintete ihn mustergültig ab. Bäm, 1:0 für den Belgier. Sagan war vielleicht stärker, doch Van Avermaet schonte clever die Kräfte und siegte.
Auch die zweite Runde geht an Van Avermaet
Bei der Strade Bianche trafen sich die beiden wieder. Peter Sagan sorgte mit seiner Attacke für die Vorentscheidung im Rennen. Van Avermaet konnte nicht folgen und landete auf Rang sechs. Sagan ging am Ende die Kraft aus, er wurde in Siena Vierter. Wenige Tage später kreuzten sich in Italien erneut die Wege der beiden. Bei der Fernfahrt Tirreno-Adriatico lieferten sich Sagan und Van Avermaet ein spannendes Duell.
Erneut fuhr der Belgier taktisch clever und nutzte Sagans Favoritenrolle aus. Auf der sechsten Etappe blieb er lang an Sagans Hinterrad und zog erst auf den letzten Metern vorbei. Das war natürlich nicht nach dem Geschmack des Slowaken, der sich hinterher zerknirscht zeigte. Im abschließenden Zeitfahren bewies Sagan erneut, dass er in Top-Form war, jedoch fehlte eine Sekunde zum Gesamtsieg. So ließ sich Greg van Avermaet als Sieger feiern.
Sagan belohnt sich und holt ersten Sieg bei einem Monument
Die Qualität des Peter Sagan ist jedem im Peloton bekannt und nach den Auftritten zu Beginn der Saison war auch seine herausragende Form niemandem verborgen geblieben. Doch genau diese Stärke wurde für den Slowaken zur Schwäche. Denn niemand wollte mit ihm fahren. Ging eine Gruppe mit Sagan, schauten alle auf ihn und ließen ihn die Arbeit machen – verständlich, aber höchst unbefriedigend für Sagan, der bei fast allen Rennen der Stärkste war. Die Presse kritisierte, der Druck stieg.
Bei Gent-Wevelgem platze dann der Knoten. Zuerst sorgte Sagan mit einer Attacke am vorletzten Anstieg für die Vorentscheidung, als er sich mit Sep Vanmarcke und Fabian Cancellara absetzte. Im Finale pokerte der Weltmeister dann exzellent und taktisch hervorragend und holte schließlich im Sprint den Sieg. Eine Befreiung. Van Avermaet erreichte mit den Verfolgern als Neunter das Ziel.
Eine Woche später, bei der 100. Ronde van Vlaanderen ließ Sagan dann alle Kritiker endgültig verstummen. Er war der stärkste Fahrer und fuhr souverän den Sieg ein – Haken dran, ans erste Monument. Für Van Avermaet war es ein Tag zum vergessen. Weit vor dem Ziel stürzte er und musste das Rennen aufgeben.
Das nächste Duell in Kalifornien
Nach dem Frühjahr trafen die beiden bei der Tour of California erneut aufeinander. Auch dort ging das Duell zu Gunsten des Weltmeisters aus. Nachdem Sagan bereits zum Auftakt gewonnen hatte, schlug er Van Avermaet im direkten Duell auf der vierten Etappe.
Bei der Tour spielen beide ihre Stärken aus
Das nächste gemeinsame Rennen war die Grand Boucle. Große direkte Duelle gab es bei der Tour nur wenige, wenn, dann hatte Sagan die Nase vorn. So in Cherbourg und Bern. Aber auch Gerg van Avermaet zeigte eine starke und extrem erfolgreiche Tour de France. Der Belgier gewann die fünfte Etappe und trug mehrere Tage das Gelbe Trikot. Sagan gewann sogar drei Etappen und kehrte mit dem Grünen Trikot zurück.
Nach der Tour reiste Van Avermaet nach Rio und setzte mit dem Olympiasieg das i-Tüpfelchen auf eine beeindruckend starke Saison. Sagan hatte in Rio auf das Straßenrennen verzichtet und startete mit dem Mountainbike. Doch der Slowake hatte Defektpech und war so ohne Medaillenchance.
Unentschieden im September in Kanada
Das nächste direkte Duell der beiden Eintagesspezialisten fand in Kanada statt. Bei den beiden WorldTour-Rennen in Quebec und Montreal waren sie die Top-Favoriten und lieferten starke Rennen. Sagan gewann das erste Rennen vor Van Avermaet. In Montreal revanchierte sich der Belgier und siegte vor dem Weltmeister.
Erst die Eneco-Tour, dann die WM
Bei der Eneco-Tour war Sagan bereits in WM-Form. Er gewann zwei Etappen und wurde Gesamtdritter. Erneut hatte er das Pech, dass ihm bei der entscheidenden Schlussetappe alle am Hinterrad klebten, aber keiner mit ihm zusammenarbeiten wollte. Van Avermaet siegte beim Teamzeitfahren und arbeitete für seinen Leader Rohan Dennis. Doch Dennis stürzte auf der Schlussetappe. Van Avaermaet beendete das Rennen schließlich auf Gesamtrang Vier, mit zwei Sekunden Rückstand auf Sagan.
Bei der WM starteten beide mit unterschiedlichen Rollen. Van Avermaet war bei der starken belgischen Mannschaft nur einer der Favoriten, während Sagan im slowakischen Team die klare Nummer eins war.
Im Rennen stellte sich Van Avermaet in den Dienst von Tom Boonen. Sagan gewann und verteidigte den WM-Titel, Boonen gewann Bronze, Van Avermaet wurde Zehnter.
Ohne Frage haben Peter Sagan und Greg van Avermaet in der Saison 2016 für spannende Rennen gesorgt und den Fans viel Spaß bereitet. Beide waren extrem erfolgreich und werden auch in der neuen Saison versuchen an die großen Erfolge anzuknüpfen. Wir hoffen, dass der Belgier nach dem Fußbruch im November schnell wieder in Schwung kommt. Denn die Duelle mit Sagan haben vor allem eines gemacht – Lust auf mehr!